Textilbranche Dividende oder höhere Löhne?

Bonn · Für die Hauptversammlung von Hugo Boss am heutigen Mittwoch fordert die Aktionärin Gisela Burckhardt aus Bonn existenzsichernde Bezahlung für Näherinnen. Doch das stößt nicht auf Gegenliebe.

 Näherinnen in einer Textilfabrik in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.

Näherinnen in einer Textilfabrik in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.

Foto: dpa/Doreen Fiedler/Archivfoto

Wenn der Anzug-Hersteller Hugo Boss an diesem Mittwoch seine virtuelle Hauptversammlung abhält, müssen sich die Aktionäre wegen der Corona-Krise mit besonderen Problemen beschäftigen. Anstatt für 2019 eine Dividende an die Eigentümer auszuschütten, soll ein „Fonds für existenzsichernde Löhne zugunsten der Näherinnen“ geschaffen werden, beantragte die kritische Aktionärin Gisela Burckhardt. Begründung: Die schlecht bezahlten Beschäftigten in den Zulieferfabriken Osteuropas, der Türkei und Asiens litten besonders unter der Pandemie. Burckhardt ist die Vorsitzende des Bonner Vereins Femnet.

Nicht nur für Hugo Boss im baden-württembergischen Metzingen, sondern für viele weitere Textilfirmen ist die Lage insgesamt schwierig. „Die Umsätze, vor allem bei den Bekleidungsunternehmen, sind teilweise um bis zu 85 Prozent und mehr eingebrochen“, sagte eine Sprecherin des Verbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie. Wie große Teile der Branche leidet Hugo Boss unter der Schließung der hiesigen Geschäfte zwischen März und Mai. Hinzu kommen Absatzprobleme etwa in China und den USA. Der Umsatz im ersten Vierteljahr 2020 ging um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zurück, die Firma schrieb einen Verlust. Aber auch die Lage bei den Zulieferern ist dramatisch. Beispielsweise in Bangladesch, wo viele deutsche Firmen produzieren lassen, haben nach Angaben des dortigen Verbandes der Textilindustrie über 1000 Fabriken Aufträge im Wert von mehr als drei Milliarden Euro verloren. Weil die Händler weniger verkauften, bestellen sie auch weniger, beklagte der Verband. Das treffe die Beschäftigten hart, weil viele keinen Lohn mehr bekämen. 2,8 Millionen Arbeitsplätze seien gefährdet.

Das Unternehmen hält von Burckhardts Antrag wenig. „Die Verwendung des Bilanzgewinns für die Schaffung eines Fonds ist laut der Satzung nicht zulässig“, erklärte eine Sprecherin. Grundsätzlich könne die Hauptversammlung die Satzung des Unternehmens zwar ändern, doch das gelte dann erst für die Zukunft. Burckhardt will an ihrem Anliegen festhalten, kann sich bei der Versammlung aber vermutlich nicht durchsetzen. Ohnehin geht es nur um die Mindestdividende von wenigen Cent pro Aktie, die laut Firma gesetzlich vorgeschrieben sei. Der größte Teil der geplanten Ausschüttung soll wegen der Corona-Krise sowieso flachfallen.

Mit der Forderung nach existenzsichernden Löhnen für die Beschäftigen der Zulieferfabriken, die Burckhardt erhebt, tun sich die Unternehmen schwer. Weil diese Bezahlung über den niedrigen Mindestlöhnen der Produktionsländer läge, entstünden höhere Kosten. Die Hugo Boss-Sprecherin verwies darauf, dass das Unternehmen im Bündnis für nachhaltige Textilien mitarbeite, welches höhere Löhne als Ziel anpeilt.

Außerdem fordern die Aktivisten, dass hiesige Bekleidungsunternehmen möglichst keine Aufträge an Zulieferer kündigen sollen, um diese nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Dazu erklärte die Hugo Boss-Sprecherin: Man versuche, die „Liquidität der Lieferanten abzusichern“ und sich auf „gemeinsam vereinbarte Preisreduktionen“ zu einigen. Komplett vermeiden ließen sich Stornierungen aber nicht.

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