Branche fehlt Nachwuchs Handwerkspräsident warnt: Fachkräftemangel hemmt Wachstum

Berlin · Es sind gute Zeiten für das Handwerk. Der Handwerkspräsident hat dennoch Sorgen, wenn er in die Zukunft blickt.

 Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbandes Deutsches Handwerk.

Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbandes Deutsches Handwerk.

Foto: Sophia Kembowski

Das Handwerk in Deutschland sucht händeringend Fachkräfte. "Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel hemmt unser Wachstum im Handwerk", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerk (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

"Wir haben volle Auftragsbücher. Manche Betriebe können inzwischen aber keine weiteren Aufträge mehr annehmen, weil ihnen schlicht das Personal fehlt, um diese Aufträge abzuarbeiten."

Mehr als 40 Prozent der Handwerksbetriebe suchten Fachkräfte sowie Auszubildende. Zwar habe das Handwerk in diesem Jahr mehr neue Lehrlinge gewinnen können. "Dennoch werden wir 2017 rund 15.000 offene Lehrstellen haben", sagte Wollseifer.

Die hohe Studierneigung bei gleichzeitig weniger Schulabgängern pro Jahrgang habe dazu geführt, dass es mittlerweile einen Wettbewerb um jeden Jugendlichen gebe. "Vor zehn Jahren haben wir noch etwa zwei Drittel der Jugendlichen in die Ausbildung bekommen, ein Drittel ging ins Studium. Das war ein sehr ausgewogenes Verhältnis, um unsere Wirtschaft insgesamt am Laufen zu halten. Diese Balance ist weg, deshalb brauchen wir an dieser Stelle eine Bildungsumkehr."

Wollseifer forderte einen Pakt für Berufsbildung. "Dazu ist auch mehr politische Flankierung notwendig." Ein solcher Pakt müsse in einem künftigen Koalitionsvertrag festgeschrieben werden. "Darin müssen eine zur akademischen Bildung gleichwertige finanzielle Ausstattung der beruflichen Bildung und ihrer Infrastruktur vereinbart werden."

Ein Problem sei auch, dass für viele Betriebe ein Nachfolger fehle. "In den kommenden zehn Jahren müssen voraussichtlich um die 200.000 Betriebe übergeben werden", sagte Wollseifer. "Wenn es da keine Nachfolger gibt, wird ein Betrieb nach dem anderen die Tür schließen, was das Aus für in der Regel vier bis acht Arbeitsplätze bedeutet. Da kommen dann zwar kein Minister und kein Bürgermeister, aber die Arbeitsplätze sind weg. Wenn das tausendfach geschieht, dann sind das in der Summe auch Tausende wegbrechende Arbeitsplätze."

Dabei laufen die Geschäfte in der Branche mit rund einer Million Betrieben in Deutschland gut. "Wir haben derzeit einen sehr guten Konjunkturverlauf, unsere Betriebe sind zufrieden und gehen davon aus, dass sich das im nächsten Jahr fortsetzt", sagte der ZDH-Präsident. Für 2017 erwarte das Handwerk ein Umsatzwachstum von 3,5 Prozent, für das kommende Jahr ein Plus von rund 3 Prozent. Im abgelaufenen Jahr habe das Handwerk etwa 50.000 neue Jobs geschaffen, etwa doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Im Handwerk sind rund 5,5 Millionen Menschen beschäftigt.

Neben dem Fachkräftemangel nannte Wollseifer die demografische Entwicklung und die Digitalisierung als Herausforderungen für das Handwerk. Vor allem im ländlichen Raum brauche das Handwerk Glaserfaseranbindungen. "Ohne einen Anschluss an die digitalen Datenautobahnen gibt es für unsere Betriebe im ländlichen Raum keinen Weg in die Zukunft, werden sie abgehängt. Deshalb brauchen wir schnell bis in jedes kleinste Dorf Glasfaser. Wenn das nicht gelingt, droht eine Verödung ländlicher Regionen."

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