Nach gescheiterter Stahlfusion Thyssenkrupp will betriebsbedingte Kündigungen vermeiden

Düsseldorf · Vorstandschef Guido Kerkhoff kündigt den Abbau von 4000 Stellen in NRW an.

Mitarbeiter-Beruhigung und Schelte der EU-Kommission – so lässt sich das Wochenende nach dem überraschend radikalen Strategiewechsel bei Thyssenkrupp zusammenfassen. Der Essener Konzern hatte am Freitagmittag nach einem sich abzeichnenden Verbot der Fusion seiner Stahlsparte mit Tata Steel durch die EU-Kommission gleich auch die geplante Aufspaltung des Konzerns abgesagt. Zudem kündigte Vorstandschef Guido Kerkhoff den Abbau von 6000 Stellen an. Betriebsbedingte Kündigungen schloss sein Personalvorstand Oliver Burkhard dabei explizit nicht aus. Der Bärenanteil der Stellen, 4000 an der Zahl, entfällt auf Deutschland und damit insbesondere auf NRW.

Der Industriekonzern will bei dem geplanten Stellenabbau jedoch möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen. Das sieht eine Grundlagenvereinbarung des Unternehmens mit der IG Metall vor, wie Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard laut dpa mitteilte.

So war es nicht weiter verwunderlich, dass sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bei seinem Auftritt auf der traditionellen Meisterfeier des Düsseldorfer Handwerks auf die seiner Ansicht nach Schuldige, EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, einschoss: „Wenn man sich mal die Details anschaut, warum Thyssenkrupp die Genehmigung der Fusion mit Tata nicht hinbekommen hat, sind das penible Vorschriften dazu, was sie noch hätten abstoßen und verkaufen müssen. Das ist eine nicht mit deutscher sozialer Marktwirtschaft verbundene Haltung bei einer bestimmten Wettbewerbskommissarin.“

Laschet lobt schnelle Gespräche

Laschet lobte dagegen das Zusammenspiel von Konzern und Arbeitnehmervertretern: „In dieser Krisensituation könnte es Massendemonstrationen vor den Werkstoren und Kampfansagen gegen das Unternehmen geben.“ Er sei aber am Samstag in Essen gewesen. Dort hätten Konzernchef Guido Kerkhoff und Arbeitnehmervertreter und Vize-Aufsichtsratschef Markus Grolms beisammengesessen und ihm ihr weiteres Vorgehen erklärt.

„Wo gibt es das auf der Welt?“, fragte Laschet. „Woanders marschieren Gelbwesten auf, um das zu eskalieren. Hier in Deutschland sitzen sie zusammen und erklären dem Ministerpräsidenten ihre Pläne und sagen: ,Das wird auch Arbeitsverlust bedeuten, das wird möglicherweise auch Werksschließungen bedeuten. Wir versuchen es aber sozial hinzubekommen.’“

Tatsächlich hatten sich Management und Arbeitnehmer am Samstag auf eine Grundlagenvereinbarung verständigt, die nach Konzernangaben „die wesentlichen Grundsätze einer zukunftsorientierten Gestaltung des Thyssenkrupp-Konzerns“ regelt und „den Rahmen für eine verantwortungsvolle Umsetzung der neuen Strategie setzt“. Zu Deutsch: Betriebsbedingte Kündigungen sind zwar möglich, werden aber nur im äußersten Notfall angewandt. Über die weitere Ausgestaltung werden beide Seiten bis August miteinander ringen.

Kerkhoffs Pläne sehen zudem vor, die lukrative Aufzugsparte an die Börse zu bringen, um an den Kapitalmärkten frisches Geld für den überschuldeten Konzern einzusammeln. Laschet, der Mitglied im Kuratorium der Krupp-Stiftung ist, pochte darauf, Erlöse eines Börsengangs oder aus möglichen Veräußerungen müssten in die Zukunftsfähigkeit von Thyssenkrupp insgesamt investiert werden, damit der überwiegende Teil der Arbeitsplätze gesichert werden könnten.

Kerkhoff sagte dem „Handelsblatt“: „Wir wollen die Bilanz von Thyssenkrupp stärken, um mehr Spielraum für den Umbau zu bekommen. Das hat absolute Priorität.“ Der Thyssenkrupp-Chef, der erst vor wenigen Monaten die Aufspaltung präsentiert und seitdem vehement beworben hatte, ehe er sie Freitag kassierte, will an der Spitze bleiben: „Ich habe keine Absicht zu gehen.“

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