Konjunktur hellt sich leicht auf Wirtschaftsweise erwarten keine neue Finanzkrise

Berlin · Die fünf Wirtschaftsweisen erkennen nach den jüngsten Turbulenzen bei der Silicon Valley Bank in den USA und der Schweizer Credit Suisse noch keine Anzeichen für einen Flächenbrand.

 Die Mitglieder des Sachverständigenrats: (v.l.n.r.) Martin Werding, Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer.

Die Mitglieder des Sachverständigenrats: (v.l.n.r.) Martin Werding, Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die eilige Übernahme der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse durch die UBS, die größte Bank der Eidgenossen, am Sonntag weckte böse Erinnerungen an 2008 und 2009. Auch damals hatte es hektische Wochenend-Aktionen der Regierungen gegeben. Eine globale Finanzkrise hatten die USA und Europa nicht mehr aufhalten können. Im Unterschied zu heute hatte die US-Regierung damals aber einen verhängnisvollen Fehler begangen: Sie ließ die international vernetzte Investmentbank Lehman Brothers pleite gehen. Die Folge war ein Dominoeffekt, von dem sich die Finanzmärkte über Jahre nicht erholten.

Von Lehman hat die Welt gelernt, und die Schweizer Regierung handelte schnell und konsequent. Die Erleichterung war in dieser Woche an den Finanzmärkten zu spüren, Kursstürze blieben bislang aus. Auch die fünf Wirtschaftsweisen, die an diesem Mittwoch ihre aktualisierte Konjunkturprognose vorstellten, gaben vorerst Entwarnung: „Die Unsicherheit an den Finanzmärkten ist zwar durch die Schließung der Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zuletzt gestiegen“, erklärte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). „Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten.“

Deshalb sehe der Rat „im Augenblick keine Gefährdung am Finanzmarkt“, sagte Ratsmitglied Ulrike Malmendier von der US-Eliteuniversität Berkeley. Die Situation heute sei eine „ganz andere“ als 2008. Der Interbanken-Markt und die Versorgung der Unternehmen mit Krediten funktionierten weiter gut.

Konjunktur hat sich seit der letzten Prognose etwas aufgehellt

In ihrer Konjunkturprognose nehmen die Wirtschaftsweisen auch nicht an, dass es zu einer neuen globalen Finanzkrise kommt. Die deutsche Konjunktur habe sich seit der letzten Prognose im November etwas aufgehellt, weil die Energieversorgung gesichert sei und die Großhandelspreise sinken würden. Die Konjunktur erhole sich aber nur langsam. Denn die erhöhte Inflation dämpfe die Konsumausgaben, die Zinssteigerungen die Investitionen.

Der SVR erwartet nun ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von 0,2 Prozent im laufenden Jahr. Im November war er noch von minus 0,2 Prozent ausgegangen. 2024 soll sich das Wachstum auf 1,3 Prozent leicht beschleunigen. Die Inflationsrate bleibe mit 6,6 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023 auf hohem Niveau und soll erst 2024 auf drei Prozent zurückgehen.

Sie gehe nicht davon aus, dass die bisher bekannten Problemfälle bei Banken in den USA und in der Schweiz eine neue Finanzkrise auslösen könnten, sagte Finanzmarkt-Expertin Malmendier. Die Beinahe-Pleiten der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA und der Credit Suisse in der Schweiz hätten völlig unterschiedliche Ursachen, stünden in keinem Zusammenhang und seien eher zufällig in kurzer Reihenfolge aufgetaucht. Der Startup-Finanzierer SVB sei eigentlich gut genug aufgestellt gewesen, doch hätte der massenhafte Abzug von Einlagen durch die SVB-Kunden — ein so genannter „Bank Run“ — die Schieflage ausgelöst. Ohne den US-Milliardär Peter Thiel, der gut vernetzt sei und seinen „Freunden“ den Abzug von Geldern empfohlen habe, wäre das SVB-Problem vermutlich nicht entstanden, sagte sie.

Energiepreise deutlich gesunken

Anders die Situation in der Schweiz: Dort seien die besonderen Probleme der Credit Suisse seit Langem bekannt gewesen, sie hätten ohnehin gelöst werden müssen. Die Fusion mit der UBS „macht wirtschaftlich großen Sinn“, sagte Malmendier. Dennoch müssten die Vorfälle Konsequenzen für die Bankenregulierung haben, forderte der Rat. Der letzte Banken-Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2017 habe auf dem Szenario dauerhafter Niedrigzinsen beruht. Nun sei die Lage eine völlig andere, weil d as Zinsniveau gestiegen sei. Von einem strukturellen Problem vieler Banken, die ihr Geld in Staatsanleihen angelegt haben, die wegen der Zinssteigerungen nun weniger wert sind, wollte Malmendier nicht sprechen. „Rufe nach weniger Regulierung sind jedenfalls nicht das Richtige“, sagte die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer. Die Bankenaufsichten müssten im Gegenteil bei den Banken jetzt eine „zeitnahe Betrachtung“ vornehmen. Dass in Zukunft weitere Banken in Schieflage geraten, wollte der Rat nicht ausschließen.

Die Energiepreise seien in den vergangenen Monaten deutlich gesunken, doch für den kommenden Winter könne man trotzdem keine Entwarnung geben, sagte Energie-Expertin Veronika Grimm. Die Gefahr einer Gasmangellage bestehe im nächsten Winter, weil der Ausfall der russischen Gaslieferungen nicht vollständig durch andere Energiequellen kompensiert werden könne. Für Gas- und Strompreisbremse müsse die Regierung wegen der gesunkenen Preise aber viel weniger ausgeben als ursprünglich erwartet: Die Gaspreisbremse koste den Staat 2023 voraussichtlich nur etwa 15 Milliarden Euro, die Strompreisbremse etwa 13 Milliarden.

Im Wirtschaftsstabilisierungsfonds („Doppel-Wumms“) hatte die Regierung aber 200 Milliarden Euro bereit gestellt. Über die Verwendung des übrig bleibenden Geldes gibt es in der Ampel-Koalition unterschiedliche Auffassungen: Während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf das WSF-Gesetz pocht, wonach das Geld nur zweckgebunden ausgegeben werden darf, drängen Teile von SPD und Grünen darauf, die Gelder auch für andere als energiepolitische Zwecke zu nutzen.

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