Nach Insolvenz Schlecker-Prozess: Verteidiger warnt vor Vorverurteilung

Stuttgart · Es dürfte eine späte Genugtuung sein für die Tausenden Schlecker-Mitarbeiter, die ihren Job verloren haben: Seit Montag sitzt der Gründer der Drogeriemarktkette auf der Anklagebank. Doch bis zu einem Urteil dürfte es noch dauern.

Zum Auftakt des mit Spannung erwarteten Prozesses gegen Anton Schlecker hat der Anwalt des Drogeriemarktgründers vor einer Vorverurteilung seines Mandanten gewarnt.

"Wir sollten uns davon frei machen, was da im Umfeld getrieben wird", sagte Verteidiger Norbert Scharf vor dem Stuttgarter Landgericht. Schlecker selbst schwieg mit versteinerter Miene. Der 72-Jährige steht wegen vorsätzlichen Bankrotts vor Gericht. Er ließ die Vorwürfe zurückweisen. Der Prozessauftakt wurde von einem großen Medieninteresse begleitet.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall klar: Schlecker habe vorsätzlich Bestandteile seines Vermögens, das den Gläubigern zugestanden hätte, vor der Insolvenz im Jahr 2012 beiseite geschafft, so der Hauptvorwurf. Laut Anklage soll es sich um mehr als 20 Millionen Euro in vielen Einzelbeträgen handeln.

Dabei geht es unter anderem um eine Wohnungsrenovierung seines Sohns Lars Schlecker für etwa 1 Million Euro, eine Reise der Kinder für knapp 60 000 Euro sowie Geldgeschenke an vier Enkel in Höhe von insgesamt 800 000 Euro.

Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem 72-Jährigen vor, den Zustand des Unternehmens im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht zu haben. Mit auf der Anklagebank sitzen seine Frau Christa und seine beiden Kinder, Meike und Lars. Bei ihnen geht es um Beihilfe zum Bankrott.

Schleckers Sohn und Tochter sind als ehemalige Gesellschafter der Logistikgesellschaft LDG auch wegen Insolvenzverschleppung und Untreue angeklagt. Sie sollen trotz der drohenden Insolvenz des allein vom Schlecker-Konzern abhängigen Logistikers nicht reagiert haben. Darüber hinaus stehen zwei Wirtschaftsprüfer vor Gericht, die die Bilanzen von Schlecker abgenickt hatten.

Dreh- und Angelpunkt ist, dass Schlecker sein Unternehmen nicht als GmbH, sondern als eingetragener Kaufmann geführt hatte. Aus diesem Grund haftet er mit seinem persönlichen Vermögen. Auch der Zeitpunkt, ab wann die Pleite absehbar gewesen wäre, spielt eine Rolle: Die Staatsanwaltschaft sieht das Unternehmen rückblickend seit dem Jahr 2000 in der Krise, spätestens Ende 2009 habe die Zahlungsunfähigkeit gedroht.

Schlecker-Verteidiger Scharf entgegnete, dass sein Mandant nicht vom Ende seiner Firma ausgegangen sei. "Die Insolvenz seines Unternehmens war für ihn schlicht unvollstellbar", sagte er. Scharf kritisierte die Anklage: Jeder dürfe Schenkungen vornehmen und Kosten übernehmen. "Nach der Ratio der Anklage darf ihm nur eines nicht passieren: Später in die Insolvenz gehen."

Scharf monierte außerdem, dass im Vorfeld des Verfahrens Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt waren. "Der Sachverhalt, um den es hier geht, ist komplex und verschließt sich einer einfachen und schnellen Beurteilung", sagte der Münchner Anwalt, der bereits Formel-1-Boss Bernie Ecclestone vertreten hatte.

Der Anwalt von Meike Schlecker wies neben den Anklagevorwürfen auch einen Bericht des "Spiegels" zurück, wonach ihr und ihrem Bruder Steuernachzahlungen in Millionenhöhe drohen. Der Vorgang sei bereits seit dem Jahr 2012 bekannt. Außerdem sei strittig, ob die Forderung berechtigt sei.

Das Gericht hat zunächst 26 Verhandlungstage bis Oktober angesetzt. Da zwei Zeugen aus der Schweiz geladen sind, die sich weigern in Stuttgart auszusagen und im Nachbarland befragt werden müssen, rechnet der Vorsitzende Richter bereits damit, dass diese Termine nicht ausreichen werden. Im Falle einer Verurteilung drohen Anton Schlecker bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Fortgesetzt wird die Verhandlung am kommenden Montag (13. März). Dann könnten sich die Angeklagten auch erstmals zu den Vorwürfen äußern.

Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Mehr als 25 000 Menschen in Deutschland und genau so viele im Ausland verloren ihren Arbeitsplatz.

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