Urteil des BGH Wann der Apotheker noch Geschenke geben darf

Bonn · Nach dem Apotheken-Urteil des BGH müssen Patienten auf gratis Taschentücher und Bonbons verzichten, wenn sie ein Rezept in der Apotheke einlösen. Wir erklären, wann Apotheker noch Geschenke verteilen dürfen.

 Apotheken-Kunden mit Rezept dürfen zum Medikament keine Kleinigkeiten mehr dazubekommen.

Apotheken-Kunden mit Rezept dürfen zum Medikament keine Kleinigkeiten mehr dazubekommen.

Foto: Bernd Wüstneck/Illustration

Traubenzucker für die Kleinen, Kalender für die Großen – das gehörte lange in der Apotheke dazu. Doch nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Apotheken dürfen Kunden, die Medikamente auf Rezept erwerben, keinerlei Werbegeschenke mehr mitgeben. Auch Präsente wie ein Brötchen-Gutschein seien „wettbewerbsrechtlich unzulässig“, entschieden die Richter (Az. I ZR 206/17).

Denn mit solchen Gaben würden Apotheken indirekt die geltende Preisbindung unterlaufen und dadurch die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern beeinträchtigen. Lange hatten Richter Geschenke im Wert von bis zu einen Euro noch durchgehen lassen. Nun legen sie die geltenden Gesetze streng und eindeutig aus.

Worum ging es in dem konkreten Fall? Auslöser waren zwei verschiedene Fälle, die die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vor Gericht gebracht hatte. In Darmstadt hatte ein Apotheker Brötchen-Gutscheine für den benachbarten Bäcker verteilt, es gab „zwei Wasserwecken oder ein Ofenkrusti“ pro Einkauf. In Berlin hatte ein Apotheker einen Euro Nachlass für den nächsten Einkauf gut geschrieben.

Was bedeutet das Urteil? Wenn der Patient mit einem Rezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Antibiotika, Verhütungsmittel oder Herzmedikamente in die Apotheke kommt, darf es keinerlei Zugaben mehr geben, nicht mal einen Kugelschreiber oder Luftballon. Der Apothekerverband Nordrhein ist zufrieden: „Das Urteil schützt die Patienten. Sie können sich sicher sein, dass verschreibungspflichtige Arzneien zu jeder Zeit und an jedem Ort in Deutschland das gleiche kosten“, sagt Verbandschef Thomas Preis unserer Redaktion.

Apothekenumschau wird wohl weiter verteilt

Wettbewerb wäre hier nicht von Vorteil: „Auch wenn die Nachfrage nach einem Medikament hoch ist, bleibt sein Preis konstant.“ Apotheken, die sich nicht an den höchstrichterlichen Spruch halten und ihren Kunden weiter kleine Geschenke mitgeben, müssen damit rechnen, von Konkurrenten oder Verbraucherschützern auf Unterlassung verklagt zu werden. Das kann teuer werden.

Was ist mit „Medi&Zini“ und „Apothekenumschau“? Bei vielen Kunden sind Gratis-Zeitschriften wie „Medi&Zini“ oder „Apothekenumschau“ beliebt, die Apotheken einkaufen und umsonst an ihre kleinen und großen Kunden abgeben. Der Kölner Apotheker Preis geht davon aus, dass dies auch weiterhin erlaubt ist: „Hier handelt es sich nicht um Werbegeschenke, sondern hier stehen die apothekennahen Informationen im Vordergrund. Deshalb bezieht das BGH-Verbot sich nicht auf die Kundenzei tschriften.“

Was ist bei rezeptfreien Arzneien? Bis 2004 unterlagen auch Nasenspray, Hustensaft und Co. einer Preisbindung. Dann schaffte der Gesetzgeber diese ab. Seither dürfen Apotheken die Preise hier frei setzen und auch Rabattaktionen durchführen. Das bleibt auch nach dem BGH-Spruch erlaubt. „Bei der Abgabe rezeptfreier Arzneimittel dürfen Apotheken auch weiterhin Werbegschenke mitgeben“, so Preis.

Preisbindung gilt für EU-Versandapotheken nicht

Das Urteil des Bundesgerichtshofs beziehe sich ausschließlich auf rezeptpflichtige Medikamente. „Wir fänden es aber gut, wenn auch die Preisbindung auf rezeptfreie Medikamente wieder eingeführt werde. Am Ende macht das Medizin günstiger“, meint Preis. Das sehen Versandapotheken anders: Sie sind groß geworden mit Rabattaktionen für verschreibunsgfreie Mittel.

Was ist mit dem Versandhandel? Der Europäische Gerichtshof hatte 2016 entschieden, dass die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gegen EU-Recht verstößt. Ausländische Versandhandels-Apotheken müssen seither darauf keine Rücksicht mehr nehmen und dürfen rezeptpflichtige Medikamente auch billiger verkaufen. Für den BGH ist das aber kein Grund, die deutsche Preisbindung infrage zu stellen. Ohnehin stehen hier gesetzliche Regelungen noch aus.

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