EU-Kommissar Neue Grenzwerte zur Luftreinhaltung würden nur strenger

Brüssel/Berlin · Die Debatte über Grenzwerte für Diesel-Abgase in den Städten kochte zuletzt hoch. Auch der Bundesverkehrsminister will die Vorgaben von der EU überprüft sehen - und bekommt eine unverhoffte Reaktion.

 Vella reagierte mit der "Klarstellung" auf die Forderung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, die EU-Grenzwerte in Frage zu stellen.

Vella reagierte mit der "Klarstellung" auf die Forderung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, die EU-Grenzwerte in Frage zu stellen.

Foto: Lukasz Kobus

Im Streit um Diesel-Fahrverbote wegen zu schmutziger Luft bekommen Kritiker der Grenzwerte einen Dämpfer aus Brüssel.

Der zuständige EU-Umweltkommissar Karmenu Vella machte am Freitag deutlich, dass eine bereits im vergangenen Jahr gestartete Überprüfung klären solle, "ob die Werte streng genug sind, um die Ziele unserer Politik zu erreichen". Er schrieb auf Twitter: "Die Grenzwerte, wenn verändert, würden NUR STRENGER".

Zweifel an den Grenzwerten zum Schutz der Gesundheit waren zuletzt lauter geworden. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dringt auf eine Überprüfung. Zur Gewährleistung der Mobilität sei es "dringend erforderlich", dass die Kommission "eine Neubewertung der Grenzwerte prüft", heißt es in einem Brief Scheuers an EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc. Gut 100 Lungenfachärzte hatten den Sinn der Grenzwerte bezweifelt, dafür aber breiten Widerspruch von Fachkollegen bekommen.

Konkret geht es um den seit 2010 geltenden Wert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Als Hauptquelle hierfür gilt der Straßenverkehr, vor allem Diesel-Pkw mit zu hohen Emissionen. Nach neuen Daten des Umweltbundesamt ging die Belastung 2018 in Deutschland insgesamt leicht zurück. In mindestens 35 Städten wurde der Grenzwert aber überschritten. Für 28 der 65 Städte, die 2017 über dem Grenzwert lagen, fehlen noch neue Zahlen.

Scheuer kündigte an, das Thema in den kommenden Tagen mit Bulc zu besprechen und beim nächsten Verkehrsministerrat auf den Tisch zu bringen. Der Grenzwert sei "politisch, ideologisch festgelegt, und er muss auch technisch machbar sein", sagte er am Donnerstagabend im ZDF. "Und jetzt stellen wir fest, dass es im Alltag Probleme gibt."

Ein Sprecher von EU-Kommissar Vella machte deutlich, dass man zu gegebener Zeit auf Scheuers Brief reagieren werde. Er verwies auf eine schon 2017 angestoßene Routine-Überprüfung der EU-Richtlinie zur Luftqualität. Dies habe mit dem Brief nichts zu tun. Es gehe auch nicht explizit um NO2-Grenzwerte, sondern eine allgemeine Prüfung, ob die Richtlinie noch ihren politischen Zweck erfüllt. Ergebnisse würden Ende des Jahres erwartet. Der Sprecher bekräftigte, dass die geltenden Grenzwerte auf soliden wissenschaftlichen Studien und Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation beruhten.

Die Umweltorganisation Greenpeace urteilte: "Scheuers blinder Populismus wird zum Eigentor." Nach dieser "Ohrfeige" solle er endlich anfangen, seriöse Umwelt- und Klimapolitik im Verkehr umzusetzen. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sagte dagegen, er sei entsetzt über diese "unverantwortliche Aussage" Vellas. Zum Glück könne der Kommissar eine solche Entscheidung nicht alleine treffen.

Der Autofahrerclub ADAC hält eine Überprüfung der wissenschaftlichen Basis der Grenzwerte für "sinnvoll und dringlich". ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wenn Bürger von Fahrverboten betroffen sind, müssen sie sich darauf verlassen können, dass die geltenden Grenzwerte wissenschaftlich begründet sind." Nötig seien auch vergleichbare und engmaschigere Messungen. "Wir müssen das Zahlenchaos beenden und eine fundierte Basis für umweltpolitische Entscheidungen schaffen", sagte Becker.

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