Neue Studie Zahl der Migranten steigt mangels Arbeitschancen weiter

Genf · Die Not treibt Menschen in die Fremde, in vielen Ländern können sie sich nur mit prekären Jobs über Wasser halten. Die Situation werde noch schlimmer, sagt die Internationale Arbeitsorganisation voraus.

 Arbeitslose Tunesier aus der Stadt Kasserine demonstrieren in Tunis vor dem tunesischen Ministerium für Berufsbildung und Beschäftigung.

Arbeitslose Tunesier aus der Stadt Kasserine demonstrieren in Tunis vor dem tunesischen Ministerium für Berufsbildung und Beschäftigung.

Foto: Mohamed Messara/Archiv

Die prekäre Arbeitssituation in Entwicklungs- und Schwellenländern wird einer Studie zufolge schlimmer und treibt mehr Menschen aus ihrer Heimat.

Seit 2009 steige die Zahl derjenigen, die eine bessere Zukunft in anderen Ländern suchen, berichtete die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf.

In den Staaten Afrikas südlich der Sahara sei die Not am größten: 32 Prozent der Menschen wollten fort. In Lateinamerika und der Karibik seien es 30 Prozent, in Nordafrika 27 Prozent. "Die Zahl der Migranten dürfte in den nächsten zehn Jahren weiter wachsen", heißt es in dem Bericht "Arbeits- und Sozialtrends 2017". Neben der Armut spielten auch Bürgerkriege oder Verfolgung beim Willen zum Auswandern eine Rolle.

In den aufstrebenden Ländern - mit Pro-Kopf-Einkommen zwischen 8000 und 14 000 Dollar im Jahr - steige die Arbeitslosigkeit deutlich. 3,6 Millionen Menschen mehr als 2016 dürften dort in diesem Jahr Arbeit suchen, schreibt die ILO. Grund sei vor allem das Bevölkerungswachstum. Es sorge dafür, dass immer mehr junge Leute auf den Arbeitsmarkt drängen. In Entwicklungsländern - mit weniger als 8000 Dollar Jahreseinkommen - kämen 450 000 neue Arbeitslose hinzu.

Viele Menschen hielten sich zudem nur mit informellen und unsicheren Jobs über Wasser und könnten sich damit nicht aus der Armut befreien. 1,4 Milliarden Menschen weltweit - 42 Prozent aller Arbeitenden - lebten in solchen Verhältnissen. Jedes Jahr würden es elf Millionen mehr.

Die ILO hofft - nach einem Sechs-Jahres-Tief beim weltweiten Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent 2016 - auf eine leichte Besserung auf 3,4 Prozent in diesem Jahr. Das reiche aber nicht, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen und die Qualität der Jobs zu verbessern, betonte ILO-Generaldirektor Guy Ryder. 2017 dürften weltweit 201 Millionen Menschen arbeitslos sein, das entspreche einer Quote von 5,8 Prozent (2016: 5,7 Prozent). In Industrieländern entspanne sich die Situation zwar, doch der Anteil der Langzeitarbeitlosen wachse. In der EU seien 47,8 Prozent der Arbeitssuchenden seit mehr als zwölf Monaten arbeitslos. Ein Jahr zuvor waren es noch 44,5 Prozent.

Im Hinblick auf den Fachkräftemangel in vielen Industrieländern meinte Ryder: "Es ist paradox, dass in Zeiten, in denen Migration ökonomisch Sinn machen würde, die politischen und sozialen Hürden dafür immer höher werden." Zum Erfolg populistischer Politiker meinte er: "Es ist eine Versuchung, aber auch ein Fehler, Migration in der derzeitigen Situation mit der Arbeitslosigkeit und dem Erstarken bestimmter politischer Tendenzen nur als Problem zu begreifen." Er appellierte an alle Staaten, geordnete Migration als Chance zu sehen.

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