Debatte über deutsche Wirtschaftspolitik Konfrontation beim Minister

Berlin · CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Schaffung neuer Möglichkeiten für die Regierung gefordert, in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Seine Ideen rufen gespaltene Reaktionen hervor.

 Fühlt sich von der Industrie falsch verstanden: Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Fühlt sich von der Industrie falsch verstanden: Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Foto: picture alliance/dpa

Es scheint, als habe dieser CDU-Wirtschaftsminister seltsam einseitige Freunde. Während die Vertreter der Industrie Peter Altmaier für seine Ideen zur Industriepolitik scharf kritisierten, stellen sich die Gewerkschafter voll hinter ihn. Der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, verteidigte den Minister gegen die Angriffe der Bosse: Er könne die Kritik nicht nachvollziehen. Zuvor hatte der Bundesverband Deutscher Industrie (BDI) die Ideen Altmaiers als „fehlgeleitet“ gegeißelt.

Altmaier hatte am Montag zu einer großen Konferenz in sein Ministerium geladen, um über seine Vorschläge zur Industriestrategie zu diskutieren. Es saßen also 51 Männer und eine Frau im Rechteck am Tisch und trugen die Thesen vor, die ihnen ihre jeweiligen Interessengruppen mitgegeben hatten. Die Industrie hielt dabei ihren einmal eingeschlagenen Konfrontationskurs zu Altmaiers Thesen durch. Statt Regierungseingriffen sei mehr Marktwirtschaft gefragt, sagte BDI-Chef Dieter Kempf, der an Altmaiers rechter Seite platziert war. Altmaiers Strategie konzentriere sich zu sehr auf die Schaffung europäischer Großunternehmen. „Die Politik muss die ganze Industrie im Fokus haben und darf den Mittelstand nicht aus den Augen verlieren.“ Kempf ist als BDI-Präsident einer der wichtigsten Lobbyisten für Wirtschaftsinteressen in Deutschland.

Der Minister hatte zum „Kongress zur Nationalen Industriestrategie 2030“ eingeladen, weil ihn die Verbände bereits seit Anfang Februar wegen seiner Ideen heftig angreifen. Der Minister hatte damals ein Thesenpapier zur Industriepolitik vorgelegt. Darin forderte er die Schaffung neuer Möglichkeiten für die Regierung, in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Letztlich geht es ihm darum, China besser Paroli bieten zu können. Er will beispielsweise den Ausverkauf von Schlüsselfirmen nach Fernost verhindern, die Schaffung von europäischen Großunternehmen fördern und Kapital für wachsende Firmen bereitstellen lassen.

Praktisch alle Wirtschaftsverbände lehnten das ab und gingen zum Angriff über. BDI-Chef Kempf warf ihm vor, ausländische Investoren abzuschrecken, wenn der Staat Übernahmen künftig verhindere. Außerdem sei es ineffizient, unter der Regie der Regierung künstlich Großunternehmen zu schaffen. Und die Entscheidung über Investitionen in wachsende Firmen könne der Markt besser; Altmaier solle hier dem Privatsektor vertrauen. Die Steuern seien bereits viel zu hoch, ohne dass der Staat seine Aktivitäten noch vervielfacht.

Kritik der Familienunternehmer

Reinhold von Eben-Worlée vom Verband der Familienunternehmer nannte Altmaier sogar eine „Fehlbesetzung“ und unterstellte ihm einen Schwenk zum Sozialismus. Der Handelsverband BGA warf Altmaier vor, den Dienstleistungssektor zu vernachlässigen und den globalen Warenaustausch durch mehr Protektionismus zu gefährden. „Vor dem Hintergrund einer traditionell zurückhaltenden Wirtschaftspolitik in Deutschland muss ich vor diesen Maßnahmen warnen“, sagte BDA-Präsident Holger Bingmann. „Es gibt keinen Grund für die aktuelle China-Phobie.“

Der Hausherr selbst zeigt sich am Montag erstaunt, wie heftig die Kritik ausfiel. „Wer einen Stein ins Wasser wirft, darf sich zwar nicht wundern, wenn er Wellen schlägt“, sagt er. „Aber dieser Stein hat mehr Wellen geschlagen als erwartet.“ Der CDU-Politiker fühlt sich missverstanden: Er habe nicht die Familienunternehmen benachteiligen wollen, sondern er wolle umgekehrt etwas für den Standort Deutschland tun. Er verteidigte seinen Vorstoß als „ersten Aufschlag, um eine Debatte auszulösen“, aber er versuchte zugleich, die Wogen wieder etwas zu glätten. Die Regierung bewege sich fest auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft.

In dem bundesrepublikanischen Dreiklang aus Industrie, Gewerkschaften und Staat stehen ihm zumindest die Arbeitnehmervertreter zur Seite. IG-Metall-Chef Hofmann klang am Montag fast, als habe Altmaier ihn zu seiner Unterstützung angeheuert. „Marktwirtschaftlicher Dogmatismus“ nütze nichts, während gezielte Eingriffe des Staates der Wirtschaft gewaltig helfen könnten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort