Stickoxid-Belastung durch Dieselautos Frontalangriff auf den Diesel

Berlin · Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fordert die Umrüstung von neun Millionen Fahrzeugen. Die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid durch Dieselautos ist laut Umweltbundesamt (UBA) noch höher als bislang angenommen.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fordert die Autoindustrie auf, ihre Dieselmotoren rasch so nachzurüsten, dass die durchschnittlichen Emissionen beim Stickoxid um mindestens die Hälfte gesenkt werden. „Die Automobilindustrie muss endlich ihre Diesel in Ordnung bringen“, sagte Hendricks in Berlin. Laut Umweltbundesamt wären von dieser Nachrüstaktion bei Dieselfahrzeugen neun Millionen Autos betroffen, die schon jetzt auf deutschen Straßen fahren. Konkret geht es um sechs Millionen Dieselfahrzeuge, die die Euro 5-Norm erfüllen, und drei Millionen Diesel mit Euro 6.

Nur so, sagt die SPD-Politikerin, könne die Luftqualität in der Mehrzahl der stark belasteten deutschen Innenstädte bis 2020 auf einen annehmbaren Wert verbessert werden. „Nachbesserungen in geringem Umfang helfen nicht“, betonte Hendricks. Nach ihren Vorstellungen sollen die Kosten für die Nachrüstungen komplett von den Autoherstellern getragen werden. Staatliche Zuschüsse dafür kommen für sie nicht in Frage.

Neben der Branche nahm Hendricks auch ihren für den Verkehr zuständigen Kabinettskollegen Alexander Dobrindt (CSU) ins Visier. „Ich erwarte vom Verkehrsminister, dass er die Hersteller stärker in die Pflicht nimmt. Alle meine Vorschläge zur Verbesserung der Schadstoffwerte von Dieselfahrzeugen sind mit dem Hinweis auf bessere Möglichkeiten abgewehrt worden“, klagte sie. Im Ergebnis sei deswegen „überhaupt nichts für eine Verbesserung der Emissionen im Fahrzeugbestand getan worden“. Die SPD-Politikerin begründete ihren Frontalangriff auf den Diesel nicht nur mit der Untätigkeit des Kabinettskollegen, sondern auch mit neuen Messungen zum Stickoxidaustoß (NOx) von Dieselfahrzeugen, die das Umweltbundesamt in Hendricks Auftrag außer der Reihe vorgenommen hat. In der normalen Untersuchungsroutine wäre die Studie für das „Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr“ erst 2018 erhoben worden. Untersucht wurden 27 Personenwagen der Schadstoffklasse Euro 5 und 25 Wagen mit Schadstoffklasse Euro 6. Dass die Emissionen im realen Straßenverkehr mit dem unter Laborbedingungen gemessenen Schadstoffausstoß wenig zu tun haben, ist seit dem VW-Abgasskandal klar geworden. Das Ergebnis der neuen Messungen ist laut Maria Krautzberger, der Präsidentin des Umweltbundesamtes, noch unerfreulicher als erwartet. Ging man für 2016 bisher von 575 Milligramm Stickstoffdioxid (Nox) je Kilometer aus, liegt die deutsche Dieselflotte nun sogar bei durchschnittlich 767 Milligramm. „Die vorgeschriebenen Grenzwerte werden um ein Vielfaches überschritten, wenn man bei realistischen Außentemperaturen misst“, sagte Hendricks.

Allerdings: Ein Verstoß gegen geltendes Recht ist das nicht, was auch Barbara Hendricks einräumt. Rechtlich vorgeschrieben ist, dass die Grenzwerte bei Abgastests unter sehr spezifischen Bedingungen im Labor eingehalten werden. Dazu gehören Temperaturen um die 20 bis 30 Grad Celsius. Diese gesetzliche Vorgabe hat das Umweltbundesamt bei der neuen Untersuchung beiseite gelassen.

„Das Umweltbundesamt sollte aufhören, den modernen Diesel unter Generalverdacht zu stellen“, mahnte der Verband der Autoindustrie, der in den neuen Messergebnissen keinen Erkenntnisgewinn sieht. „Der Diesel wird gebraucht, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Er verbraucht bis zu 25 Prozent weniger Kraftstoff als ein Benziner, und sein Kohlendioxid-Ausstoß ist 15 Prozent niedriger.“ Da widerspricht auch Barbara Hendricks nicht. Eine Kaufempfehlung gegen den Diesel wolle sie nicht abgeben, sagte sie auf Nachfrage. „Diesel haben auch Vorteile – der wichtigste ist der niedrige Verbrauch und die geringe CO2-Belastung fürs Klima.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Hagen Strauß, Berlin,
zur Einigung zwischen
Der Bahnstreik ist abgewendet
Kommentar zur Einigung zwischen GDL und BahnDer Bahnstreik ist abgewendet
Zum Thema
Aus dem Ressort