Abgas-Skandal Dicke Luft zwischen Berlin und Brüssel

Brüssel · Die EU-Kommission will Strafverfahren wegen der Abgas-Manipulationen einleiten. Scharfe Vorwürfe gegen Dobrindt.

Die EU-Kommission wird am Donnerstag gegen Deutschland und weitere Staaten ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Abgas-Affäre einleiten. Nach Informationen unserer Zeitung fiel die Entscheidung bereits am Mittwoch bei der wöchentlichen Kommissionsitzung und soll am Donnerstag öffentlich gemacht werden.

Zuvor hatte bereits der Berichterstatter der christdemokratischen Fraktion im Abgas-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlamentes, Jens Gieseke (CDU), die Eröffnung eines Verfahrens bestätigt, den Zeitpunkt aber kritisiert. Es wäre „angemessen“ gewesen, den Bericht des Ausschusses abzuwarten, der für Januar geplant ist, sagt Gieseke, der „politische Gründe“ für das Vorpreschen der EU-Behörde vermutete. Nach Angaben des CDU-Politikers geht die Kommission auch gegen Großbritannien, Tschechien, Litauen, Luxemburg, Griechenland und Spanien vor.

Bei dem Vertragsverletzungsverfahren geht es um zwei mutmaßliche Verstöße gegen EU-Recht. In einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2007 werden die Abgasnormen für die Euro-5 und Euro-6-Schadstoffklasse bei Dieselfahrzeugen festgelegt. Das Regelwerk enthält ein ausdrückliches Verbot von Vorrichtungen, mit denen die Abgasreinigung zu- oder abgeschaltet werden kann. Volkswagen soll bei der Typen-Zulassung seiner Fahrzeuge gemogelt haben. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten für derartige Verstöße Strafen festlegen und diese auch anwenden sollten. Die Frist endete 2009.

Nicht nur Deutschland ließ dieses Ultimatum verstreichen, ohne aktiv zu werden. Darüber hinaus geht es um die konkrete Aufarbeitung des VW-Skandals. Bereits kurz nach Bekanntwerden hatte die EU-Behörde die Mitgliedstaaten aufgefordert, zu prüfen, ob auch andere Hersteller Software-Manipulationen vorgenommen haben. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) meldete im April nach Brüssel, außer VW habe es keine weiteren Abschaltvorrichtungen geben. Dass seine Fachleute bei Fahrzeugen aus anderen Häusern ähnliche Vergehen festgestellt hatten, erklärte der Minister mit notwendigen Maßnahmen zum Motorenschutz, die laut EU-Verordnung erlaubt seien. Strafen wurden nicht verhängt. Das war der EU-Zentrale nun zu viel. Die für Industriefragen zuständige Kommissarin Elzbieta Bienkowska tat, was sie bereits im September angedroht hatte: Sie führte in der Kommissionsrunde einen Beschluss zur Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens herbei, wie es Artikel 258 des Lissabonner-Vertrages bei Verstößen gegen EU-Recht verlangt.

Zunächst müssen die Mitgliedstaaten nun ihrerseits eine Stellungnahme abgeben und vor allem die Beseitigung des Unrechtes versprechen. Sollten sie sich verweigern oder eine allzu dürftige Antwort liefern, könnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eingeschaltet werden. Ein Urteil dürfte teuer werden. Um welche Beträge es dabei gehen würde, macht ein ganz anderer Beschluss der Kommission deutlich. Die Behörde wollte als Konsequenz aus den Abgas-Manipulationen künftig die Zulassung aller Fahrzeugtypen einer europäischen Agentur übertragen, scheiterte damit aber.

Für Verstöße gegen die europäischen Vorgaben hatte Brüssel Strafgelder in Höhe 30.000 Euro pro zugelassenem Auto gefordert. In ähnlicher Höhe könnte sich nun eine Sanktion für jene Hersteller bewegen, die in den Skandal verwickelt sind.

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