Insolvente Fluggesellschaft Verhandlungen über Zukunft von Air Berlin

Berlin/Frankfurt/Main · Kommt es bei Verhandlungen um die Zukunft der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin zu einer schnellen Lösung? Heute starten konkrete Verkaufsgespräche. Die Lufthansa will die Gelegenheit nutzen und ihre Flotte vergrößern.

 Air-Berlin-Maschinen auf einer Abstellfläche des zukünftigen Hauptstadtflughafens Willy Brandt.

Air-Berlin-Maschinen auf einer Abstellfläche des zukünftigen Hauptstadtflughafens Willy Brandt.

Foto: Bernd Settnik/Archiv

Heute sind konkrete Verkaufsverhandlungen für die zweitgrößte deutsche Airline geplant. Der deutsche Marktführer Lufthansa will sich aus der Insolvenzmasse einen großen Teil der Flugzeuge sichern.

Es könne um rund 90 der 144 Maschinen gehen, wurden am Donnerstag entsprechende Informationen der "Süddeutschen Zeitung" in Unternehmenskreisen bestätigt. Weitere Gespräche soll es nach dpa-Informationen mit Easyjet und Tuifly geben. Wie der "Spiegel" unter Berufung auf Aufsichtsratskreise berichtete, soll die Lufthansa insgesamt rund 70 Maschinen von Air Berlin übernehmen.

Lufthansa sieht sich unter Zeitdruck, so dass die weit gediehenen und seit Monaten vorangetriebenen Verhandlungen schon in der kommenden Woche abgeschlossen werden könnten, wie die "Süddeutsche Zeitung" erfuhr. Mit dem Air-Berlin-Vorstand und dem Sachwalter Lucas Flöther solle auch über das Wochenende verhandelt werden.

Air Berlin hatte am Dienstag Insolvenz beantragt, nachdem Großaktionär Etihad der Airline die finanzielle Unterstützung entzogen hatte. Der Flugbetrieb ist durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro noch für etwa drei Monate gesichert.

Lufthansa will neben 38 bereits angemieteten Air-Berlin-Jets die österreichische Touristik-Tochter Niki und weitere Flugzeuge übernehmen. Sie sollen unter dem Dach der Lufthansa-Tochter Eurowings an den Start gehen. In der Zahl seien auch die meisten der 17 Langstrecken-Flugzeuge von Air Berlin enthalten, die ebenfalls an die Eurowings gehen sollen.

Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" (Freitag) will Lufthansa mit den Gewerkschaften über das Anheuern möglichst vieler Mitarbeiter von Air Berlin sprechen. Dies habe Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einer internen Versammlung angekündigt. Demnach sagte Spohr: "Die Air-Berlin-Crews sind Top-Leute, bei denen wir uns freuen können, wenn wir möglichst viele zu uns holen. Deswegen werden wir jetzt auch mit den Gewerkschaften beraten, wie wir eine Lösung hinbekommen." Spohr bestritt demnach die Behauptung, dass wechselnde Mitarbeiter von Lufthansa als Berufsanfänger eingestuft werden sollen.

Der vom Amtsgericht bestellte Generalbevollmächtigte von Air Berlin, Frank Kebekus, zeigte sich zuversichtlich, die Jobs der meisten der 8600 Mitarbeiter retten zu können. "Endgültig sicher ist man erst, wenn die Verträge unterzeichnet sind. Aber wir befinden uns in sehr guten Gesprächen mit potenziellen Käufern", sagte Kebekus dem "Handelsblatt". "Wir brauchen schnell eine gute Lösung. Das haben unsere Verhandlungspartner verstanden und sind dazu auch bereit."

Die Gewerkschaft Verdi fürchtet, dass Interessenten nur die Flugzeuge kaufen wollen und die mehr als 8000 Beschäftigten von Air Berlin sich neu bewerben müssen. "Dann wären Lohnverluste von bis zu 50 Prozent zu befürchten", hatte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle nach einem Gespräch mit Air-Berlin-Personalchefin Martina Niemann gesagt.

Ryanair hat die geplante Übernahme großer Flottenteile durch die Lufthansa kritisiert und sprach von einem "offensichtlichen Komplott" zwischen der deutschen Regierung, Air Berlin und Lufthansa.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz griff Ryanair-Chef Michael O’Leary scharf an. "Es gibt keinen hemmungsloseren Manchester-Kapitalisten in Europa als diesen Mann", sagte Schulz den Sendern Phoenix und Deutschlandfunk. Er habe "kein besonderes Fan-Potenzial" für den Iren, der mit Dumpinglöhnen operiere.

Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl sagte derweil den "Nürnberger Nachrichten", die von ihm geleitete Intro Verwaltungs GmbH habe nach wie vor Interesse an Air Berlin. Die Fluggesellschaft müsse als Ganzes erhalten werden, weil nur auf diese Weise ein Monopol zu Lasten der Passagiere verhindert werden könne.

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte der "Rheinischen Post": "Am Ende wird schon aus kartellrechtlicher Sicht nicht nur eine Airline alleine die Slots und das Unternehmen übernehmen können." Mit dem Übergangskredit sei Air Berlin die nötige Zeit verschafft worden, um gemeinsam mit anderen Airlines eine gute Verhandlungslösung zu finden. "Ziel ist eine Lösung, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Air Berlin eine Perspektive gibt und den Wettbewerb sichert."

Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag), die Bonner Wettbewerbsbehörde sei frühzeitig informiert worden und stehe in Kontakt mit der Europäischen Kommission. "Es bleibt abzuwarten, welche Übernahmepläne tatsächlich konkret werden und zur Anmeldung kommen. Dann wird sich die zuständige Behörde im Einzelnen mit den möglichen wettbewerblichen Auswirkungen befassen."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte im "Sat.1-Frühstücksfernsehen"-Interview mit Blick auf den Kredit: "Wir haben sorgfältig geprüft, dass dieser Kredit dem Steuerzahler nicht verloren geht." Der sogenannte Massekredit werde vorrangig bezahlt.

Die Grünen im Bundestag fordern von der Bundesregierung Informationen zum Umgang mit Air Berlin. In einem auf Freitag datierten Brief an Peter Ramsauer (CSU), den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, bittet die Grünen-Obfrau Katharina Dröge um eine Unterrichtung durch die Bundesregierung "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt, spätestens bis Mitte nächster Woche". Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Offene Fragen gebe es unter anderem zu kartellrechtlichen Bedenken mit Blick auf die Lufthansa, die genaue Ausgestaltung des Kredits von 150 Millionen Euro und die Rolle der Bundesregierung.

Weitere Infos

  • Einer machte Air Berlin groß, mit der schnellen Expansion wuchsen aber auch die Probleme, die schließlich zum Niedergang führten. Die fünf Vorstandschefs und ihre Amtszeiten:

Joachim Hunold (1991-2011): Der Rheinländer stieg 1991 bei Air Berlin ein, vergrößerte die Flotte, etablierte den Mallorca-Shuttle und kaufte andere Gesellschaften (LTU, dba) hinzu. Es war sein Lebenswerk.

Hartmut Mehdorn (2011-2013): Der Ex-Bahnchef war nur für eine Übergangszeit an der Spitze gedacht. Die Neuordnung gelang ihm nicht.

Wolfgang Prock-Schauer (2013-2015): Auch er versuchte sich an der Sanierung. Er verkleinerte die Flotte weiter. Abgang, weil auch ihm die Sanierung nicht glückte.

Stefan Pichler (2015-2017): Mit Elan kam er von Fiji Airways zu Air Berlin. Es gab Anfangserfolge bei Umbau des Unternehmens, doch dann wurden die Verluste immer größer.

Thomas Winkelmann (seit 2017): Er war der letzte Trumpf. Der vorherige Lufthansa-Manager konnte zwar den Insolvenzantrag nicht verhindern. Doch vielleicht führt er einen Teil von Air Berlin in den Konzern seines früheren Arbeitgebers.

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