Fragen und Antworten Wie können sich Arbeitnehmer bei krisenbedingten Maßnahmen schützen?

Berlin · Fragen und Antworten zu Restrukturierungen in der Corona-Krise. Wenn die Firma sich gesundschrumpfen will, welche Rechte haben dann Arbeitnehmer?

 Ein Ford-Mitarbeiter arbeitet in der Kölner Fiesta-Produktion an einer Karosserie. Auch der Autobauer will Stellen abbauen.

Ein Ford-Mitarbeiter arbeitet in der Kölner Fiesta-Produktion an einer Karosserie. Auch der Autobauer will Stellen abbauen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die große Welle an Insolvenzen infolge der Corona-Pandemie ist bislang ausgeblieben. Doch das liegt nach Ansicht von Experten vor allem am Handeln der Regierung: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bedeutet eben nicht, dass es den Firmen gut geht – sie müssen ihren Zustand bloß nicht sofort offenlegen. Experten der Wirtschaftsauskunft Creditreform sind sich daher sicher, dass die Insolvenzwelle „nur vertagt“ ist und ab September verspätet durch die deutsche Wirtschaft rollt.

Umso eifriger versucht das Management vieler Unternehmen in diesen Tagen, die Kosten wieder unter die schwindenden Ausgaben zu drücken. Das Wort, um die Einsparungen etwas professioneller klingen zu lassen, lautet hier meist „Restrukturierung“. Doch auch wer von Restrukturierungen betroffen ist, hat Rechte.

Was bedeutet es, wenn in meinem Betrieb eine Restrukturierung ansteht?

Das Unternehmen will sich auf Effizienz trimmen. In der Regel ist das auch mit einem konkreten Personalabbau verbunden. „Das bedeutet aber nicht in erster Linie betriebsbedingte Kündigungen“, sagt Alexander Greth, Experte für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf.

Im ersten Schritt trennen die meisten Firmen sich von Leiharbeitnehmern und lassen befristete Verträge auslaufen. Dann versucht die Geschäftsführung in der Regel einen möglichst sozialverträglichen Personalabbau. Sie werde dafür, soweit erforderlich, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und die Aufstellung eines Sozialplans verhandeln.

Was bedeutet der Interessenausgleich?

Vertreter der Geschäftsführung setzen sich mit dem Betriebsrat zusammen und besprechen, wie die Umstrukturierung ablaufen soll. „Der Betriebsrat hat oft die Befürchtung, dass der Personalabbau zu Arbeitsverdichtung führt“, sagt Greth.

Statt den Personalbestand in direktem Verhältnis zur verringerten Auftragslage anzupassen, müssen am Ende alle mehr arbeiten, lautet die Sorge der Arbeitnehmervertreter. Sie diskutieren mit der Leitungsebene dann konkret, wie die Schichten besetzt werden könnten. Der Betriebsrat will zudem Kündigungen nach Möglichkeit vermeiden.

Welche Alternativen gibt es zur Kündigung?

Die Firmen versuchen es in Absprache mit dem Betriebsrat meist zunächst mit freiwilligen Lösungen wie Abfindungsangeboten. „Nach vielen guten Jahren widersprechen Kündigungen oft regelrecht der Unternehmenskultur“, sagt Greth. Die erste Wahl ist meist ein Vorruhestandsprogramm. Dabei lässt sich beispielsweise auch darauf spekulieren, dass Mitarbeiter, die über 63 Jahre alt sind, für zwei Jahre Arbeitslosengeld beziehen können und damit die Zeit bis zum formalen Renteneintritt überbrücken. Wenn Vorruhestandsprogramme bereits aus früheren Wellen des Personalabbaus ausgeschöpft sind, sind auch reguläre Abfindungsangebote an jüngere, aber wechselwillige Mitarbeiter möglich.

Wie hoch wäre eine angemessene Abfindung?

Das variiert je nach Branche und Region. Ein Textilunternehmen in einer strukturschwachen Region wird sich nur ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit leisten können, ein Chemieunternehmen wird eher ein volles Monatsgehalt je Betriebsjahr bieten müssen. Greth zufolge sind solche Abfindungsangebote der Favorit der Firmenleitung zur Vermeidung von Kündigungen. Bei der betriebsbedingten Kündigung ist eine Sozialauswahl durchzuführen; dabei muss sie oft Mitarbeiter gehen lassen, die sie gerne halten möchte.

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