Industriegashersteller Linde und Praxair fusionieren

München · Der Industriegashersteller Linde aus München fusioniert im zweiten Anlauf mit US-Wettbewerber Praxair. Von Gewerkschaft und Aktionären gibt es Kritik.

 Der Industriegasehersteller Linde fusioniert mit Praxair. Die US-Kartellbehörde hat eine Genehmigung erteilt – mit hohen Auflagen.

Der Industriegasehersteller Linde fusioniert mit Praxair. Die US-Kartellbehörde hat eine Genehmigung erteilt – mit hohen Auflagen.

Foto: dpa

Zuletzt wollte kein Experte mehr seriös abschätzen, wie die Sache ausgeht. Nun ist aber klar, dass die beiden Industriegasekonzerne Linde aus München und der US-Wettbewerber Praxair ihre Fusion im zweiten Anlauf doch noch auf den letzten Drücker schaffen. Als entscheidende Hürde galt das Votum der US-Wettbewerbsbehörde FTC. Die hat die Milliardenfusion nun unter schmerzhaften Auflagen genehmigt nur zweieinhalb Tage bevor eine aktienrechtliche Frist dafür am Mittwoch um Mitternacht abgelaufen wäre. Linde und Praxair müssen sich nun von mehr als den ursprünglich als Schmerzgrenze vereinbarten 3,7 Milliarden Euro Umsatz trennen, was Einsparziele anspruchsvoller und das deutsche Personal noch skeptischer macht.

Es war vor allem Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, der die Fusion nun gegen den erklärten Willen von IG Metall und Linde-Betriebsräten durchgedrückt hat. Auch einige Linde-Aktionäre haben sich lange gegen den Plan gestemmt, durch die Fusion den weltgrößten Hersteller von Industriegasen zu schaffen. Linde will bis Ende des Monats Fakten schaffen und bisherige Linde-Aktien in Anteilsscheine des neuen Konzerns umtauschen, der nur noch dem Namen nach Linde heißt.

Angst vor Stellenabbau

Gewerkschafter und große Teile der deutschen Belegschaft sehen in der Fusion eigentlich eine Übernahme des deutschen Traditionskonzerns durch Praxair und fürchten um Stellen. Zwar haben Manager des Firmenduos hierzulande Stellen und Standorte bis Ende 2021 garantiert. Für die Zeit danach haben IG Metall und Personal aber ein mulmiges Gefühl. Denn geführt werden soll das fusionierte Unternehmen von den USA aus vom heutigen Praxair-Chef Steve Angel. Auch den Finanzchef und damit die Nummer zwei im Unternehmen soll Praxair stellen. Reitzle ist der Posten des Chefaufsehers vorbehalten.

Dazu kommen Verkäufe von Geschäftsteilen, auf die die FTC gedrängt hat. So muss Praxair das eigene Europa-Geschäft an einen japanischen Interessenten abgeben, Linde seine US-Aktivitäten. Als Käufer dafür stehen der deutsche Gasehersteller Messer und sein Finanzpartner CVC bereit.

Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe erhofft

Gleichzeitig wollen Linde und Praxair durch die Fusion Kosten in Milliardenhöhe einsparen, was mit den von der FTC verhängten und zähneknirschend akzeptierten Auflagen aber nicht leichter wird. Die Fusion ist damit teuer erkauft. Vor allem auch um die Zukunft des Linde-Anlagenbaus fürchten Beschäftigte. Über einen Verkauf dieser Linde-Geschäfte hatte Praxair-Finanzchef Matthew White, der sich diesen Posten auch im fusionierten Konzern gesichert hat, schon einmal sinniert.

Die Geschicke der künftigen Linde Plc steuern keine deutschen Manager mehr sondern das US-Duo Angel und White. Seinen steuerlichen Sitz hat das fusionierte Unternehmen in Dublin, was dem Vernehmen nach auch US-Präsident Donald Trump ein Dorn im Auge war. Die Hauptverwaltung liegt künftig am Praxair-Firmensitz in Danbury und damit in den USA. Deutschland verliert einen Dax-Konzern der ersten Stunde.

Es entseht nun ein Branchenriese mit 28 Milliarden Euro Jahresumsatz, gut doppelt so großem Börsenwert und global 80 000 Beschäftigten, davon etwa ein Zehntel in Deutschland. Er beherrscht ein Viertel des einschlägigen Weltmarkts und überholt damit den bisherigen Weltmarktführer Air Liquide aus Frankreich.

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