Netzagentur gibt Fall an Staatsanwaltschaft ab Verbraucherschützer klagen gegen Stromio

Düsseldorf · Die Verbraucherzentrale erwartet, dass sich Hunderte in das Klageregister für die Musterfeststellungsklage eintragen. Die Netzagentur gibt den Fall an die Staatsawaltschaft Düsseldorf ab, die prüft wegen des Weiterverkaufs von Restenergiemengen. 41 Versorger stellten allein im vergangenen Jahr die Belieferung ein.

Strom wird landesweit zu einem immer teureren Gut.

Strom wird landesweit zu einem immer teureren Gut.

Foto: dpa/Jens Büttner

Tausende Kunden wurden vor Weihnachten von der plötzlichen Kündigung ihres Strom- und Gasvertrags überrascht. Die Discount-Anbieter Stromio und Gas.de hatten sie über Nacht in die meist teure Grundversorgung entlassen. Das soll nun für Stromio ein Nachspiel haben. Die Netzagentur schaltet die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein: „Die Bundesnetzagentur kann bestätigen, dass wir den Fall im Januar an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben haben. Die Eingabe beinhaltet die Beendigung von Energielieferverträgen und Verkäufe von Restenergiemengen“, sagte ein Sprecher der Bonner Behörde. Der Verdacht steht im Raum, dass Stromio Reststrommengen angesichts der hohen Großhandelspreise lieber an Großkunden verkauft haben könnte, als seine eigenen Kunden damit zu beliefern.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erklärte: „Neben einer Strafanzeige aus dem Kundenbereich liegt der Staatsanwaltschaft eine Eingabe der Bundesnetzagentur mit der Bitte um eine strafrechtliche Bewertung vor. Demnach sollen Restenergiemengen möglicherweise an den Großhandel und nicht an Kunden verkauft worden sein“, so die Staatsanwältin. Diese Eingabe finde nun im Rahmen der Prüfung eines Anfangsverdachts im Zusammenhang mit der Lieferung von Strom und Gas Berücksichtigung.

Stromio und das Schwesterunternehmen Gas.de ließen über ihren Anwalt schon früher erklären: „Unsere Mandanten haben keine Kenntnis von einer Strafanzeige oder etwaigen Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Sollte die Staatsanwaltschaft Vorgänge in Bezug auf unsere Mandanten prüfen, werden unsere Mandanten vollumfänglich mit den Behörden kooperieren.“ Als Erklärung für die Kündungen verweisen sie auf die gestiegenen Preise: „Unsere Mandanten bedauern es ausdrücklich, dass Erdgas- und Stromlieferverträge aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklung am Energiemarkt gekündigt werden mussten.“ Der Gas- und Strompreis für Lieferungen in der Winterzeit habe sich auf den Beschaffungsmärkten in der Spitze um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht.

Auch die Verbraucherzentrale lässt bei Stromio nicht locker. Mit einer Musterfeststellungsklage will sie nun die Rechte der Kunden sichern. „Tausende Stromkunden sind von der plötzlichen Kündigung betroffen. Stromio hat seine vertraglichen Pflichten gebrochen, das war rechtswidrig. Wir wollen in Kürze beim Oberlandesgericht Hamm die Musterfeststellungsklage einreichen“, sagte Kerstin Wolf, Leiterin des Teams Rechtsdurchsetzung bei der Verbraucherzentrale Hessen. Sobald das Gericht das Klageregister eröffne, können sich geschädigte Kunden – auch solche aus NRW – dort kostenfrei eintragen. „Wenn das Gericht uns später recht gibt und die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, haben die Verbraucher eine gute Basis, um mit unserer Hilfe in einem zweiten Schritt den Schadenersatz von Stromio einzuklagen“, so Wolf weiter.

Kunden können auf Erfüllung der Verträge pochen

Für viele gehe es um ein paar Hundert Euro, so viel mehr koste der Grundversorger oft als der Discount-Tarif von Stromio über die Laufzeit des Vertrags. „Wir erwarten, dass sich Hunderte bis 1000 Geschädigte der Musterfeststellungsklage anschließen“, sagt die Verbraucherschützerin und verweist auf diese Webpage.

Alternativ können Kunden gegenüber Stromio (und Gas.de) auf Erfüllung der günstigen Verträge pochen. „Das sollen Verbraucher selbst entscheiden. Wir raten eher zu Schadensersatz statt Wiederbelieferung“, sagt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW. Diese bietet für beide Fälle Musterschreiben auf ihrer Seite www.verbraucherzentrale.nrw an.

Stromio und Gas.de sind kein Einzelfall: „2021 haben 41 Energielieferanten bei der Bundesnetzagentur die Beendigung der Belieferung angezeigt“, sagte der Sprecher der Behörde. Darunter waren sieben Lieferanten für Strom und Gas, 30 nur für Strom, vier nur für Gas. Im Jahr 2022 haben bisher drei Energielieferanten die Beendigung der Belieferung angezeigt. Einen Grund müssen sie nicht nennen. „Die Bundesnetzagentur prüft fortlaufend, ob energierechtliche Verpflichtungen durch Lieferanten eingehalten werden. Bei Verstößen gegen das Energiewirtschaftsgesetz kann die Bundesnetzagentur aufsichtsrechtliche Schritte einleiten“, so die Behörde.

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