Gericht weist Klagen ab Was man über die europäische Bankenunion wissen sollte

Berlin · Die Karlsruher Verfassungsrichter wiesen zwei Beschwerden gegen die europäische Bankenunion ab, ziehen aber deutliche Grenzen. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

 Entscheidung zur Bankenunion: Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht.

Entscheidung zur Bankenunion: Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht.

Foto: dpa

Die zentrale Bankenaufsicht im Euroraum und der gemeinsame Notfall-Fonds zur Abwicklung maroder Geldhäuser bewegen sich gerade noch im zulässigen Rahmen. Das gelte aber nur bei einer strikten Auslegung der Regelungen, urteilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Die Karlsruher Richter wiesen zwei Verfassungsbeschwerden gegen die europäische Bankenunion ab, markierten aber deutlich rote Linien. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist die Bankenunion?

Zum Schutz vor neuen Finanzkrisen werden die größten Banken und Bankengruppen in Europa seit 2014 von Aufsehern unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht. Ihrer Kontrolle unterstehen derzeit 114 „bedeutende“ oder „systemrelevante“ Institute, davon 19 in Deutschland. Für rund 1400 kleinere deutsche Geldhäuser sind weiterhin die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesbank zuständig. Die EZB-Aufseher prüfen regelmäßig den Geschäftsbetrieb der Banken. Fallen besondere Risiken auf, können sie Banken vorschreiben, sich größere Kapitalpuffer zuzulegen. Die Aufsicht über die Banken ist die erste Säule der Bankenunion. Die zweite Komponente ist ein gemeinsamer Notfallfonds zur Abwicklung von Banken, die sich in einer Schieflage befinden. Der Fonds soll bis 2024 über Bankenabgaben mit schätzungsweise 55 Milliarden Euro ausgestattet werden.

Wogegen richteten sich die Beschwerden der Kläger?

Die Kläger um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber waren der Ansicht, dass Deutschland mit der Bankenunion zu große finanzielle Risiken eingeht und gleichzeitig viel zu viel Macht aus der Hand gibt. Für die Übertragung derart weitreichender Kompetenzen auf europäische Ebene fehle die rechtliche Grundlage.

Wie begründete das Gericht sein Urteil?

Für die Richter des Zweiten Senats war ausschlaggebend, dass die Bankenaufsicht nicht vollständig auf die EZB übertragen wurde. Anderenfalls wäre den Euro-Staaten ein zentraler Bereich der Aufsicht entzogen – das hätten Bundesregierung und Bundestag verhindern müssen. Das 174-seitige Urteil interpretiert die Bankenunion dagegen so, dass bei den nationalen Behörden umfangreiche Befugnisse verblieben sind.

Die zweite Säule der Bankenunion ist ein Fonds, um zahlungsunfähige Großbanken im Ernstfall ohne Rückgriff auf Steuergelder abwickeln zu können. Er wird von einem Ausschuss mit Sitz in Brüssel verwaltet. Das Geld zahlen die Banken ein. Der Brüsseler Ausschuss stößt bei den Verfassungsrichtern zwar auf Bedenken. Sofern die Grenzen der ihm zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse „strikt beachtet“ würden, liege aber keine offensichtliche Kompetenzüberschreitung vor. Das Problem der EZB und anderer supranationaler Institutionen sei, dass ihnen die parlamentarische Verantwortung fehle. Die Richter sprechen von einer bedenklichen „Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus“. Dies ist dem Urteil zufolge „nicht unbegrenzt zulässig“ und muss immer besonders gerechtfertigt sein. Die Einrichtungen der Bankenunion halten die Karlsruher Richter für „noch hinnehmbar“, weil Vorkehrungen zur Kompensation getroffen worden seien. So hat die EZB etwa Rechenschafts- und Berichtspflichten.

Wie sieht es mit den umstrittenen Anleihekäufen der EZB aus?

Am Dienstag und Mittwoch verhandelt das Verfassungsgericht auch über die umstrittenen Staatsanleihekäufe der Notenbank. Eine Entscheidung in dieser Frage wird erst in einigen Monaten erwartet. Seit 2015 kaufte die EZB in großem Stil Anleihen von Eurostaaten sowie Unternehmensanleihen, im Umfang von rund 2,6 Billionen Euro bis Ende 2018. Die EZB könnte die Ankäufe bald fortsetzen.

Warum kauft die EZB Wertpapiere?

Oberstes Ziel der EZB sind stabile Preise. Mittelfristig wird eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent angestrebt. Denn dauerhaft niedrige oder auf breiter Front sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben.

Was haben die Staaten davon, dass die EZB ihre Anleihen erwirbt?

Sie kommen günstiger an frisches Geld. Weil die Notenbank große Bestände aufkauft, müssen sie für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten. Und: Die EZB signalisiert Verbrauchern und Unternehmen, dass sie die Wirtschaft nicht im Stich lässt.

Kann die EZB machen, was sie will?

Die Notenbank ist politisch unabhängig. Ihr fehlt allerdings auch die parlamentarische Verantwortlichkeit – und das bereitet den deutschen Verfassungsrichtern seit längerem Unbehagen. Zum Ausgleich pocht Karlsruhe auf zwei Bedingungen: Das Mandat der EZB muss eng begrenzt bleiben. Und seine Einhaltung muss von den Gerichten streng kontrolliert werden.

Wie sieht das Bundesverfassungsgericht die Anleihekäufe?

Das Verfassungsgericht ist äußerst kritisch. Wegen des enormen Volumens und der immer wieder verlängerten Laufzeit hat der Zweite Senat schon im Sommer 2017 starke Bedenken geäußert: „Gewichtige Gründe“ sprächen dafür, dass die Beschlüsse „gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstoßen“ und darüber hinaus „in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreifen“. (mit dpa)

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