Studie zu Arbeitnehmern Karrieremüde und mit Vorgesetzten unzufrieden

Bonn · Die Arbeitswelt steckt im Umbruch. Eine Studie der Initiative Chefsache ergibt viele Wünsche von Erwerbstätigen nach Veränderungen. Die Möglichkeit zu mehr Homeoffice ist dabei nur ein kleiner Faktor. Chef oder Chefin zu werden, ist für viele kein Ziel.

 Droht die Chefknappheit? Nur wenige Arbeitnehmer wollen in den nächsten Jahren mehr Verantwortung übernehmen.

Droht die Chefknappheit? Nur wenige Arbeitnehmer wollen in den nächsten Jahren mehr Verantwortung übernehmen.

Foto: dpa-tmn/Klaus-Dietmar Gabbert

In der Arbeitswelt zeigen sich derzeit große Widersprüche: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Können und Wollen, Chefs und Mitarbeitenden. Zwei von drei Erwerbstätigen wünschen sich, dass sich beide Lebenspartner gleichberechtigt in den Beruf einbringen können, doch die Realität sieht anders aus: So finden nur 18 Prozent der Beschäftigten, dass Frauen und Männer im Berufsleben tatsächlich die gleichen Chancen haben. Bei Eltern ist der Wert noch niedriger: Nur neun Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer sagen, es herrsche Chancengerechtigkeit für Mütter und Väter in Deutschland. Das hat eine Umfrage der Initiative Chefsache unter 1688 Beschäftigten ergeben. Die Initiative ist ein Netzwerk von Führungskräften aus Unternehmen, Wissenschaft und öffentlichem Sektor.

„Wandel des Karrierebegriffs“

 Neben der mangelnden Gleichberechtigung zeichnet sich eine Karrieremüdigkeit ab: Nur 33 Prozent der Männer und 23 Prozent der Befragten geben an, in den nächsten Jahren mehr Verantwortung übernehmen zu wollen. Allerdings wollen sich 40 Prozent der Beschäftigten beruflich verändern. 79 Prozent der Befragten finden, dass man beruflich erfolgreich sein kann, ohne Führungsverantwortung zu übernehmen. „Wir brauchen einen Wandel des Karrierebegriffs, sonst gehen Deutschland alsbald die Führungskräfte aus“, sagte Julia Sperling-Magro, Partnerin bei McKinsey und Koordinatorin der Initiative Chefsache, bei der Vorstellung des Berichts, in dem sich die Wünsche der Erwerbstätigen nach Veränderung widerspiegeln.

„Auf Augenhöhe mit Vorgesetzten“

Ob Vollzeit oder Präsenzpflicht: Die klassische Art, Karriere zu machen, geht an den Wünschen der heutigen Generation oft vorbei.  65 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland wollen nicht mehr überwiegend im Büro arbeiten, aber 72 Prozent der Führungskräfte sagen, Präsenz am Arbeitsort sei wichtig für die Beförderung. Nur 37 Prozent der Beschäftigten sind mit der Führungskultur in ihrem Unternehmen zufrieden. „Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie wird deutlich: Die Beschäftigten wollen auf Vertrauensbasis und auf Augenhöhe mit ihren Vorgesetzten individuelle und flexible Lösungen finden. Dafür bedarf es einer Weiterentwicklung des Karrieremodells“, sagt Thomas Ogilvie, Personalvorstand bei der Deutsche Post DHL Group.

Unter den Führungskräften stimmen 46 Prozent der Aussage grundsätzlich zu, sie würden gerne anders führen, es sei aber aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich. „Die Ergebnisse der Umfrage belegen eindeutig den Wunsch nach Veränderung und nach neuen Karrieremodellen. Insbesondere den Führungskräften kommt eine große Verantwortung in diesem Transformationsprozess zu, da sie die notwendigen Grundvoraussetzungen schaffen“, betont Colette Rückert-Hennen, Personalvorständin bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Rückert-Hennen war von 2011 bis 2017 Personalvorständin der Solarworld AG in Bonn. „Empathie und soziale Führung sind zwei ganz wesentliche Zukunftskompetenzen für gute Führung. Ich bin überzeugt, dass genau dieses Anforderungsprofil Frauen helfen wird, das Thema Beruf und Familie neu zu denken“, so Rückert-Hennen.

Viele Schritte unter 40 Jahren

Der Wunsch, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln, ist groß. 40 Prozent planen eine berufliche Veränderung, bei angehenden Führungskräften sind es sogar 49 Prozent. Allerdings lassen die Karrierepfade wenig Raum: Mehr als 60 Prozent der Befragten sagen, wenn man beruflich erfolgreich sein möchte, müsse man im Alter von 40 schon die wesentlichen Schritte gemacht haben.

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