Lebensmittelbetrug „Dreist und gesundheitsgefährdend“

Berlin · Mit gepanschten oder falsch deklarierten Erzeugnissen ergaunern Fälscher Gewinnspannen wie beim Drogenhandel. Ein Interview mit einem Experten für Lebensmittelbetrug.

 Andreas Kliemant spricht von organisierter Kriminalität, wenn es um Betrug mit Lebensmitteln geht. FOTO: DPA

Andreas Kliemant spricht von organisierter Kriminalität, wenn es um Betrug mit Lebensmitteln geht. FOTO: DPA

Foto: picture alliance / Jörg Carstens

Welche Lebensmittel werden besonders häufig gefälscht?

Andreas Kliemant: In wirklich großem Ausmaß wird Olivenöl gefälscht. Auf der EU-Liste der zehn betrugsanfälligsten Produkte stand es auf dem ersten Platz. Auch Fisch, Biowaren, Haselnüsse, Honig, Wein oder Gewürze fallen immer wieder auf. Man kann aber durchaus sagen, dass kein Lebensmittelbereich vor Fälschung geschützt ist. Die Gefahr besteht überall, wo Schummeleien hohe Gewinne versprechen.

Wie lassen sich Fische fälschen?

Kliemant: Wir reden hier eher über Betrug. Generell werden Erzeugnisse entweder gestreckt, gepanscht oder – wie bei den Fischen – umdeklariert. Die teure Seezunge erweist sich nach der DNA-Analyse dann als billiger Pangasius. Oder die Spezialität japanischer Aal, der als europäischer Glasaal nach Asien exportiert wird und als vermeintliche Delikatesse wieder hierher zurückkommt. Der Red Snapper wird gerne durch den Rotbarsch ersetzt.

Wie gehen die Täter konkret vor?

Kliemant: Dreist und gesundheitsgefährdend ist zum Beispiel die Masche, einfaches Palmöl durch den Zusatz von rotem Azofarbstoff in hochwertiges natives Palmöl zu verwandeln, das den zehnfachen Preis einbringt. Zur Fälschung von Olivenöl haben wir beim BVL selbst einmal einen Fall aus der Praxis nachgestellt und billiges Salatöl mit Hilfe von grünem Pflanzenfarbstoff sowie Wasabi-Paste und Pfeffer in anscheinend hochwertiges, Olivenöl verwandelt. Verbraucher haben die Fälschung und echtes Olivenöl zum Test bekommen. Nur jeder zweite hat beide unterscheiden können. Auf der Grünen Woche in diesem Jahr haben wir eine Fälscherwerkstatt aufgebaut. Da kann jeder Besucher sehen, wie leicht mit Honig betrogen werden kann. Mit Glukose oder Fruktose und Wasser kann der wertvolle Honig schnell gestreckt werden.

Welcher Schaden entsteht dadurch?

Kliemant: Dramatisch ist es, wenn durch Fälschung Leben gefährdet werden. Im vergangenen Jahr haben wir eine Schwerpunktuntersuchung bei importierten Haselnüssen und Haselnussprodukten vorgenommen. Ein Teil der aus Georgien beziehungsweise Italien stammenden Produkte war mit Erdnüssen beziehungsweise Cashewkernen oder Mandeln versetzt. Für Allergiker kann der Genuss gefährlich sein. Oder denken Sie an den gepanschten Alkohol in Tschechien vor einigen Jahren. 47 Menschen sind daran gestorben. Darüber hinaus entsteht ein wirtschaftlicher Schaden, wenn Verbraucher zum Beispiel für ein angeblich hochwertiges Olivenöl elf Euro bezahlen. Das in der Flasche enthaltene Billigöl aber nicht einmal einen Euro wert ist.

Wer sind die Täter?

Kliemant: Beim Lebensmittelbetrug lassen sich Gewinnspannen wie beim Drogenhandel erzielen. Deshalb spielt die organisierte Kriminalität hier auch eine Rolle. Darauf gibt es deutliche Hinweise. Wenn Sie Waren in größeren Mengen von einem Land ins andere transportieren und dort verteilen müssen, sind organisierte Strukturen notwendig. Mitunter bedienen sich die Täter auch derselben Vertriebswege wie beim Handel mit Drogen. Es ist auch nicht so, dass nur Produkte mit hohen Gewinnspannen gefälscht werden. In einer Massenproduktion lohnt sich auch ein vergleichsweise kleiner Ertrag pro Stück. Der Aufbau so einer Fabrikation wiederum erfordert hohe Anfangsinvestitionen, die ein kleiner Einzeltäter kaum schultern kann.

Können Verbraucher Fälschungen erkennen?

Kliemant: Manchmal gibt es Hinweise, die skeptisch machen. Sind die Farben auf einer Verpackung von Markenware zum Beispiel im Ton vom Original abweichend oder fehlen charakteristische Merkmale wie Sicherheitsverschlüsse, kann dies ein Indiz für eine Fälschung sein. Inhaltlich sind Fälschungen für den Laien kaum erkennbar und auch ein günstiger Preis ist nicht die Regel. Der Profi macht kein Dumping. Er will ja möglichst hohe Gewinnspannen erreichen.

Wie gehen die Behörden dagegen vor?

Kliemant: Die zunehmende Ausprägung des Phänomens wird erst seit wenigen Jahren wahrgenommen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelkontrolleuren, Strafermittlern und Zoll befindet sich noch im Aufbau. Exemplarisch sind die von Europol und Interpol koordinierten Sonderuntersuchungen namens Opson, die nach dem griechischen Begriff für den Gehalt des Essens benannt sind. An der jüngsten Aktion Opson VI beteiligten sich 65 Länder, aber auch Verbände oder Unternehmen wie Coca Cola und Nestlé. Was wir aus diesen Kontrollen lernen, fließt später in die Routinearbeit der Kontrollen ein. In Deutschland sind die Kontrollen Ländersache. Bayern geht hier zum Beispiel mit einer Sondereinheit besonders intensiv gegen Betrüger vor.

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