Der neue EU-Haushalt Weniger Hilfen für die Landwirtschaft

Köln · Brüssels neue Finanzplanung hat Folgen. Deutschland soll bis zu zwölf Milliarden Euro mehr in die EU-Kasse zahlen. Europa muss für die Sicherung seiner Außengrenzen und in Forschung investieren

 Künftig sollen Landwirte weniger Agrarhilfen aus Brüssel erhalten.

Künftig sollen Landwirte weniger Agrarhilfen aus Brüssel erhalten.

Foto: picture alliance / Christoph Soe

Elf bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr soll Deutschland nach den Vorstellungen von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger von 2021 an zusätzlich in die EU-Kasse zahlen – eine Ankündigung, für die Oettinger im politischen Berlin vergangene Woche keinen Beifall erhielt. Europa müsse künftig viel mehr in die Sicherung seiner Außengrenzen und in Forschung investieren, das sei gerade auch im deutschen Interesse, argumentierte Oettinger. Zudem reiße der britische EU-Austritt ein Zwölf-Milliarden-Euro-Loch in den EU-Haushalt. Mindereinnahmen und Mehrausgaben will der deutsche Kommissar zur Hälfte durch Einsparungen, zur Hälfte durch höhere EU-Beiträge decken. Von Wirtschaftsforschern erhält er für diese Pläne jetzt Rückendeckung – und wertvolle Finanzierungstipps.

In Europa ist die Finanzplanung eine komplizierte Sache, schließlich müssen ihr am Ende 27 Mitgliedstaaten zustimmen. Der nächste Finanzrahmen bestimmt die EU-Politik zwar erst in den Jahren 2021 bis 2027, doch schon jetzt beginnen die Verhandlungen, weil sie bis zu zwei Jahre dauern können. Oettinger will den neuen mehrjährigen Finanzrahmen nutzen, um zumindest ansatzweise neue Akzente zu setzen, die Europas Zukunftsfähigkeit verbessern sollen: Er will den enormen Haushaltsanteil für Agrar- und Strukturhilfen von derzeit 70 bis 80 Prozent verringern, um mehr für den Grenzschutz, Verteidigung und Digitalisierung auszugeben. Damit hat er Länder wie Frankreich gegen sich aufgebracht, in denen die Landwirtschaft traditionell einen besonders hohen Stellenwert hat.

In Deutschland meldete sich vor allem die CSU, die zusätzliche Zahlungen an die EU von zwölf Milliarden Euro ablehnte. Die anderen Regierungsparteien hielten sich zurück, schließlich hatten sie im Koalitionsvertrag zugesagt, künftig mehr nach Brüssel überweisen zu wollen. Zudem ist das Jahr 2021 aus Berliner Sicht noch weit entfernt. In seiner Finanzplanung hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) höhere Beiträge an die EU bisher noch nicht eingeplant. Die Steuerschätzung kommende Woche dürfte eher Wasser auf die Mühlen derer sein, die mehr Geld für Europa ausgeben wollen: Die Einnahmenprognose für die Jahre 2018 bis 2022 wird nach Informationen unserer Redaktion deutlich besser ausfallen als die letzte Schätzung vom November – und auch besser als die interne Prognose des Finanzministeriums vom Frühjahr, die in der aktuellen Etatplanung für 2018 bereits enthalten ist. Auch laut „Handelsblatt“ werden die Steuerschätzer in den fünf Jahren Mehreinnahmen von insgesamt 60 Milliarden Euro prognostizieren.

Auch für Oettinger ist das eine gute Nachricht sein. Forscher des arbeitgebernahen Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unterstützen den von ihm eingeschlagenen Weg. Der hohe Anteil der Agrar- und Strukturausgaben im EU-Haushalt sei „anachronistisch“, heißt es in einer IW-Studie. Denn der Anteil der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei an der gesamten EU-Bruttowertschöpfung liege heute nur noch bei 1,6 Prozent.

Hinzu komme, dass die EU die Finanzierungslücke durch den Brexit stopfen müsse und zu Recht neue prioritäre Aufgaben definiert habe. „Die EU-Kommission darf sich von den üblichen politischen Widerständen nicht beirren lassen, sondern muss ordnungspolitische Gradlinigkeit zeigen und die veränderte geopolitische Lage dazu nutzen, den Finanzrahmen endlich auf eine ökonomisch sinnvolle Basis zu stellen“, schreiben die IW-Autoren Jürgen Matthes und Berthold Busch. Für die Agrarpolitik gebe die EU zwischen 2014 und 2020 insgesamt 400 Milliarden Euro aus, für Strukturhilfen weitere 370 Milliarden. Würden die Ausgaben von zusammen 770 Milliarden Euro nur um ein Prozent gekürzt, stünden 7,7 Milliarden Euro mehr für andere Zwecke zur Verfügung. Damit wäre etwa der Ausfall durch den Brexit schon zu elf Prozent finanziert.

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