Die Folgen aus den Lebensmittel-Skandalen So sollen Lebensmittel sicherer werden

Berlin · Gammelwurst, schädliche Milch, Eier von leidenden Hennen in angeblichen Bio-Ställen – die Lebensmittelkontrolle in Deutschland hat ein gewaltiges Problem. Verbraucherschützer fordern Konsequenzen, die Politik sucht Lösungen.

 Eine Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörden untersucht im Labor Proben von Lebensmitteln.

Eine Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörden untersucht im Labor Proben von Lebensmitteln.

Foto: dpa/Wolfgang Thieme

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) und ihre Länderkollegen wollen Konsequenzen aus den Missständen ziehen. Verbraucherschützer fordern eine deutlich strengere Überwachung. Jüngst waren Packungen mit fettarmer Frischmilch wegen Durchfallerregern vom Markt genommen worden. In Hessen wurde Anfang Oktober der Betrieb des Wurst-Herstellers Wilke geschlossen, nachdem in seinen Produkten Listerien nachgewiesen wurden.

Oft werden Verstöße bei der Tierhaltung durch Tierschutzorganisationen aufgedeckt – wie jüngst in der Uckermark, wo die Tierschutzorganisation „Animal Rights Watch“ mit dem ZDF desolate Zustände in einem Legehennenbetrieb für Bio-Eier dokumentierte. Dutzende Hühner hatten kahle Stellen im Federkleid. Zudem wurden eitrige Kloaken durch andauerndes Eierlegen und tote Tiere zwischen lebenden Tieren dokumentiert. Von der konventionellen Tierhaltung war die vermeintliche Bio-Haltung nicht zu unterscheiden: Tausende Hennen mussten sich einen Stall teilen – auch auf dem Bio-Bauernhof.

Die Zahl der Lebensmittelskandale hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren nicht nur gefühlt vervielfacht. Die Entwicklung lässt sich auch an der Statistik ablesen. So hat sich etwa die Zahl der Lebensmittelrückrufe durch die Produzenten seit dem Jahr 2012 mehr als verdoppelt, wie unlängst das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin mitteilte.

Besonders betroffen seien Fleisch- und Milchprodukte. Die Behörde stützte sich auf eine Auswertung des 2011 gestarteten Internetportals Lebensmittelwarnung.de. Dort werden Warnhinweise auch jenseits der großen Lebensmittelskandale veröffentlicht.Die Zahl der Warnungen sei von 83 im Jahr 2012 auf 186 im vergangenen Jahr geklettert. 2019 wurden bis Mitte Oktober rund 160 Warnungen veröffentlicht, so das Bundesamt. Über die Gründe des Anstiegs gebe es keine gesicherten Erkenntnisse. Am häufigsten würden Produkte wegen mikrobiologischer Verunreinigungen oder Fremdkörpern zurückgerufen. Auch falsche Kennzeichnungen können zu Rückrufen führen.

Mögliche Ansatzpunkte der Politik könnten unter anderem ein besserer Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern schon unterhalb der Schwelle eines Krisenfalls sein. Daneben wollen die Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern darüber sprechen, wie Warenströme besser zurückverfolgt werden können -  etwa mit Vorgaben zur Form von Lieferlisten und zu möglichen Fristen für Unternehmen, wie es aus dem Bundesministerium hieß.

Bundesministerin Klöckner hatte bereits interdisziplinäre Teams vorgeschlagen, die auch überregionale Kompetenzen bekommen könnten. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass zuständige Kontrolleure eines Landkreises auch Experten anderer Behörden einbinden könnten. Aus den Ländern waren Vorschläge für eine zentrale Datenbank gekommen. „Die Schwachstellen in der Lebensmittelüberwachung sind seit Jahren bekannt und werden seit Jahren nicht behoben“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Bund und Länder müssten jetzt endlich die notwendigen Veränderungen auf den Weg bringen. Ansonsten seien weitere Missstände und Lebensmittelskandale programmiert.

Alle Kontrollberichte müssten im Internet und an der Tür der Betriebe in Form eines Hygienebarometers veröffentlicht werden.Die Verantwortung für die Überwachung müsse zudem künftig bei den Ländern liegen, nicht mehr bei den Kommunen, sagte der Verbraucherschützer. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte für jedes Bundesland eine einzige, eigenständige und unabhängige Landesanstalt für Lebensmittelüberwachung einzurichten, statt wie bisher die Kontrollen auf Landkreisebene zu organisieren.

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