Vodafone-Chef Ametsreiter im Interview „Unsere Wirtschaft braucht 5G“

Düsseldorf · Der Chef von Vodafone Deutschland will bis zu 25 Millionen Kunden für Gigabit-Anschlüsse ködern. Und sieht sich im Wettbewerb mit der Deutschen Telekom gut aufgestellt. Zu 5G und die Diskussion über Huawei hat Ametsreiter auch etwas zu sagen.

Der Weg zum superschnellen Internet: Ein Arbeiter demonstriert, wie ein Glasfaserkabel von einer Kabeltrommel gezogen wird. Auf den übrigen Trommeln befinden sich Leerrohre.

Der Weg zum superschnellen Internet: Ein Arbeiter demonstriert, wie ein Glasfaserkabel von einer Kabeltrommel gezogen wird. Auf den übrigen Trommeln befinden sich Leerrohre.

Foto: picture alliance/dpa/Marijan Murat

Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland, berichtet von sehr hohem Interesse an extrem schnellen Kabelanschlüssen. Bei der Zukunftstechnik 5G habe sein Unternehmen die Deutsche Telekom beim Geschäft mit Firmenkunden deutlich abgehängt. Das Gespräch führte Reinhard Kowalewsky.

Herr Ametsreiter, mit Ihrem Tarif von 39,99 Euro im Monat für einen extrem schnellen Online-Zugang per Kabel scheinen Sie die Konkurrenz zu nerven. Telekom-Chef Tim Höttges sagte, man müsse sich fragen, ob Vodafone Vertriebsprobleme hat, wenn Sie Ihr bestes Produkt so günstig anbieten?

Hannes Ametsreiter: Keine Sorge, uns geht es exzellent. Hinter uns liegt ein sehr erfolgreiches Jahr. Wir haben den Zusammenschluss mit Unitymedia geschafft und sind der 5G-Pionier in Deutschland. Und das wichtigste: Unsere Produkte kommen bei den Kunden gut an.

Das bedeutet?

Ametsreiter: Im vergangenen Quartal haben wir 153 000 neue Kabelverträge verkauft, drei Mal mehr als die Telekom mit DSL. Wir sehen eine hervorragende Dynamik. Seit Montag können wir unseren Kunden endlich in ganz Deutschland Kabelanschlüsse der Marke Vodafone anbieten. Auch im ehemaligen Unitymedia-Gebiet. Wir bieten jetzt 17 Millionen Haushalten die Chance das Gigabit zu nutzen – also ein viermal so hohes Tempo wie der schnellste DSL-Anschluss.

Was halten die Kunden von Ihrem neuen Tarif?

Ametsreiter: Es gibt eine extrem hohe Nachfrage nach unserem neuen Tarif Giga Cable Max. Deutschland braucht das Gigabit und Deutschland will das Gigabit.

Endet das Angebot wirklich am 5. April?

Ametsreiter: Jeder, der sich bis zum 5. April für den Tarif entscheidet, behält den Preisvorteil auf Dauer – auch über die zwei Jahre Vertragslaufzeit hinaus. Wer später bucht, wird wohl etwas mehr zahlen müssen, aber wir werden unseren Kunden weiter einen attraktiven Preis anbieten.

Kritiker sagen, dass Ihr aggressives Marketing für Online-Anschlüsse per Kabel nur dafür sorgen wird, dass die wahre Zukunftstechnik Glasfaser mit ihrer praktisch unbegrenzten Bandbreite in immer weniger Häuser gelegt wird.

Ametsreiter: Das sehe ich anders: Bis heute haben in Deutschland viel zu wenige Haushalte einen Glasfaseranschluss. Da hat bislang etwas nicht richtig funktioniert. Wir bringen das Gigabit jetzt mit unserem Kabel-Glasfaser-Netz bis 2022 zu 25 Millionen Haushalten, also für rund zwei Drittel der Bevölkerung. Und unser Kabel-Glasfaser-Netz kann noch mehr: Mittelfristig wollen wir auf bis zu zehn Gigabit aufzurüsten. Das stimuliert den Wettbewerb. Die Wettbewerber werden mehr investieren, um gegenzuhalten. Deutschland tut das gut.

Erstaunlicherweise wird nur über rund acht Millionen der 25 Millionen Kabelanschlüsse Internet bezogen.

Ametsreiter: Das zeigt das Potenzial, das wir jetzt endlich nutzen können. Vor zehn Jahren nutzte noch kein Kunde die Kabel-Infrastruktur für den Internet-Zugang. Heute sind es acht Millionen, in einigen Jahren werden es deutlich mehr sein.

Die Telekom hat angekündigt, ab 2021 pro Jahr bis zu zwei Millionen Glasfaseranschlüsse zu legen.

Ametsreiter: Das zeigt: Wir bringen den Markt mit unserem Gigabit-Ausbau in Schwung. Das ist ein ambitioniertes Ziel. In Deutschland wird es schwierig, so ein Ausbautempo zu schaffen. Die Deutsche Glasfaser schafft als größter Wettbewerber bislang rund 600 000 Glasfaseranschlüsse. Wir erschließen immer wieder neue Gewerbegebiete oder Kommunen mit Glasfaser, merken aber auch, wie schwierig das zuweilen ist. Die Genehmigungsverfahren in Deutschland brauchen in der Regel viel zu lang, das muss sich verbessern. Im Breitband wie beim Mobilfunk.

Könnte es Ihre Offensive bremsen, dass die Telekom mit Magenta-TV und dessen 3,8 Millionen Kunden ein besonders imagestarkes Angebot für Video-On-Demand, Streaming und TV hat?

Ametsreiter: Keineswegs. Wir haben mit unserem Kabel-Glasfaser-Netz 14 Millionen TV-Kunden, sind damit der größte TV-Anbieter in Deutschland. In Kürze bringen wir unser Produkt Giga-TV und das bisherige Unitymedia Produkt Horizon zusammen. Damit stärken wir unsere Position als sehr breit aufgestellter Anbieter für TV-Content. Kunden können so beispielsweise auch Netflix oder Amazon Prime schauen.

Die Telekom hat zusätzlich exklusive Inhalte.

Ametsreiter: Wie verfolgen eine andere Strategie. Das Angebot bei Giga-TV ist auch ohne exklusive Inhalte sehr umfassend und über zahlreiche Kanäle abrufbar – auf dem TV, mit dem Smartphone oder über ein Tablet.

Kommen wir zum Mobilfunk und der Zukunftstechnik 5G. Sie starteten zwar zuerst mit 5G im Juli 2019, aber jetzt hat die Telekom 450 Antennen und Sie rund 300. Ziehen die Bonner davon?

Ametsreiter: Wir haben 5G zu Beginn bewusst in unterschiedlichste Regionen gebracht, um Erfahrungen zu sammeln. In der Stadt und auf dem Land. Noch wichtiger als ein Antennen-Rennen ist es, den Bedarf der Kunden zu verstehen. Also: Wo und wie wird 5G schon heute gebraucht? Als Festnetz-Ersatz auf dem Land, als Mobilfunk-Turbo an vielfrequentierten Orten oder als Echtzeit-Netz in der Industrie? Wir haben uns hier einen Vorsprung erarbeitet. Bis zum Ende des Jahres bringen wir 5G zu zehn Millionen Bürgern. Es gibt immer mehr Smartphones mit 5G, und unser GigaCube 5G wird von immer mehr Kunden als Ersatz für langsame DSL-Leitungen genutzt. Bedenken Sie: Jedes Jahr steigt das Datenvolumen um mehr als 40 Prozent, alleine dafür brauchen wir 5G.

Wie ist die Lage bei Firmenkunden?

Ametsreiter: In der Industrie kommt die Kraft von 5G zu Beginn noch viel stärker zum Tragen. Unsere Wirtschaft braucht 5G. Und wir können 5G. Wir sind der bevorzugte 5G-Partner der deutschen Industrie und haben zahlreiche Projekte gestartet. Vodafone ist Marktführer bei 5G-Projekten mit der Industrie.

Bitte etwas konkreter.

Ametsreiter: Wir haben mit der e.GO Mobile AG die erste Fabrikhalle in Deutschland mit einem 5G-Netz ausgestattet. Wir bringen 5G mit der DFL in die Bundesliga. Wir kooperieren mit Airbus und wir vernetzen Tankstellen von Total. Ganz aktuell starten wir ein Projekt mit Toyota und Ericsson. Wir testen bei uns im 5G Mobility Lab in Aldenhoven, wie Autos per Mobilfunk miteinander sprechen und Daten austauschen. Das Interesse der Industrie, bei 5G und im Internet der Dinge mit uns zusammenzuarbeiten, ist riesig. Wir sind in Gesprächen mit einer dreistelligen Anzahl von Unternehmen. Wir kooperieren, um Unternehmensstandorte drahtlos und in Echtzeit zu vernetzen. Mit sogenannten Campus-Netzen.

Stimmt es, dass Sie das Funktempo bei 5G erhöhen?

Ametsreiter: Wir konnten 5G mit Frequenzen, die wir bereits 2018 erworben hatten, an den meisten Standorten mit rund 500 Megabit pro Sekunde starten. Jetzt hat uns die Bundesnetzagentur erlaubt, auch die im vergangenen Jahr ersteigerten Lizenzen zu nutzen. Darum wird unser 5G Netz in den nächsten Wochen noch schneller. Je nach Standort in der Spitze mit bis zu einem Gigabit pro Sekunde. Wer das testen will: In Düsseldorf gibt es schon sieben 5G-Standorte.

So schön das klingt, hunderttausenden Kunden wäre wichtiger, dass Sie endlich die Funklöcher auf dem Land schließen.

Ametsreiter: Die Funklöcher bleiben ein Problem. Die Netze in Deutschland sind gut aber noch lange nicht gut genug. Die positive Nachricht: Es geht voran. Wir versorgen 98,6 Prozent der Bevölkerung mit LTE. Und wir kooperieren mit den anderen Telekommunikationskonzernen, um die Netze in Deutschland weiter zu verbessern. Zusammen mit Telekom und Telefonica bauen wir 6000 neue LTE-Standorte, um weiße Flecken zu schließen. Gemeinsam mit der Telekom wollen wir zudem, 4.000 sogenannten grauen Flecken schließen: An 2000 Standorten, an denen wir schwächer vertreten sind, wollen wir die Technik der Telekom nut zen. An 2.000 Standorten, an denen wir stärker sind, kann die Telekom dann unsere Antennen mitnutzen, um ihre Kunden zu versorgen.

Die Giganten Telekom und Vodafone helfen sich gegenseitig und booten so Telefonica mit dem sowieso schwächsten Netz weiter aus?

Ametsreiter: Solche Partnerschaften sind auch mit anderen Wettbewerbern denkbar. Voraussetzung ist natürlich, dass er auch selbst Standorte erschließt oder erschlossen hat, deren Nutzung den anderen Partnern hilft, denn solche Kooperationen funktionieren auf dem Land und als Geschäft auf Gegenseitigkeit. Also: Wenn jeder Kooperationspartner genauso viel einbringt, wie er bekommt.

Bleibt es dabei, dass die politisch umstrittene Huawei aus China beim Bau von 5G teilweise ausgeschlossen bleibt?

Ametsreiter: Wir nehmen das Thema Sicherheit absolut ernst. Ganz egal um welchen Hersteller es sich handel t. In unserem deutschen Kernnetzen, also dort wo die sensiblen Daten liegen, sind kaum mehr Elemente von Huawei enthalten. Hier setzen wir auf Hersteller aus Europa. In der reinen Funktechnik setzen wir im Mobilfunk auf Ericsson und Huawei.

Wie hoch wäre das Risiko, dass die 5G-Netze geknackt werden?

Ametsreiter: 5G-Netze sind noch sicherer als alle anderen Netze bislang. Denn die Verschlüsselung ist noch höher.

Fürchten Sie, dass die Klimadebatte den Ausbau der Telekommunikationsnetze behindern könnte, weil der zunehmende Stromverbrauch für mehr CO2-Ausstoß sorgen könnte?

Ametsreiter: Wir setzen immer stärker auf umweltfreundliche Technologien. Bis 2022 werden wir unser Netz in Deutschland komplett auf grünen Strom umstellen. Außerdem bin ich überzeugt, dass digitale Innovationen – zum Beispiel im Internet der Dinge – unseren Kunden helf en Energie zu sparen. Klar ist: Der Datenverkehr nimmt weltweit zu. Aber 5G wird helfen diesen Datenverkehr so effizient wie möglich abzutragen. Der Umstieg auf 5G spart mehr Strom als der Wechsel auf die Energiesparlampe.

Warum?

Ametsreiter: 5G braucht 80 Prozent weniger Energie, um Daten durchzuleiten als die bisherige Technik. Hinzu kommt: Wenn wir Prozesse in Echtzeit besser steuern können, können wir und unsere Kunden im Alltag viel Energie sparen. Wenn Autos und Ampeln in Echtzeit kommunizieren, vermeidet das Stau. Gewonnene Energie kann gezielter genutzt werden. In Fabriken können wir Stromverschwendungen vorbeugen, weil Maschinen nur dann mit Energie versorgt werden, wenn Sie wirklich im Einsatz sind. Die Energiewende gelingt nur, wenn wir Strom- und Mobilfunknetze miteinander verheiraten.

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