Primark-Deutschlandchef „Ethik hat nichts mit dem Preis zu tun“

Kaum ein Modekonzern polarisiert wie die Billigkette Primark. Bei Eröffnungen stehen sich begeisterte Kunden und wütende Demonstranten gegenüber. Wolfgang Krogmann, Primark-Chef für Deutschland und Österreich, verteidigt im Gespräch mit Delphine Sachsenröder die Strategie seines Unternehmens.

Gestatten Sie eine indiskrete Frage zum Auftakt: Was hat Ihr Anzug gekostet?

Dafür behält man ihn sicher ein paar Jahre. Kritiker werfen Primark vor, mit seinen Billigpreisen die Wegwerfmentalität zu befördern. Können Sie das nachvollziehen?

Krogmann: Unsere Sachen sind dafür gemacht, zu halten. Wir haben die gleichen Qualitäten wie unsere Wettbewerber, weil wir oft auch in den gleichen Fabriken produzieren lassen. Wir teilen 98 Prozent unserer Zulieferer mit anderen Händlern und Marken, die oftmals deutlich teurer sind.

Billigmode landet trotzdem oft im Müll.

Krogmann: Da muss man schon unterscheiden. Viele Kunden haben trotz unserer günstigen Preise nicht das Geld, ständig neue Kleidung zu kaufen. Und die Wertschätzung von Dingen wird nun einmal in erster Linie im Elternhaus vermittelt. Ich sage meinen Kindern: Jedes Stück, was wir produzieren, ist von Menschen gemacht und verdient entsprechenden Respekt. Es gibt auch Kunden, die ihre Kleidung schnell aussortieren. Aber die Sachen landen dann nicht zwingend im Müll, sondern werden zum Beispiel second hand verkauft oder recycelt.

Wie entstehen Primarks Preise?

Krogmann: Unsere Einkaufspreise sind ähnlich wie bei den Wettbewerbern, die Verkaufspreise deutlich geringer. Das rechnet sich, weil wir den Verwaltungsaufwand gering halten und hohe Stückzahlen einkaufen. Wir verzichten auch aus Kostengründen auf Werbung und einen teuren Online-Shop. Das rechnet sich für uns im Moment nicht.

Kritiker sagen, dass vor allem die Näherinnen in den Produktionsländern wie Bangladesch unter Primarks niedrigen Preisen leiden.

Krogmann: Ethik hat nichts mit dem Preis zu tun. Die Näherinnen verdienen immer genau gleich viel Geld, egal für wen sie produzieren. In jedem Produktionsland gibt es Tarifverträge. Aber wir tun etwas dafür, um die Arbeitsbedingungen kontinuierlich zu verbessern. Wir haben einen Verhaltenskodex aufgestellt, nach dem wir unsere Lieferanten auswählen und diese auch regelmäßig kontrollieren. Im vergangenen Jahr haben wir rund 2600 solche Kontrollen durchgeführt.

An der Entstehung von Kleidungsstücken sind viele Subunternehmer beteiligt. Wie stellen Sie dort die Produktionsbedingungen sicher?

Krogmann: Wir sind uns der Verantwortung über die Gesamtheit der Lieferkette bewusst. Viele unserer Lieferanten decken die gesamte Wertschöpfung vom Weben der Stoffe über das Färben bis zum Nähen ab. Wir beschäftigen übrigens einen eigenen Ingenieur, der die Gebäudesicherheit unserer Lieferanten überprüft. Außerdem erlauben wir es unseren Zulieferern nicht, Aufträge an nicht genehmigte Subunternehmer zu geben.

Warum geht Primark als Branchengröße nicht mit gutem Beispiel voran und zahlt den Näherinnen einfach etwas mehr?

Krogmann: Höhere Preise hier bedeutet nicht höhere Löhne dort. Die Näherinnen werden von den lokalen Fabriken bezahlt. Wir haben aber einen hohen Standard. Jeder unserer Lieferanten muss sich diesem Standard unterwerfen, etwa bezüglich Arbeitszeiten, Pausen und fairen Löhnen. Allein das schon führt zu Veränderungen. Zum Beispiel in Bangladesch: Eine Arbeiterin bei unseren Lieferanten kann mit dem Lohn ihre Kinder zur Schule schicken. Damit entwickelt sich über die Zeit ein Bildungsstandard, der die Gesellschaft langfristig nach vorne bringt. Uns ist aber auch klar, dass wir einen langen Weg vor uns haben.

Viele Menschen sind trotzdem skeptisch. In Bonn haben sich die Primark-Gegner mit einer Petition gegen die geplante Filiale in Stellung gebracht.

Krogmann: Bonn ist eine besondere Stadt, und der Bahnhofsvorplatz hat eine lange Geschichte. Dass schon mehrere Jahre vor der geplanten Eröffnung sich einige Menschen Gedanken machen, ist ungewöhnlich. Deshalb wollen wir hier auch aus erster Hand informieren.

Wieso kommen Sie nach Bonn?

Krogmann: Bonn passt zu hundert Prozent in unser Profil. Es hat über 300 000 Einwohner, darunter viele junge Menschen. Bonn ist international und scheint eine gesunde Handelsstadt zu sein. Hier gibt es wenige Leerstände. Das passt alles wunderbar zu uns.

Primark wurde auch wegen seiner Arbeitsbedingungen in Deutschland kritisiert. Was erwartet die Bonner?

Krogmann: Wir wollen in Bonn rund 300 Arbeitsplätze schaffen, darunter jeden dritten in Vollzeit. Weitere 50 bis 60 Prozent der Stellen sind Teilzeitarbeitsplätze zwischen 20 und 25 Stunden. Dazu kommen Minijobber speziell für die Samstage, wo in den Läden viel zu tun ist. Bezahlt wird nach Tarifvertrag. Viele Leute holen wir aus der Arbeitslosigkeit zurück.

2016 gilt als Krisenjahr der deutschen Bekleidungsbranche mit mehreren Pleiten, darunter Namen wie Sinn Leffers. Wieso will Primark hier expandieren?

Krogmann: In so einer Branchensituation muss man einfach hart arbeiten und die Mitarbeiter mitnehmen, wenn es um neue Ideen geht. So haben wir zum Beispiel unsere „Showroom“-Umkleiden entwickelt, wo junge Kundinnen gemeinsam Mode anprobieren und besprechen können. Allgemein unterscheidet sich Deutschland für uns kaum von anderen Märkten. Durch das Internet ist die Mode international geworden.

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