400.000 Besucher erwartet Grüne Woche startet: Tierwohl und Digitalisierung im Fokus

Berlin · Essen soll schmecken. Doch viele Verbraucher interessieren auch Tierhaltungs-Bedingungen und wie "Dickmacher" leichter zu erkennen sind. Was "liefern" Politik und Branche beim Branchentreff in Berlin?

 Fahnen der Internationalen Grünen Woche 2019 wehen an der Messe Berlin im Wind. Die Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau läuft vom 18. bis zum 27. Januar.

Fahnen der Internationalen Grünen Woche 2019 wehen an der Messe Berlin im Wind. Die Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau läuft vom 18. bis zum 27. Januar.

Foto: Christoph Soeder

Mehr Tierschutz im Stall, mehr Klarheit über Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten für eine gesündere Ernährung: Zum Start der Grünen Woche in Berlin werden wachsende Erwartungen an die Lebensmittelhersteller laut.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) rief zum Dialog mit den Verbrauchern auf, der nicht reflexartig von der Landwirtschaft abgewehrt werden sollte. Bauern sollten aber auch nicht als "Buhmann der Nation" dargestellt werden. Bei der Messe, die an diesem Freitag für die Besucher öffnet, präsentieren sich bis zum 27. Januar 1750 Aussteller aus 61 Ländern.

Klöckner warb für ein moderneres Bild von Landwirtschaft. "Während selbstfahrende Laster und zunehmende Technik die Menschen begeistern, soll die Bäuerin aber immer noch mit der alten Milchkanne hüpfend über den Hof laufen", sagte sie bei der Eröffnungsfeier am Abend. Eine digitalisierte Landwirtschaft biete auch weltweit das Potenzial, effizienter und ressourcenschonender zu produzieren und mehr Menschen satt zu machen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) trat für offene Grenzen und Handelsbeziehungen ein. Schon der EU-Austritt Großbritanniens habe negative Folgen für viele Firmen.

Beim geplanten staatlichen Tierwohl-Label für Fleisch im Supermarkt beharrt Klöckner auf Standards über den gesetzlichen Vorgaben. Eine von mehreren Handelsketten angekündigte Haltungskennzeichnung gebe in der ersten Stufe nur den Ist-Zustand wieder. "Ich weiß nicht, warum man das belobigen sollte", sagte sie. "Wenn ich an der roten Ampel halte, kriege ich ja auch kein Plakettchen dafür." Zur Ehrlichkeit gehöre, dass bei mehr Kosten für mehr Tierwohl auch die Verbraucher gefordert seien, sagte Klöckner mit Blick auf die Preise.

Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnte, dass mehr Geld bei Bauern ankommen müsse, die in Tierwohl investierten. Die Branche sei zum Mitwirken bereit. Es dürfe aber nicht in die Richtung laufen, dass das Label wegen höherer Einstiegsstandards "in die Nische wandert". Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, mit dem Label würde nur ein Bruchteil der Produkte ausgezeichnet. Der Handel zeige mit seiner Kennzeichnung immerhin auch Produkte aus schlechter Haltung.

Das staatliche Kennzeichen sieht drei Stufen vor und soll ab 2020 für Schweinefleisch starten. Bauern sollen sie freiwillig nutzen können. Kriterien, die dann einzuhalten sind, stehen noch nicht fest. Schon ab 1. April wollen Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe einheitliche Packungsaufdrucke mit der Aufschrift "Haltungsform" für Rinder- und Schweinefleisch sowie Geflügel in die Läden bringen. Die erste von vier Stufen entspricht dem gesetzlichen Standard.

Für den Kampf gegen Übergewicht will die große Koalition bis Jahresmitte Vorschläge für eine klarere Nährwertkennzeichnung bei Fertigprodukten wie Joghurt oder Tiefkühlpizzen vorlegen. "Wir wollen eine einfachere Erkennbarkeit haben", sagte Klöckner. Die lange diskutierte "reine Ampelkennzeichnung" mit rot, gelb und grün für den Gehalt an Zucker, Fett und Salz sei "überwunden". Dabei könnten auf Produkten auch alle drei Farben leuchten. "Dann weiß der Verbraucher gar nicht mehr, wo es hin geht." Das Ministerium lasse derzeit Vor- und Nachteile mehrerer Modelle auch aus anderen Ländern auswerten.

Der Koalitionspartner SPD machte sich für das in Frankreich schon gestartete System namens Nutri-Score stark. Es sei höchste Zeit, dies auch in Deutschland auf möglichst breiter Basis einzuführen, sagte die Ernährungspolitikerin Ursula Schulte. Nutri-Score bezieht auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe oder Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer fünfstufigen Farbskala von dunkelgrün bis rot. Ex-Agrarministerin Renate Künast (Grüne) forderte verbindliche Ampel-Logos. "Ich meine, die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei", sagte sie im Bundestag.

Klöckner mahnte einen Ausbau des schnellen Internets bis in die Dörfer an. Dies müsse nicht nur in den Haushalten, sondern auch auf Äckern und in Wäldern verfügbar sein. Die Digitalisierung ist ein großes Thema der Grünen Woche, zu der rund 400.000 Besucher erwartet werden. Partnerland ist diesmal Finnland.

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