Konzernchef im Porträt Eurowings-Chef soll für schnelles Wachstum sorgen

Köln · Thorsten Dirks hat früher günstige Handyverträge verkauft. Nun soll er aus Eurowings eine schnell wachsende Fluglinie formen.

Am 23. Juli 2013 schien die Karriere von Thorsten Dirks fast schon zu Ende zu sein. Der spanische Konzern Telefónica kündigte an, die von Dirks geleitete E-Plus-Gruppe übernehmen und mit der deutschen Tochter verschmelzen zu wollen. Es schien, als ginge es für Dirks 17 Jahre nach dem Start bei E-Plus nur noch um die Höhe der Abfindung.

Viereinhalb Jahre danach ist der 54-Jährige einer der großen Gewinner im deutschen Wirtschaftsmonopoly. Es begann damit, dass er Chef von Telefónica Deutschland wurde. Die Führung aus Madrid setzte wegen seines Marketinggefühls und seines bedächtigen Auftretens auf Dirks und schickte den eigenen Mann René Schuster in die Wüste. Ende 2016 warb dann der Luftfahrtriese Lufthansa Dirks ab und machte ihn ab dem 2. Mai zum Chef des Billigablegers Eurowings mit Zentrale in Köln.

Und am 15. August bot sich die nächste große Chance in seiner Karriere: völlig unerwartet meldete Air Berlin als Hauptwettbewerber Insolvenz an – jetzt heuert Eurowings 3000 neue Mitarbeiter an und baut die Flotte um 70 bisher von Air Berlin geflogene Flugzeuge aus. „Manchmal muss man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein“. sagt Dirks. Eurowings auszubauen sei so attraktiv wie anspruchsvoll, „denn wir wachsen zurzeit schneller als jede andere Fluggesellschaft in Europa.“

Dennoch hat der Sohn eines Schlossers und einer Karstadt-Verkäuferin Mitleid mit den ehemaligen Air-Berlin-Angestellten: „Air Berlin wurde seit Jahren mit Milliarden-Subventionen nur noch künstlich am Leben gehalten. Dennoch habe ich volles Verständnis dafür, wenn Air-Berlin-Mitarbeiter noch immer schockiert sind vom Untergang ihrer Airline.“ Umso mehr sei er froh, dass man vielen von ihnen eine gute Zukunft anbieten könne.

Das Ende von Air Berlin und der gleichzeitige Siegeszug von Eurowings führen zu einer neuen Machtkonzentration im deutschen Flugverkehr. Eurowings wird künftig etwa 10 000 Beschäftigte haben – da kommt keine Condor und keine Tuifly mit. Aus der Flotte mit knapp 160 Jets werden rund 230 Jets, nur Ryanair und Easyjet sind als Billigflieger in Europa größer. Und allein in Düsseldorf wird Eurowings dank des Untergangs von Air Berlin künftig etwa jeden zweiten Flug steuern. Dirks lebt seit 20 Jahren bei Köln. Er ist in Hamburg geboren, wuchs in Düsseldorf auf. Danach wurde er Berufsoffizier und studierte parallel Elektrotechnik an der Bundeswehrhochschule in Hamburg.

So selbstbewusst Dirks auftritt, so bescheiden gibt er sich gleichzeitig. Beim Treffen trägt er Jeans und ein legeres Jackett, aber keinen Schlips. Und als er den neuen Job im Lufthansa-Konzern startete, widmete er erst einmal seine Büros in Köln (als Eurowings-Chef) und Frankfurt (als Lufthansa-Vorstand) zu offenen Büros um. Auch bei E-Plus teilte er sich den Tisch mit anderen. Und als er seine Antrittsrede vor rund 800 Eurowings-Kollegen in Köln hielt, schlug er vor, sich zu duzen: „Wir sind ein junges, internationales Unternehmen im Auf- und Ausbau, unser Altersdurchschnitt liegt kaum über 30 Jahre. Das sollte man auch im Umgang merken.“ Der Vorschlag wurde per Abstimmung mit großer Mehrheit angenommen.

Der lockere Umgang zeichnete ihn auch schon als Mobilfunk-Manager aus – und auch sonst gibt es Parallelen: Als Telefónica-Deutschland-Chef integrierte er ohne viel Streit geschickt E-Plus. Jetzt muss er eine Reihe an übernommenen Flugbetrieben wie Brussels Airlines oder den Air-Berlin-Ableger LG Walter in den Eurowings-Verbund integrieren.

Als Manager in der vom Staat stark beeinflussten Telekom-Branche musste Dirks sich stark um gute politische Kontakte kümmern – dies gelang ihm ohne große Wichtigtuerei: So nickte die EU-Kommission die Fusion von E-Plus und Telefónica Deutschland ab, obwohl es damit nur noch drei Wettbewerber im deutschen Mobilfunkmarkt gab. „Das hat Dirks ganz klug gemacht und auch die Auflagen in Grenzen gehalten“, heißt es dazu in der Branche. Quasi als Belohnung wurde er Präsident des Brachenverbandes Bitkom und eröffnete in dieser Funktion mehrfach mit der Bundeskanzlerin die Computermesse Cebit – Kontakte, die ihm als Eurowings-Chef helfen, denn auch in der Luftfahrt spricht die Politik häufig mit.

Die Herausforderungen durch die Digitalisierung dürften Dirks in den kommenden Jahren gleichzeitig ähnlich stark begleiten wie als Mobilfunk-Manager. „Die digitale Ära verändert alle Bereiche des Lebens, auch das Fliegen. 2018 werden wir zeigen, dass Eurowing nicht nur beim Wachstum Akzente setzt, sondern auch beim Digitalisieren und Vereinfachen von Kundenservices.“

Bei E-Plus gelang ihm das Meisterstück, für das austauschbare Massenprodukt Mobilfunk eine ganze Kette von attraktiven Vertriebspartnern wie Aldi zu finden. Gleichzeitig etablierte er stark auf den Internet-Vertrieb ausgerichtete Angebote wie Base und überwand mit Simyo die Trennung zwischen festen, aber teuren Zwei-Jahres-Verträgen und billigen, aber nervigen Prepaid-Verträgen: Kunden konnten ihr Konto automatisch aufladen lassen, wenn sie viel telefoniert hatten – sie erhielten praktisch einen dauerhaften Vertrag ohne Zwei-Jahres-Bindung.

Auch bei Eurowings hat Dirks Millionen Euro für eine Welle an Digitalisierungsprojekten freigegeben. Dabei denkt er an eine viel engere Verknüpfung des Online-Ticketverkaufs mit Angeboten von Hotels, Mietwagen oder Event-Veranstaltern. „Dank der Digitalisierung steuern wir nicht nur unsere Flugbetriebe viel effizienter“, sagt Dirks: „Vor allem können wir Millionen unserer Kunden viel besser ansprechen, als wenn wir nur Flüge von A nach B anbieten würden.“ Eurowings werde in fünf Jahren keine klassische Airline mehr sein, betont er, „sondern ein digitales Unternehmen mit angeschlossenen Flugbetrieben“.