Landwirte in Spanien Revolution in Europas Orangengarten

Valencia · Weil Handelsketten Obst in Deutschland zu Dumpingpreisen anbieten, verkaufen spanische Landwirte mittlerweile via Internet direkt an Kunden. Die Bauern haben aber noch mehr Ideen, um ihr Geschäft zu retten.

 Zehn bis 20 Cent pro Kilo Orangen verdienen die Erzeuger noch. Der Handel bietet das Kilo oft für weniger als einen Euro an.

Zehn bis 20 Cent pro Kilo Orangen verdienen die Erzeuger noch. Der Handel bietet das Kilo oft für weniger als einen Euro an.

Foto: picture alliance / dpa

Weihnachtszeit ist Orangenzeit. Die meisten Apfelsinen, die im Winter in nordeuropäischen Supermärkten angeboten werden, kommen aus dem sonnigen Spanien. Doch die iberischen Apfelsinenbauern stecken in der Krise: Die Erzeugerpreise sinken, in vielen großen Handelsketten werden die Früchte zu Dumpingpreisen verschleudert. Immer mehr Landwirte geben auf, weil sich der Anbau nicht mehr lohnt.

Millionen von Zitrusbäumen wachsen auf den Plantagen in Spaniens Orangenregion Valencia. Im Frühjahr weht der süßliche Duft der Orangenblüten durch die Dörfer, deswegen heißt dieser Landstrich auch Orangenblütenküste (Costa del Azahar). Im Winter reifen Apfelsinen und Mandarinen, die übrigens nicht durch die Wärme, sondern durch die nächtliche Kälte ihre orange Farbe bekommen.

Diese Mittelmeerregion ist Europas größter Apfelsinengarten. Bei 3000 Sonnenstunden im Jahr und milden Wintern herrschen ideale Anbaubedingungen. Weit über drei Millionen Tonnen an Früchten werden pro Jahr geerntet. Der größte Teil wird exportiert – Deutschland ist der wichtigste Kunde in Europa.

Lange Zeit lebten die spanischen Orangenbauern gut von ihren saftigen Früchten. Immer mehr Felder wurden mit den immergrünen Bäumen bepflanzt, um die Nachfrage der Nordeuropäer zu befriedigen, für welche Apfelsinen und Mandarinen oftmals genauso zu Weihnachten gehören wie der Tannenbaum. Zwei Drittel des Ackerlandes in Valencia sind Orangen- und Mandarinengärten.

Doch die goldenen Zeiten sind vorbei. Überproduktion und Konkurrenz aus Griechenland, Marokko oder Südafrika sorgten dafür, dass die Preise verfielen und es auf vielen spanischen Plantagen kriselt. Auch die meisten Supermarkt-Orangensäfte werden nicht mehr aus spanischen, sondern aus brasilianischen Apfelsinen hergestellt.

Das hat Folgen: Weil es unrentabel ist, werden immer mehr Orangenbäume rund um Valencia nicht mehr abgeerntet, viele Bauern geben ihre Plantagen auf, die Früchte fallen zu Boden und verfaulen. Seit 2005 schrumpfte die Anbaufläche um annähernd ein Fünftel.

„Wir können die Ernte nicht für weniger Geld verkaufen, als wir für die Produktion bezahlen“, sagt ein Sprecher des Bauernverbandes AVA. „Die Erzeuger bekommen heute für ihre Apfelsinen kaum mehr Geld als vor 20 Jahren.“ Zehn bis 20 Cent bringe das Kilo Orangen nur noch für den Erzeuger. Im Supermarkt werden sie oft schon für weniger als einen Euro pro Kilo verschleudert.

Elena Cebrían, Landwirtschaftsministerin der Region Valencia, zeigt sich trotzdem optimistisch: Sie sieht keine Krise in der Branche, sondern eine Transformation. „Wir müssen die Herausforderungen als Chance sehen.“ Etwa um sich an neue Wünsche der Verbraucher anzupassen. Zu diesen Wünschen gehören neue exotische Früchte wie etwa Kakis, deren Nachfrage in den Supermärkten steil ansteigt.

Entsprechend reißen immer mehr Fincabesitzer an Spaniens Ostküste ihre Apfelsinenbäume aus dem Boden und pflanzen Kaki-Gewächse. Eine „Kaki-Revolution“ überrolle die Region, staunte Spaniens größte Zeitung El País. Diese ebenfalls vitaminreichen Früchte bringen den Produzenten deutlich mehr Geld als Apfelsinen: Für ein Kilo Kakis können die Bauern 40-50 Cent erwarten.

Etliche Landwirte entdecken andere Auswege aus der Krise: Sie verkaufen via Internet direkt an Europas Verbraucher, bei denen die Orangen binnen weniger Tage per Frachtgut ankommen. So werden Großhändler und Handelsketten ausgeschaltet. Und die Ware, die noch mit grünen Blättern ausgeliefert wird, ist frisch. „Direkt vom Baum bis zur Tür des Kunden“, werben moderne Plantagenbesitzer wie Vicente Cardona, dessen Familie sich im Ort Oliva seit Generationen dem Anbau widmet.

Eine junge Bio-Kooperative in der valencianischen Kleinstadt Bétera geht einen Schritt weiter: Dort können Kunden ihren eigenen Orangenbaum pflanzen und später die Früchte selbst ernten. Online oder per Smartphone kann man den Wuchs seines grünen Schützlings verfolgen. „Wir sind die Bauern des 21. Jahrhunderts“, werben die Brüder Gonzalo und Gabriel Úrculo für ihre originelle Vertriebsidee. Rund 2000 Kunden, viele aus dem deutschsprachigen Ausland, erwarben so bereits auf der Finca El Carmen ihre persönliche kleine Apfelsinenproduktion. Jeder von einem Privatabnehmer adoptierte Baum bekommt sogar ein hölzernes Namensschild. Sodass nun, vor den Toren Valencias, ein internationaler Obstgarten sprießt, in dem Bio-Orangenbäume namens Marga, Lena oder Gerd in den meist strahlend blauen Himmel wachsen.

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