Wohnraummangel Verschärfung des Baurechts ist umstritten

Berlin · Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Scholz zur Bekämpfung von Wohnungsnot stößt auf Kritik. Bauminister Seehofer hat Vorbehalte. Durch strengere Baugebote sollen Grundstückeigentümer in die Pflicht genommen werden.

 Baustelle: Vor allem in Ballungsräumen fehlt es bezahlbarem Wohnraum.

Baustelle: Vor allem in Ballungsräumen fehlt es bezahlbarem Wohnraum.

Foto: picture alliance/dpa

In der Debatte um Wohnungsnot und hohe Mieten hat Bauminister Horst Seehofer (CSU) die von SPD-Finanzminister Olaf Scholz geforderte Verschärfung des Baurechts abgelehnt. Scholz hatte erklärt, das Baugebot im Baugesetzbuch solle so geändert werden, dass es von den Kommunen häufiger als bisher gegen Eigentümer brachliegender Grundstücke eingesetzt werden kann. Die Städte sollen die Eigentümer künftig leichter zwingen können, leere Flächen mit Wohnungen zu bebauen.

„Konkreter gesetzlicher Handlungsbedarf bei dem bereits seit Langem bestehenden gesetzlichen Baugebot gemäß Paragraf 176 Baugesetzbuch zeichnet sich in der fachpolitischen Diskussion nicht ab“, sagte dagegen eine Sprecherin Seehofers auf Anfrage. „Die Einlassung von Scholz ist kein Beitrag zum schnellen Wohnungsbau. Entsprechende Verfahren dauern zehn bis 20 Jahre“, erklärte auch der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Kai Wegner.

Gemeinden können Grundstückseigner bereits nach dem geltenden Recht verpflichten, eine ungenutzte Fläche innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Bebauungsplan zu bebauen. Damit hatte unlängst auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) einigen Grundstücksbesitzern in seiner Stadt gedroht. Nach geltendem Recht kann die Kommune hohe Geldstrafen gegen untätige Eigentümer verhängen oder sogar eine Enteignung verfügen. Der entsprechende Paragraf 176 kommt jedoch selten zur Anwendung, weil die Eigentümer geltend machen können, dass sie zur Bebauung wirtschaftlich nicht in der Lage sind. Zudem erlaubt das Baugesetzbuch eine Enteignung nur, wenn das Ziel dem Allgemeinwohl dient und es „auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann“. Das kann die Kommune so gut wie nie nachweisen.

Scholz hatte daher am Wochenende gefordert, das Baugebot in Paragraf 176 zu verschärfen. „Jeder kennt in seiner Gemeinde Grundstücke, die vor sich hin rotten“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Das sei wegen der aktuellen Wohnungsnot „nicht akzeptabel“. Die Sprecherin Seehofers verwies auf die bereits geltenden Sanktionsmöglichkeiten gegen Eigentümer. „Im Zweifel kommt es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen darauf an, von einer Vorschrift Gebrauch zu machen“, sagte sie. Im Übrigen werde eine Regierungskommission in Kürze Vorschläge zur Baulandmobilisierung vorlegen.

Auch CDU-Baupolitiker Wegner erklärte, das Baugebot stehe den Kommunen schon zur Verfügung. „Es ist Sache des politischen Willens in den Kommunen, dieses Instrument zu nutzen. Weitere Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen schließt der Koalitionsvertrag aus“, sagte Wegner. Die Diskussion um das Baugebot lenke von der eigentlichen Aufgabe der Kommunen ab. „Sie müssen zeitnah viel neues Bauland ausweisen. Nur so ist der Bau von 1,5 Millionen Wohnungen bis Ende 2021 möglich.“

Der Städtetag stellte sich dagegen klar hinter Finanzminister Scholz. „Als eine von vielen Maßnahmen sollte das Baugebot besser angewandt werden können, das bereits im Baugesetzbuch existiert. Städte müssen leichter und mit größeren Erfolgschancen Eigentümer von baureifen Grundstücken zum Bauen auffordern können“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Bisher müssten sie bei jedem einzelnen Grundstück prüfen, ob die Bebauung aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist. „Es wäre ein großer Fortschritt, wenn Städte Baugebote gleich für ein bestimmtes Gebiet festlegen können, in dem Wohnraummangel besteht. Dafür sollte der Bund im Baugesetzbuch die Voraussetzungen schaffen, damit die Kommunen entsprechend vorgehen können“, sagte Dedy. Es gehe den Städten darum, auch baureife Grundstücke für den Wohnungsbau nutzen zu können, die über längere Zeit brach liegen. „Unser Ziel ist nicht die Enteignung, die in Extremfällen nach dem heutigen Gesetzesparagrafen denkbar ist. Die Interessen der Grundstückseigentümer müssen, wie im Gesetz vorgesehen, beachtet werden“, sagte Dedy.

Sie könnten geltend machen, dass die Bebauung ihnen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Wenn Eigentümer das Grundstück nicht selbst bebauen wollten, könnten sie es der Stadt oder einem bauwilligen Dritten auch zum Kauf anbieten. Bevor ein Baugebot erlassen werde, setzten sich die Städte mit allen Beteiligten in Verbindung. „Es gibt daher viele Möglichkeiten, sich über die Bebauung des Grundstücks zu einigen. Diese müssen aber von den Städten besser genutzt werden können“, so Dedy.

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