Interview mit Peter Altmaier „Jetzt steht die Gesundheit im Mittelpunkt“

Berlin · Es ist Peter Altmaier ein Anliegen, den Bürgern Dank zu sagen, dass sie in den vergangenen Tagen so viel Disziplin gezeigt haben. Mit dem Wirtschaftsminister sprachen Birgit Marschall und Eva Quadbeck.

 Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Foto: dpa/Britta Pedersen

Herr Altmaier, wie schützen Sie sich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus?

Peter Altmaier: Ich halte Abstand, erledige vieles per Video oder Telefon, kaufe nur alle paar Tage Obst und frische Lebensmittel und verbringe die meiste Zeit im Ministerium oder zu Hause. Seit 14 Tagen kutschiere ich meinen Dienstwagen selbst durch die Straßen von Berlin, auch um meine Mitarbeiter zu schützen. Falls persönliche Besprechungen wirklich unumgänglich sind, halten wir die Zahl der Teilnehmer so gering wie möglich und stellen die Stühle ausreichend weit auseinander.

Es gibt eine Debatte um das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit. Allerdings fehlen die entsprechenden Produkte sogar in Kliniken, Praxen und in der Altenpflege. Muss die Bundesregierung die Produktion von Schutzkleidung steuern?

Altmaier: Die Bundesregierung hilft, wo es geht. Der Krisenstab unter Leitung des Gesundheits- und des Innenministers koordiniert das. Sie beschaffen die Masken national und international. Wir steuern Listen von Unternehmen zu, die uns hierzu ihre Unterstützung angeboten haben.  Ich finde es beeindruckend, dass so viele Unternehmen solidarisch sind und auch immer mehr Unternehmen in dieser Krise ihre Produktion auf Güter umstellen, die jetzt besonders benötigt werden. Das sind zum Beispiel Textilunternehmen, die sich in den nächsten Wochen auf die Herstellung von Masken und anderer Schutzkleidung konzentrieren werden. Das gilt aber auch für Unternehmen aus dem Chemiebereich oder Schnapsbrennereien, die nun Alkohol für Desinfektionsmittel produzieren. Ich hoffe, dass weitere positive Beispiele aus der Wirtschaft folgen. Denn das zeigt, dass die Marktwirtschaft das flexibelste Wirtschaftssystem ist, wenn es um kurzfristige Umstellungen geht.

Wann wird Deutschland den Engpass bei den Schutzmasken aufgelöst haben?

Altmaier: Ich wünsche mir, dass nicht nur unser Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen ausreichend ausgestattet ist, sondern dass geeignete Schutzmasken auch allen Bürgern, die es möchten, bei ihrer Arbeit oder beim Einkaufen zur Verfügung stehen. Dabei dürfen wir uns nicht nur auf Lieferungen aus anderen Ländern verlassen. Deshalb helfen wir bei Produktionsumstellungen unserer heimischen Industrie und nehmen dafür auch Geld in die Hand.

Führende Wirtschaftsvertreter sagen, dass wenn der Shutdown länger andauert als bis Ende April, die Wirtschaft irreparable Schäden davontragen wird. Wie lange kann die Wirtschaft den jetzigen Zustand durchhalten?

Altmaier: Spekulationen über konkrete Daten zum Ende des Shutdowns sind so lange unverantwortlich, wie wir keine ausreichenden Daten zur medizinischen Entwicklung der Pandemie haben. Niemand kann derzeit sagen, wie viele Wochen oder Monate der heutige Zustand andauern muss – er muss zuerst die Wirkung zeigen, die wir uns alle erhoffen. Selbstverständlich gilt, dass bei längerer Dauer auch größere Schäden entstehen. Noch größere Schäden würden aber entstehen, wenn wir die Maßnahmen zu früh lockern und der exponentielle Anstieg der Ansteckungen wieder einsetzt.

Arbeitet die Bundesregierung dennoch an Exit-Strategien für die Wirtschaft?

Altmaier: Solche Strategien zu verfolgen, ist klug – heißt aber nicht, dass man gleichzeitig darüber öffentlich reden sollte. Es hilft niemandem, wenn alle durcheinander reden. Jetzt steht die Gesundheit im Mittelpunkt. Aber klar ist auch: Wenn die Coronakrise überstanden ist, muss es für unsere Wirtschaft ein Fitnessprogramm geben, damit sie ihre Wachstumskräfte wieder entfalten kann. Heute ist es mir wichtig, ein großes Dankeschön an die Menschen in Deutschland zu sagen, denn sie setzen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus überaus ernsthaft und diszipliniert um und retten so Menschenleben. Auf diese Leistung dürfen wir alle stolz sein.

Die Krise verändert ja auch die Struktur der Wirtschaft. Amazon zum Beispiel kann seine Position als Online-Händler weiter ausbauen. Sehen Sie da derzeit ie Notwendigkeit, kartellrechtlich einzugreifen?

Altmaier: Richtig, durch die Krise verändern sich Marktstrukturen. Nach der Krise wird es nicht mehr so sein, wie es vorher war. Das kann aber auch bedeuten, dass es in einigen Bereichen besser wird. Zurzeit tun zum Beispiel viele Unternehmen und öffentliche Stellen enorm viel dafür, bei der Digitalisierung voranzukommen. Der entscheidende Punkt, um langfristig Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, wird aber nicht der Kampf gegen einzelne Unternehmen sein, sondern das Entwickeln eigener wettbewerbsfähiger digitaler Strukturen in Europa.

In der Finanzkrise hat der Staat ein Konjunkturprogramm im Umfang von 50 Milliarden Euro gestartet. Wie viel muss es dieses Mal sein?

Altmaier: Wir stecken jetzt ja schon viel mehr Geld in die Wirtschaft als während der Finanzkrise – allein mit Nachtragshaushalt und Wirtschaftsstabilisierungsfonds stellen wir rund 750 Milliarden zur Verfügung. Mit diesen umfassenden Hilfspaketen wollen wir Unternehmen und ihre Beschäftigten schützen und die wirtschaftliche Substanz unserer Wirtschaft sichern. Notwendige Maßnahmen dürfen nicht am Geld scheitern. Derzeit prüfen wir, welche Wirtschaftszweige am Ende am meisten betroffen sein werden.

Wie läuft die Soforthilfe für kleine Unternehmen an? Wie viele Unternehmen haben sie Stand heute schon beantragt?

Altmaier: Die Mittel haben wir bereitgestellt, jetzt arbeiten alle Länder mit Hochdruck daran, die Anträge zu bearbeiten. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden bereits über das Wochenende über 100.000 Anträge auf staatliche Soforthilfe genehmigt, in Berlin sind 50.000 Anträge eingegangen. Ich gehe davon aus, dass alle 16 Bundesländer ihren ganzen Ehrgeiz daransetzen, dass kleine Unternehmen und Selbstständige das Geld, das sie jetzt so dringend brauchen, um Mieten und Pachten zu bezahlen, möglichst schnell ausgezahlt bekommen. Wir sind parallel auch dabei, die Kreditprogramme der Förderbank KfW noch gängiger zu machen. Mehrere hundert Unternehmen haben bereits neue KfW-Kredite bewilligt bekommen. Aber da gibt es noch ein paar Unebenheiten.

… viele Unternehmen beklagen, dass die KfW-Kredite schon nach fünf Jahren zurückgezahlt werden müssen.

Altmaier: Ja, das ist ein Punkt, der mich sehr umtreibt. Ich werde in meiner Funktion als Verwaltungsratsvorsitzender der KfW vorschlagen, die Laufzeiten für Förderkredite während der Corona-Krise deutlich zu verlängern. Auch besprechen wir weitere Verbesserungen bei den Krediten, gerade für Mittelständler, aktuell mit der EU-Kommission. Gleichzeitig helfen wir unseren Start-ups und jungen Technologieunternehmen mit einem zwei Milliarden-Soforthilfeprogramm. Innovative Firmen sollen weiter unser Land voranbringen können ohne abwandern zu müssen. Auch dieses Programm lag mir sehr am Herzen.

Unternehmen ab elf Mitarbeitern bekommen keine Staatszuschüsse, aber auch keine KfW-Kredite. Wie wollen Sie denen helfen?

Altmaier: Wir haben einen stabilen Schutzschirm für alle Unternehmensgrößen und Branchen etabliert. Wo Not herrscht und sich kleinere Lücken ergeben, werden wir schnell nachjustieren. Zudem gibt es eine Reihe von Bundesländern, die Soforthilfen auch für Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Das ist eine gute Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern.

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