Interview mit Isabel Schnabel Das sagt die Bonner Wirtschaftsweise zur CO2-Steuer

CO2-Ausstoß soll teurer werden, bloß wie? Vorschläge lieferte am Freitag ein Gutachten des Sachverständigenrates. Die Bonner Wirtschaftsweise und Professorin Isabel Schnabel darüber, wie sich Umweltschutz und Ökonomie sinnvoll vereinbaren lassen.

Es gibt bereits den europäischen Emissionshandel und die Energiesteuer. Warum soll der CO2-Ausstoß weiter verteuert werden?

Isabel Schnabel: Der europäische Emissionshandel umfasst nur die Sektoren Industrie und Energie. Wichtige Wirtschaftszweige wie Verkehr, Landwirtschaft und die Beheizung von Gebäuden werden bisher ausgespart. Daher droht Deutschland die nationalen Ziele zu verfehlen, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben. Insgesamt kann Europa nach derzeitigem Stand die Vereinbarungen nur einhalten, weil andere Länder die Versäumnisse Deutschlands wieder wettmachen. Wir müssen also dringend handeln.

Derzeit streitet sich die Politik über die richtige Methode:CO2-Steuer oder eine Verbreiterung des Emissionshandels auf weitere Sektoren – was macht wirtschaftlich Sinn?

Schnabel: Mittelfristig ist der Emissionshandel die beste Lösung. Dabei wird die Gesamtmenge des erlaubten CO2-Ausstoßes politisch festgelegt. Die Verschmutzungsrechte können dann gehandelt werden. So wird dort CO2 eingespart, wo es am effizientesten ist. Aus den Fehlern der Anfangsphase des europäischen Emissionshandels mit zu niedrigen Preisen haben wir mittlerweile gelernt und können diese Erfahrungen nutzen. Aber es dauert eine ganze Weile, das europäische Emissionshandelssystem unter politischer Abstimmung aller beteiligten Länder auszuweiten.

Welche Lösung wäre kurzfristig umsetzbar?

Schnabel: Wir brauchen eine Übergangslösung, idealerweise gemeinsam mit einer möglichst großen Gruppe europäischer Länder. Das kann ein neues Handelssystem für Emissionsrechte sein oder eine CO2-Steuer.

Wo sehen Sie die Nachteile einer Steuer?

Schnabel: Über eine Steuer lässt sich die Menge des CO2-Ausstoßes nur ungenau steuern. Denn deren Höhe wird am Anfang politisch festgelegt, ohne die Wirkung konkret vorhersagen zu können. Das heißt, man wird die Steuer immer wieder anpassen müssen, und das ist dann immer wieder ein komplizierter politischer Prozess. Die Gefahr ist groß, dass die eigentlichen Klimaziele dabei aus den Augen verloren werden. Für den Bürger ist eine Steuerwirkung schlechter nachvollziehbar als eine feste Höchstmenge für den CO2-Ausstoß, die beim Emissionshandel festgelegt wird. Andererseits ist eine Steuer im Vergleich zu anderen Maßnahmen aber am einfachsten umsetzbar.

Gerade bei Sprit und Heizkosten ist die Preisempfindlichkeit groß. In Frankreich richten sich die Gelbwesten-Proteste maßgeblich gegen die hohen Benzinpreise. Ist eine Verteuerung zumutbar?

Schnabel: Grundsätzlich geht es sowohl bei einer neuen Steuer als auch beim zusätzlichen Emissionshandel darum, CO2-Emissionen teurer zu machen. Diese Preisaufschläge treffen ärmere Haushalte relativ zu ihrem Einkommen stärker als reichere. Deshalb ist ein Sozialausgleich unverzichtbar. Aber es geht auch um politische Akzeptanz. Daher muss es wohl auch für Gruppen wie die Pendler eine Lösung geben.

Die Politik will den Bürgern die Zusatzkosten durch eine CO2-Bepreisung an anderer Stelle erstatten. Wie soll die Anreizwirkung dabei erhalten bleiben?

Schnabel: Man muss in der Tat aufpassen, dass man nicht so kompensiert, dass man den gesamten Lenkungseffekt wieder zunichtemacht. Deshalb könnte die Rückverteilung beispielsweise pro Kopf erfolgen und nicht entsprechend dem individuellen Energieverbrauch. So bleibt der Lenkungseffekt erhalten. Wer weniger Energie verbraucht, hat einen Gewinn daraus. Ich würde außerdem dafür plädieren, nicht alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder auszuschütten. Allein durch eine Verteuerung des Energieverbrauchs lassen sich die Klimaziele nicht erreichen. Man muss es den Menschen auch ermöglichen, ihr Verhalten zu ändern. Daher könnte ein Teil der Einnahmen etwa in den Ausbau von Bus- und Bahnverkehr oder mehr Ladestationen für Elektrofahrzeuge fließen.

Kritiker befürchten, ein Großteil der Einnahmen könnte einfach im Staatshaushalt versickern. Zurecht?

Schnabel: Vollständig auszuschließen ist das nicht. Um die Akzeptanz der Maßnahmen für den Klimaschutz zu gewährleisten, muss sich die Politik klar positionieren und die Maßnahmen transparent machen. Es gibt zwar einen sehr großen Anteil der Bevölkerung, der die Dramatik des Themas Klimawandel erkannt hat. Aber wenn es an das eigene Portemonnaie geht, fällt die Bewertung dann manchmal anders aus. Das muss man bei der CO2-Bepreisung unbedingt berücksichtigen.

Bedenken gibt es auch in der Wirtschaft, die Wettbewerbsnachteile durch steigende Energiekosten fürchtet.

Schnabel: Die Gefahr besteht, dass deutsche Unternehmen im globalen Wettbewerb durch höhere Kosten benachteiligt werden und vielleicht sogar mit Teilen ihrer Produktion ins billigere Ausland abwandern. Deshalb wäre eine globale CO2-Bepreisung die beste Lösung. Da das jedoch im Moment kaum umsetzbar ist, müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wahren, zum Beispiel indem andere energiebezogene Abgaben gesenkt werden. Eine weitere Option ist der sogenannte Grenzausgleich. Dabei würden Importe gemäß ihrer CO2-Bilanz belastet und bei Exporten etwas abgezogen, um die Produkte wettbewerbsfähig zu halten. In der Praxis ist das allerdings nicht einfach umzusetzen.

Wie schnell kann eine CO2-Bepreisung überhaupt eine Wirkung zeigen?

Schnabel: Es ist realistisch, die Bepreisung innerhalb der kommenden zwei Jahre umzusetzen. Gleichzeitig müssen längerfristig aber neue Technologien zur Verringerung des CO2-Ausstoßes entwickelt werden. Das wird zum einen durch die Anreizwirkung der Bepreisung geschehen. Zum anderen ist eine zusätzliche staatliche Förderung sinnvoll. Denn neue Technologien können auch in anderen Teilen der Welt zum Klimaschutz beitragen. Alleine werden wir das Klimaproblem nicht lösen.

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