Zehn Jahre Onlineversand Zalando ist Milliardengeschäft mit Kratzern

Frankfurt/Main · Am Anfang versandten die Berliner nur Schuhe, heute sind sie Online-Modehändler. Doch der Erfolg ist nicht garantiert.

 Schuhe standen am Anfang des Onlinehandels von Zalando.

Schuhe standen am Anfang des Onlinehandels von Zalando.

Foto: dpa

Die Geschichte erfolgreicher Startups des Internetzeitalters beginnt meist in einer schmuddeligen Garage im Silicon Valley. Die Berliner Version dieser Geschichte beginnt in einer Studenten-WG. Am 29. September registrierte dort ein Computer die erste Bestellung des Tags zuvor gegründeten Schuhversandes Zalando. Robert Gentz, David Schneider und Rubin Ritter hatten den Onlineshop aus der Taufe gehoben. Anders als mancher Garagentüftler aber hatten sie bereits potente Investoren im Rücken. Das Geld für die von Anfang an professionelle Expansion stellten die Samwer-Brüder, die Chefs der Startup-Schmiede „Rocket Internet“.

Der Aufstieg Zalandos war von Beginn an rasant: Schon in den ersten drei Monaten setzten die Gründer immerhin 326.000 Euro um. Im vergangenen – dem zehnten Jahr – waren es rund 4,5 Milliarden. 2018 soll der Umsatz noch einmal um mindestens 20 Prozent steigen und würde damit die Fünf-Milliarden-Schwelle passieren. Der Berliner Modeversandkonzern beschäftigt europaweit mehr als 15.000 Mitarbeiter, allein in Berlin sind es 6000.

Dass der Weg derart steil nach oben führen würde, konnte man höchstens hoffen. Denn die Geschäftsidee war auch vor zehn Jahren nicht allzu neu oder kreativ: Seit 1999 gab es bereits ein Vorbild: Den damals recht erfolgreichen US-Onlineshop Zappos. Der verkaufte bereits Schuhe über das Internet, bewies damit allerdings auch, dass es möglich ist. Denn Schuhe im Internet zu verkaufen ist einigermaßen gewagt, weil vieles nicht passen und drücken kann. Die Rücksendegarantie hat möglich gemacht, was vor zwei Jahrzehnten undenkbar schien.

200 Bestellungen pro Minute

Die schnelle Expansion jedenfalls lässt sich nicht erklären ohne das Ausweiten des Geschäftsmodells: Was mit dem Verkauf von Schuhen begann, ging schon bald mit Kleidung und Mode weiter. In diesem Jahr schließlich kamen noch Kosmetika ins Sortiment. Rund 300.000 Bestellungen aus 17 europäischen Ländern gehen jeden Tag durchschnittlich in der Firmenzentrale von Zalando ein – das sind gut 200 pro Minute.

Der atemberaubende Aufstieg des Unternehmens kennt aber auch eine andere Seite. Unter anderem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte eine Zeit lang zu kurze Pausenzeiten für die Lagerarbeiter in Brieselang, unweit von Berlin. Auch wegen zu geringer Löhne in den Lagern und den Telefon-Call-Centern haben die Gewerkschaften Kritik geübt. Immerhin – im Gegensatz zu manchen anderen Unternehmen verhindert Zalando nicht aktiv die Organisation der Mitarbeiter beispielsweise in Gewerkschaften.

Ein anderes Problem haben manche Einzelhändler in den Einkaufsstraßen deutscher Städte durch die Konkurrenz im Internet bekommen: Marktplätze wie Zalando im Modebereich, aber auch das Onlinekaufhaus Amazon machen ihnen die Geschäfte streitig. „Das trifft eher die kleinen, oft inhabergeführte Geschäfte“, sagt Lars Hofacker, Leiter des Forschungsbereiches E-Commerce am EHI, ein wissenschaftliches Institut des Handels. „Die müssen wie viele andere Einzelhandelsunternehmen nachziehen und sich bewegen, um im digitalen Wandel bestehen zu können“. Allerdings glauben viele Beobachter wie Hofacker, dass diese Notwendigkeit nicht allein Zalando zuzuschreiben ist.

Ausgeklügeltes System, Modetrends aufzuspüren

Zum Erfolgsgeheimnis von Zalando gehört ein ausgeklügeltes System, das Modetrends aufspürt. Grundlage sind Computeranalysen der aktuellen Modeverkaufszahlen. Mit dem sehen die Zalando-Macher hinter den digitalen Kulissen, welches Produkt sich gerade gut oder schlecht verkauft. Ein Team von Einkäufern bewertet die Zahlen dann noch einmal auf Grundlage eigener Erfahrungen.

Vom Erfolg angespornt ging Zalando schließlich vor vier Jahren an die Börse. Seither ist auch der Börsenwert des Unternehmens mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen. Bis vor wenigen Wochen. Da musste der Konzern seine selbst gesteckten Ziele gleich zweimal kassieren. Das hat Anleger dazu bewogen, die Reißleine zu ziehen, die Aktien sind in den Keller gerauscht, seit Anfang August um über 30 Prozent. Zum zehnjährigen Jubiläum sind also kleine Zweifel aufgekommen, wie profitabel der Online-Kleiderhändler in Zukunft sein kann.

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