Abgasskandal Dieselaffäre zieht weitere Kreise

FRANKFURT · Ist das nun die Ausweitung des Abgas-Betrugs auf die ganze Autoindustrie? US-Behörden nehmen nach VW auch Fiat ins Visier. Noch gibt es keinen Nachweis illegaler Taten, ein Vergleich mit „Dieselgate“ ist schwierig, aber die Ermittlungen laufen an.

 Blick auf die VW-Autostadt in Wolfsburg: Der Konzern hat in den USA Manipulationen bei Abgastests zugegeben.

Blick auf die VW-Autostadt in Wolfsburg: Der Konzern hat in den USA Manipulationen bei Abgastests zugegeben.

Foto: picture alliance / dpa

Nun hat auch Fiat Chrysler sein Abgas-Problem. Doch mit Volkswagen will man sich keinesfalls vergleichen lassen. Volkswagen und das US-Justizministerium hatten sich im Diesel-Skandal auf Strafzahlungen über weitere 4,3 Milliarden Dollar geeinigt. Bei der EU schwindet unterdessen die Geduld. Und auch ein anderer Autobauer gerät unter Druck. Die französische Justiz leitete Untersuchungen zu Abgaswerten bei Renault ein. Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Täuschung. Nach dem Beginn des VW-Skandals waren bei Tests in Frankreich Überschreitungen von Abgasnormen bei Renault festgestellt worden. Die Wettbewerbsbehörde ermittelte und übergab ihre Erkenntnisse im November der Justiz.

Fiat Chrysler kommt jetzt auch in Europa stärker unter Druck. Auch die EU-Kommission verlangt nun schnelle Aufklärung über den möglichen Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen. Am Donnerstag hatte die amerikanische Umweltbehörde EPA offiziell Vorwürfe der Abgasmanipulationen gegen den italienisch-amerikanischen Autobauer erhoben. In 104 000 Fahrzeugen soll Fiat Chrysler eine Software zur Fälschung der Abgaswerte eingebaut haben, dem Jeep Grand Cherokee und dem Kleinlastwagen Dodge Ram 1500 – Modelle mit großem Drei-Liter-Hubraum, die entsprechend mehr Schadstoffe ausstoßen als kleinere Wagen. Bei Volkswagen waren zwar insgesamt etwa 600 000 Fahrzeuge in den USA betroffen, allerdings nur etwa 80 000 bis 85 000 mit großem Hubraum. Fiat Chrysler könnte eine Strafe von etwa vier Milliarden Dollar drohen, ist zu hören. Allerdings hat Konzernchef Sergio Marchionne diese Vorwürfe zurückgewiesen und will sich noch nicht auf Verhandlungen einlassen.

Er spielt offenbar auf Zeit: Denn am 20. Januar steht der Wechsel im Weißen Haus in den USA an. Und das könnte Fiat Chrysler eine bessere Stellung verschaffen als unter dem noch amtierenden Präsidenten Barack Obama. Denn Trump hatte der Umweltbehörde EPA schon im Vorfeld mit Auflösung gedroht, deshalb könnte eine mögliche Strafverfolgung des Autobauers vielleicht nicht weiter betrieben werden. Auffällig ist jedenfalls, dass Fiat Chrysler vor wenigen Tagen den Aufbau neuer Jobs in den USA angekündigt hatte. Doch andererseits könnte Trump Vorbehalte gegen den italienisch-amerikanischen Konzern hegen, meinen einige Experten: Chrysler stellt mehr Autos in Mexiko her als General Motors oder Ford. Es dürfte also für Fiat Chrysler auch viel von der künftigen Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen abhängen.

Bisher war Fiat mit einer eher lässigen Haltung gegenüber den Behörden durchgekommen. So hatten Tests des Kraftfahrt-Bundesamtes bei einigen Dieselfahrzeugen des Konzerns eine illegale Software zur Abschaltung der Abgasreinigung gefunden. Fiat aber hatte darauf verwiesen, dass nur die italienische Aufsichtsbehörde zuständig sei, nicht die deutsche. Das könnte die EU-Kommission nun anders sehen. In den USA aber wird generell illegales Verhalten von Unternehmen schneller und härter geahndet als in Deutschland. Das liegt auch am Unternehmensstrafrecht, das in den USA gilt: Dort können die Strafbehörden auch gegen juristische - also nicht natürliche - Personen strafrechtlich vorgehen. Das geht in Deutschland nicht, deshalb belangt man hier die „natürlichen Personen“, meist die verantwortlichen Manager, die Täter hinter den Vergehen. Allerdings können auch in Deutschland Unternehmen bestraft werden, allerdings nur in geringerer Höhe. Denn Geldbußen können nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz gegen juristische Personen und Personenvereinigungen verhängt werden. Im Falle einer vorsätzlichen Straftat können das bis zu zehn Millionen Euro sein, bei fahrlässiger Begehung bis zu fünf Millionen Euro – aber Milliarden-Geldbußen sind nicht möglich.

Allerdings hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag von November 2013 vereinbart, man wolle die Einführung eines Unternehmensstrafrechts prüfen. Vor allem NRW-Justizminister Thomas Kutschaty drängt seit 2013 darauf, die meisten anderen Landesjustizminister sehen das ähnlich – und das tun schon lange, bevor der VW-Abgasskandal bekannt geworden war. (ga/dpa)

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