Für gesündere Ernährung Klöckner will Zuckerkonsum von Kindern reduzieren

Berlin · Die Industrie will auf gezielte Werbung für Kinder verzichten. Darauf will sich Bundesernährungsministerin Julia Klöckner nicht verlassen und will ein Zuckerverbot für einzelne Lebensmittel.

 Zu viel Zucker: Viele Deutsche sind übergewichtig.

Zu viel Zucker: Viele Deutsche sind übergewichtig.

Foto: dpa

Über die trickreiche Werbung für Kinderlebensmittel hat der Hamburger Forscher Tobias Effertz schon häufig geredet. Schon die Jüngsten werden mit gezielter Ansprache in den Massenmedien oder den sozialen Netzwerken auf bestimmte Markenvorlieben getrimmt, etwa mit kleinen Spielchen rund um einen Schokoriegel. Dabei haben viele Hersteller europaweit zugesagt, diese Praxis einzustellen. Passiert ist wenig. Weiterhin richten sich Effertz zufolge jährlich zwischen 12 000 und 19 000 Werbespots an diese Zielgruppe. „Freiwillige Selbstverpflichtung funktioniert nicht“, sagt der Wissenschaftler. Seine neueste Studie zum Kindermarketing belegt, dass die Unternehmen immer stärker auch in den Schulen mit ihren Werbemaßnahmen Fuß fassen. „44 Prozent der Schulen nutzen Sponsoring durch Unternehmen“, erläutert er, jedes siebente davon kommt aus der Lebensmittelbranche. Effertz plädiert für ein gesetzliches Verbot für Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel.

Davon will Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) noch nichts wissen. Sie will stattdessen gemeinsam mit der Branche auf freiwilliger Basis für gesündere Produkte sorgen. Eine Ausnahme gibt es. „Ich will zugesetzten Zucker für Kinder- und Säuglingstees verbieten“, kündigte die Politikerin auf dem von der Krankenkasse AOK zum zweiten Mal veranstalteten „Zuckerreduktionsgipfel“. Bis Ende nächsten Jahres soll das Gesetz verabschiedet werden. Darüber hinaus setzt sie auf die Kooperationsbereitschaft von Industrie und Handel, um Zucker, Salz und Fette in Fertiggerichten zu reduzieren. Bis Ende Dezember will sie das Konzept erarbeiten und vom Bundeskabinett beschließen lassen.

Mehr verarbeitete Produkte

Das Problem ist seit Jahren bekannt. Die Deutschen essen immer mehr verarbeitete Produkte, die reich an Fetten, Salz und – oft verdeckt – Zucker sind. Allein 70 Bezeichnungen finden sich für die verschiedenen Zuckerarten auf den Verpackungen, auch in Speisen wie Yoghurt, wo kein Verbraucher Süßes drin vermutet. Die Folge: 42 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15 Prozent der Kinder sind Klöckner zufolge übergewichtig. Diabetes hat sich durch den zu hohen Zuckerkonsum weltweit zu einer Volkskrankheit entwickelt, wie der amerikanische Forscher Robert Lustig vorträgt. Zwischen 2000 und 2014 stieg die Zahl der Erkrankten von 151 Millionen auf 422 Millionen an. Nach Lustig Angaben vor allem durch einen zu hohen Zuckerkonsum.

Industrie und Handel wollen die Zutaten für ihre Produkte nun allmählich verändern. Ob dies auf freiwilliger Basis tatsächlich gelingt, zweifelt auch AOK-Chef Martin Litsch. Die Vereinbarung mit der Politik müsse messbare Wirkung zeigen, fordert er, sonst sei der Gesetzgeber gefordert. Litsch kritisiert, dass vier von fünf Fertiggerichten zugesetzten Zucker enthalten. Nur ein kleiner Teil der Kunden könne dies einer Studie des Max-Planck-Instituts zufolge auch erkennen.

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