Zeitarbeit und Lohnerhöhungen Neue Forderungen der GDL haben Konfliktpotential

Berlin · Der nächste Konflikt droht: Die Lokführer-Gewerkschaft GDL will der Bahn die Lokführer abwerben und sie dann verleihen. Zudem fordert sie 555 Euro mehr Gehalt pro Monat. Was dahinter steckt.

Ein Lokführer steigt am Kölner Hauptbahnhof in einen Triebwagen.

Ein Lokführer steigt am Kölner Hauptbahnhof in einen Triebwagen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Bei der Bahn zeichnet sich der nächste harte Tarifkonflikt ab. Denn nun hat auch die Lokführergewerkschaft GDL ihre Forderungen für die im Herbst anstehende Tarifrunde beschlossen. Und sie will weit mehr als ihre Konkurrenz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die gerade in der entscheidenden Phase ihrer Verhandlungen mit der Deutsche, Bahn (DB) steckt. Die GDL verlangt zum Beispiel 555 Euro monatlich mehr für ihre Mitglieder. Die Zulagen für Schichtarbeit sollen um 25 Prozent steigen.

Außerdem will sie eine Senkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden durchsetzen. Des Weiteren umfasst der Katalog eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro. „Es bedarf schnellstmöglich einer deutlichen Verbesserung der materiellen und immateriellen Arbeits- und Lebensbedingungen der Eisenbahner“, verteidigt GDL-Chef Claus Weselsky die Forderungen. Sonst könne der Bedarf an Fachkräften kaum gedeckt werden. Auf 100 offene Lokführerstellen kommen laut GDL derzeit nur 54 qualifizierte Bewerber. Und in den folgenden Jahren würde die Hälfte des Personals altersbedingt ausscheiden. Da die Tarifverhandlungen erst im Herbst anstehen, ist ein Arbeitskampf deshalb erst einmal nicht zu befürchten.

GDL will Lokführer abwerben

Brisant ist eine zweite Nachricht, die Weselsky im Gepäck hat. „Wir sagen diesem DB-Konzern den Kampf an“, kündigte er an. Dafür haben Gewerkschafter die Genossenschaft „Fair Train“ gegründet. Sie will möglichst viele der rund 22.000 Lokführer bei der DB abwerben. Sie sollen dann als Zeitarbeiter an verschiedene Bahnunternehmen verliehen werden. Der Gewinn aus dem Dienst soll den Beschäftigten zugutekommen. Das könnte sich für die Deutsche Bahn angesichts des gravierenden Mangels an Zugführern schnell zu einem ernsten Problem entwickeln. Die Genossenschaft will später auch selbst junge Leute ausbilden. Allerdings ließ die GDL noch wichtige Fragen offen. Dazu gehört etwa die Bezahlung. Sie werde auf jeden Fall oberhalb des Branchentarifs liegen, versichert der GDL-Chef.

Andere Gewerkschaften sind für den Chef der Lokführergewerkschaft kein Maßstab. „Wir machen Tarifverträge für ein spezielles Klientel“, sagt er. Dazu gehören vor allem Lokführer und zum Teil auch das Bordpersonal. Dagegen strebt die EVG Abschlüsse für eine große Zahl von Bahnbeschäftigten an. Diesmal will sie zum Beispiel besonders hohe Lohnsteigerungen für die untersten Lohngruppen herausholen. Das steckt hinter der Forderung von 650 Euro Mindestbetrag, um die die EVG mit der Deutschen Bahn ringt. Warum die Verhandlungen so zäh laufen, ist für Weselsky keine Frage. „Sie tun sich etwas schwer, vor der GDL abzuschließen“, glaubt er und wirft Arbeitgebern und EVG Zeitschinderei vor.

Der Streit der beiden Gewerkschaften hat eine lange Geschichte. Bis 2002 bildeten die damaligen drei Bahngewerkschaften eine Tarifgemeinschaft. Doch zu unterschiedliche Interessen setzten der Gemeinsamkeit ein Ende. Fortan kooperierten nur die Beamtengewerkschaft und die damalige Transnet, beide schlossen sich zur EVG zusammen. Die GDL verhandelt seither alleine und setzte 2006 nach einem langen Streik auf den ersten eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer durch.

Der Konflikt spitzt sich seit 2020 zu

Der Ton zwischen den Gewerkschaftern ist mitunter ziemlich rau. Der Zwist reichte zuletzt bis in die Betriebe hinein. Zwischen den Mitgliedern soll es vereinzelt auch zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Der Konflikt spitzt sich seit 2020 zu. Grund ist das 2015 eingeführte Tarifeinheitsgesetz (TEG). Es sieht vor, dass in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern zur Geltung kommt. Bis 2020 umging die Bahn diese Vorgabe mit einem Grundlagenvertrag mit den beiden Kontrahenten. Den wollte die GDL nicht mehr verlängern. Stattdessen kündigte sie die Ausweitung ihrer Aktivitäten auf alle direkt mit dem Bahnverkehr befassten Berufsgruppen an.

Im Vergleich zur EVG mit ihren 180.000 Mitgliedern ist die GDL mit geschätzt 38.000 Mitgliedern klein. Entsprechend gering ist auch die Verbreitung ihrer Tarife. Von den 71 Bahnbetrieben, in denen sich beide Gewerkschaften gegenüberstehen, „regiert“ in 55 die EVG, nur 16 wurden der GDL zugesprochen. Mit ihrem offensiv und teils hart geführten Tarifverhandlungen will Weselsky neue Anhänger gewinnen und die Vorherrschaft der EVG nach und nach brechen.

Auch politisch verfolgen die Gewerkschaften unterschiedliche Ziele. Die GDL will den Bahnkonzern zerschlagen, die Infrastruktur vom Betrieb trennen und Auslandsaktivitäten beenden. Die EVG wiederum pocht auf einen integrierten Konzern, der Netz und Betrieb unter einem Dach vereint. Darauf laufen auch die Pläne der Ampelkoalition hinaus. Sie sehen vor, das Schienennetz und die Bahnhöfe in einer neuen Gesellschaft zusammenzuführen. Gewinne daraus sollen ausschließlich wieder in die Infrastruktur gesteckt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Langer Hebel
Kommentar zum Lokführer-Streik Langer Hebel
Die GDL hat den Bogen überspannt
Kommentar zu den Tarifverhandlungen Die GDL hat den Bogen überspannt
Aus dem Ressort
Wo Urlaub noch günstig ist
Buchungen für die Sommerferien Wo Urlaub noch günstig ist