Nach den Paradise Papers Die nächste Steuerlücke
Brüssel · Im Onlinehandel gibt es viel Mehrwertsteuerbetrug. Aber die EU-Finanzminister finden noch keine Lösung dagegen.
Die neuen Enthüllungen über paradiesische Steuervermeidung internationaler Konzerne und Großverdiener lagen noch in der Luft, als sich die EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel trafen. Doch für eine Einigung über entgangene Mehrwertsteuereinnahmen im Onlinehandel reichte es dennoch nicht. Allein für Deutschland wird das Minus auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, weil Händler vor allem aus Fernost Waren in die Union importieren, aber keine Umsatzsteuer abführen. „Wir haben da noch Probleme mit den Vorschlägen, die die EU-Kommission vorgelegt hat“, begründete der deutsche Interims-Finanzminister Peter Altmaier die erneute Verschiebung der Entscheidung.
Händler aus Nicht-EU-Staaten importieren ihre Produkte in die Gemeinschaft, verkaufen sie dann über Internetplattformen wie beispielsweise Amazon oder eBay in alle Mitgliedstaaten. Die dabei fällige Umsatzsteuer wird von einigen eingezogen, aber nicht abgeführt – ein erklecklicher Gewinnzuwachs, den die EU-Zentrale mit rund 50 Milliarden Euro pro Jahr für alle EU-Länder beziffert. „Wir müssen etwas tun“, erklärte Altmaier. Doch der Vorschlag der Kommission blieb umstritten. Die EU-Behörde hatte angeregt, dass sich Unternehmen aus Drittstaaten künftig nur noch an einer Stelle in der EU registrieren und dort auch steuerlich veranlagt werden. Altmaier: „Wir sind uns noch nicht einig, wie der Mitgliedstaat, der dann zuständig ist, die Einnahmen nach einem akzeptablen Schlüssel auf die übrigen Partner verteilt.“ Denn genau das will auch die Kommission, doch es fehlen klare und messbare Kriterien.
Und noch mehr Hürden kommen dazu
Hinzu kommen weitere Hürden, die noch nicht überwunden wurden. Brüssel drängt darauf, die Umsatzsteuer im Onlinehandel spürbar zu senken – also den landesüblichen Mindeststeuersatz anzuwenden. Das führt zu eklatanten Widersprüchen: Wer ein Softwarepaket im Einzelhandel erwirbt, zahlt die übliche Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Sollten die Vorschläge der Kommission übernommen werden, würde beim Kauf des gleichen Produktes als Download eine deutlich geringere Umsatzsteuer fällig. „Das geht so nicht“, hieß es bei den Finanzministern der Union. Hinzu kommen wohl auch weitere Befürchtungen. Da die EU-Verwaltung den Unternehmen freistellen will, in welchem Land sie sich registrieren, könnten erneut Staaten mit niedrigen Steuersätzen Vorteile für sich herausschlagen. Die Gemeinschaft würde das ohnehin noch ungelöste Problem des Standortwettbewerbs über die staatlichen Abgaben selbst verschärfen.
Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen aber tiefer. Beim grenzüberschreitenden Handel entfällt innerhalb der EU die Umsatzsteuer. Wer also ein Produkt aus dem Land A in das Land B verschickt, zahlt bei der Ausfuhr keine Mehrwertsteuer, beim Verkauf im Land B muss die Abgabe allerdings erhoben werden. „Wir stehen noch im Wald“, hieß es in Brüssel. Man werde eine entsprechende EU-Richtlinie wohl weitaus mehr überarbeiten, als das bisher angedacht sei. Das dürfte auch nötig sein, weil die Einzelhändler vor Ort durch die Umgehung der Mehrwertsteuer das Nachsehen haben.