Rubel in der Identitätskrise Währung in Russland schwächelt

Moskau · Sanktionen und außenpolitische Spannungen drücken auf den Kurs der russischen Währung. Während die Bürger leiden, kann der Staat seinen Haushalt leichter finanzieren.

 Für einen Euro gab es am Donnerstag 79 Rubel.

Für einen Euro gab es am Donnerstag 79 Rubel.

Foto: picture alliance/dpa

Zum Jahreswechsel brachte die russische Zentralbank neue und ganz besondere Rubelnoten in Umlauf: Etwa einen 200-Rubel-Schein, der das Denkmal für gesunkene Schiffe im annektierten Sewastopol zeigt. Und wer ein Smartphone mit der entsprechenden App darüber hält, sieht die Denkmalsäule in dem Schwarzmeerhafen dreidimensional aufragen, mit Möwen, die um sie herumfliegen.

Aber andere Wunder wirkt das Hightech-Papiergeld nicht. Im Gegenteil, es ist sogar wertloser geworden. Lag der Kurs für einen Euro Silvester 2017 bei gut 69 Rubel, so notierte er am Donnerstag bei über 79 Rubel. Allein im August verlor der Rubel gegenüber Dollar und Euro über zehn Prozent seines Wertes. Dabei sprechen die Zahlen zur Zeit eigentlich für Wladimir Putins Russland. Der Staatschef gewann die Präsidentschaftswahlen mit einem Rekordergebnis von 76,7 Prozent, der Ölpreis, der 2014 bis unter 30 Dollar pro Barrel gesunken war, ist wieder auf über 77 Dollar geklettert, auch das Bruttoinlandsprodukt zeigt dieses Jahr wieder ein Plus. Aber der russische Rubel steckt weiter in einer Identitätskrise.

Der sowjetische Rubel war einst ungeheuer kaufkräftig, ein Weißbrot in der UdSSR kostete 13 Kopeken. Aber der Rubel war damals nicht konvertierbar, wurde deshalb als „hölzern“ verspottet. Die postsowjetische Inflation hängte einige Nullen dran, die Boris Jelzin per Dekret wieder streichen ließ. Dann stabilisierten die steigenden Rohstoff-Exportpreise unter seinem Nachfolger Putin auch den Rubel – über zehn Jahre lang. Jetzt aber hilft auch der sich erholende Ölpreis nicht. „Zur Zeit hat der Rubel einige kurz- und mittelfristige Faktoren sowie sehr viel Stimmung gegen sich“, sagt Waleri Mironow, Finanzexperte der Moskauer Hochschule für Ökonomie, unserer Zeitung.

Besonders leidet der Kurs der vaterländischen Währung unter den US-Sanktionen gegen Russland, seine Großunternehmer, Banken sowie Rohstoff- und Rüstungsbetriebe. Und keineswegs nur unter jenen Strafmaßnahmen, die schon beschlossen sind, wie die Exportbeschränkungen vom 22. August im Giftgasfall Sergei Skripal. Sondern auch unter solchen, die noch kommen könnten. So wartete die Börse gestern mit Spannung auf die Ergebnisse der Anhörung, die der US-Kongress zur Einmischung Russlands in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen angesetzt hatte.

Am gleichen Tag drückte auch die Neuigkeit zum Fall Skrypal, russische Tatverdächtige seien identifiziert worden, auf den Rubelkurs. Seit Monaten nimmt der Markt schlechte Nachrichten aus dem Ausland zum Anlass, um Rubel loszuwerden, vor allem, wenn Russland politisch darin verwickelt ist.

Das gilt für die neue Eskalation des Syrienkrieges in der Region Idlib, aber auch für die Ermordung des Donezker Rebellenführers Alexei Sachartschenko. Ebenso regt die Krise der russischen Lira Moskaus Börsenanalytiker dazu an, für den Rubel unvorteilhafte Parallelen zu ziehen. Schon diskutieren russische Finanzkreise die Kongresswahlen in den USA Anfang November als neuer Schicksalstag auch für den Rubel. Dagegen macht sich kaum bemerkbar, dass Russlands Unternehmen Ende des Quartals Steuern zahlen müssen, in Rubeln, was seinen Kurs eigentlich regelmäßig liftet. Solche traditionell positiven Momente scheinen dem Rubel jetzt nicht mehr zu helfen. Auch die Worte von Zentralbankchefin Elvira Nabiullana, es seien „bestimmte Faktoren“ für eine mögliche Erhöhung der Leitzinsen aufgetaucht, verschafften der russischen Währung nur eine kurze Atempause.

Am Donnerstag verlor sie wieder einen halben Rubel auf den Euro. Offenbar fürchten die Anleger, dass eine Rückkehr zur Hochzinspolitik der vergangenen Jahre die schwache Konjunktur wieder erdrücken könnte.

„Der schwache Rubel tut nur den Bürgern und den Geschäftsleuten auf dem Binnenmarkt weh“, schreibt die Internetzeitung gazeta.ru. „Den Exporteuren, den Öl- und Metallproduzenten kommt die Schwäche der eigenen Währung gerade recht, erhöht ihre Einnahmen in Rubel. Auch dem Staat hilft sie, seine Haushaltausgaben leichter zu finanzieren.“

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