Streit um Standort für Batterieforschung NRW-Wirtschaftsminister verärgert über "Störfeuer"

Berlin/Düsseldorf · Die Süd-Länder kritisieren weiterhin Münster als Standort für eine Batteriezellen-Forschungsfabrik. Der NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart spricht von Egoismus.

Es klingt nach der perfekten Verschwörung: Eine CDU-Politikerin aus dem westfälischen Ibbenbüren wird deutsche Forschungsministerin, wenig später werden 500 Millionen Euro für den Aufbau einer Batterie-Forschungsfabrik vergeben. Den Zuschlag bekommt nicht die beste Bewerbung, sondern stattdessen ein Netzwerk aus Aachen, Jülich und Münster – und in Ibbenbüren soll noch dazu eine Recyclingfabrik für Batteriezellen entstehen. Ach ja, zum Wahlkreis eines Staatssekretärs aus dem Haus der Ministerin gehört natürlich Jülich. Und während die Unterlegenen toben, soll Armin Laschet, der CDU-Ministerpräsident des Landes, intern von einem „Geschenk der CDU an NRW“ gesprochen haben. Noch Zweifel?

Es klingt tatsächlich nach der perfekten Verschwörung, was Kritiker verbreiten, seit Forschungsministerin Anja Karliczek bekanntgegeben hat, dass die Forschungsfabrik Batteriezelle in Münster und nicht etwa in Ulm, Augsburg oder Salzgitter entstehen wird. Aber ist die Geschichte auch wahr? Das soll an diesem Mittwoch bei einer Ausschusssitzung im Bundestag geklärt werden. In Anwesenheit der Ministerin. Denn es lässt sich seit der Entscheidung Ende Juni auch eine andere Geschichte erzählen: In der ist Karliczek die aufrechte Kämpferin für einen fairen Wettbewerb, weil in einem vermeintlich neutralen Beratungsgremium plötzlich einige süddeutsche Industrievertreter lukrative Geschäfte witterten und alles daran setzten, dass Ulm den Zuschlag bekommt. In dieser Geschichte ist Münster nicht ein Standort „in der Pampa“, wie ein süddeutscher Vertreter noch heute ätzt, sondern der Ort, an dem mit Martin Winter Deutschlands führender Wissenschaftler auf diesem Gebiet forscht. In dieser Geschichte gibt es eine clevere Bewerbung, in der die Stärken des Landes NRW gebündelt werden, indem zum Beispiel der Aachener Professor Achim Kampker an der Bewerbung mitwirkt. Dieser hat nicht nur den E-Transporter Streetscooter miterfunden, sondern auch eine Forschungsfabik für Batteriezellen im britischen Warwick geplant.

In dieser Geschichte braucht es keine Geschenke für Wahlkreise, macht auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) deutlich: „Es würden doch nicht 75 industrielle Partner auch aus Süddeutschland eine Absichtserklärung zur Kooperation unterschreiben, wenn es bei unserem Antrag darum gegangen wäre, damit regionale Strukturpolitik zu betreiben.“ Es ist schwer, in diesem Forschungskrimi den Überblick zu behalten. Stimmt es zum Beispiel, dass ein Mitglied der Gründungskommission, die Karliczek bei der Auswahl beraten sollte, wegen eines Interessenkonflikts im Vorfeld zurückgetreten ist? Ja, heißt es jetzt im Ministerium. Entgegen der ursprünglichen Planung kam man am 25. Juni bei einer Sitzung unter der Leitung des Wirtschaftsministeriums demnach sogar zu dem Schluss, aufgrund von Befangenheit besser keine Empfehlung für einen konkreten Standort abzugeben. „Dies hätte für einige Vertreter von Unternehmen Interessenkonflikte hervorrufen können“, teilt Karliczeks Ressort auf Anfrage mit. Für wen? Schweigen.

Unbekannt ist bis jetzt auch noch, wer überhaupt in dieser Kommission saß. Die Veröffentlichung der Namen sei aktuell nicht möglich, da dem Ministerium noch nicht alle Einverständniserklärungen zur Veröffentlichung vorliegen würden, heißt es. Klar ist nur: Die Kommission bestand zuletzt neben Mitgliedern aus der Fraunhofer Gesellschaft, dem Forschungsministerium und dem Wirtschaftsministerium aus weiteren acht Industrievertretern. Sie repräsentierten Unternehmen entlang der Batterie-Wertschöpfungskette, darunter Zellhersteller, Anlagenbauer und Autokonzerne – auch Thyssenkrupp saß mit am Tisch.

Der Vertreter des Essener Industriekonzerns soll es auch gewesen sein, der zwei Tage vor dem letzten Treffen ein Schreiben an das Forschungsministerium versandte und als einen nicht abgestimmten Diskussionsbeitrag kennzeichnete. Darin sprachen sich mehrere Industrievertreter aus dem Gremium für den Standort Ulm aus. Die Kommission beendete danach ihre Arbeit ohne Votum – und bezeichnete Augsburg, Münster, Salzgitter und Ulm als potenziell geeignete Standorte. Die Fraunhofer Gesellschaft habe dann, so heißt es aus dem Forschungsministerium, Augsburg ausgeschlossen. Am Ende entschieden sich die Fraunhofer Gesellschaft und das Wirtschafts- und Forschungsministerium für Münster.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hält die Entscheidung für Münster indes für nicht nachvollziehbar. Anders als in Münster sei in Bayern und Baden-Württemberg industrienahe Batterieforschung möglich, so der CSU-Politiker. Es sind Sätze wie dieser, die Pinkwart wütend machen: „Ich appelliere an alle Verantwortlichen, die Störfeuer einzustellen. Diese aus Egoismus einzelner mit unfairen Mitteln betriebene Debatte um eine Standortentscheidung von nationaler Bedeutung schadet dem deutschen Forschungsstandort insgesamt.“ Man laufe Gefahr, einen bei solchen Verfahren üblichen Auswahlprozess auch für künftige Entscheidungen zu diskreditieren, nur weil sich einige als schlechte Verlierer erweisen.

„Bislang war es so, dass der Süden die Technologieförderung bekommt und der Westen sich mit Strukturförderung abfinden muss“, sagt ein Beteiligter auf NRW-Seite. „Wir haben gezeigt, dass wir es auch können – und das stört einige gewaltig.“

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