Interview mit Colette Hercher Zoll-Chefin: "Wir wollen die großen Fische"

Bonn · Colette Hercher ist seit August 2018 Präsidentin der Generalzolldirektion in Bonn. Ein Gespräch über die Auswirkungen des Brexits, die Einfuhrumsatzsteuer und den Kampf gegen die Schwarzarbeit.

 Colette Hercher im GA-Interview.

Colette Hercher im GA-Interview.

Foto: Benjamin Westhoff

Der Zoll hat vom Bund 6000 Planstellen zugesprochen bekommen. Was machen Sie damit?

Colette Hercher: Das ist sicherlich ein deutlicher Zuwachs an Stellen. Allerdings haben wir parallel mehrere Herausforderungen und neue Aufgabenfelder vor der Brust. Die Aufgaben wachsen. Nehmen wir den Brexit. Dadurch benötigen wir allein 900 zusätzliche Stellen, um die veränderte Situation bewältigen zu können. Des Weiteren bekommen wir mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsbetrug neue Prüfungsbefugnisse, für die wir erheblich mehr Personal bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit brauchen. Die Verwaltung der Kfz-Steuer oder eCommerce sind weitere Bereiche, die im Fokus stehen.

Sind Sie für den Brexit gerüstet? Wie groß wird der Mehraufwand?

Hercher: Wenn Großbritannien aus der EU austritt, wird es ein Drittland – mit allen Konsequenzen, das heißt, es werden Zölle und Einfuhrumsatzsteuer fällig. An jeder Einfuhr hängt ein Verfahren, es wird auf jeden Fall mehr Abfertigungsaufwand geben und es werden mehr Kontrollen nötig sein. Man muss aber sehen, dass Großbritannien grundsätzlich ein zuverlässiger Handelspartner mit häufig bekannten Wirtschaftsbeteiligten ist. Die Risiken bei der Einfuhr sind daher oft geringer zu bewerten als bei völlig unbekannten Unternehmen aus anderen Ländern. Wie hoch der Mehraufwand letztlich sein wird, ist schwer zu kalkulieren. Wir gehen grob davon aus, dass er sich ungefähr gleich auf die Grenzen und die Hauptzollämter im Inland verteilt.

Sie sprachen die Einfuhrumsatzsteuer an. Die wird künftig immer fällig, wenn man Handel mit Großbritannien treibt?

Hercher: Diese Steuer mit einem Satz von sieben oder 19 Prozent fällt dann bei der Einfuhr von Waren aus Großbritannien grundsätzlich an und wird vom Zoll erhoben. Für viele Firmen wird zudem neu sein, dass sie künftig Ausfuhren, also wenn sie Ware nach Großbritannien schicken, beim Zoll anmelden müssen. Bislang haben sie diese Ware nur auf den Lkw gelegt und mussten sich – vereinfacht gesagt – weiter um nichts kümmern. Wir wissen noch gar nicht, wie viele Firmen das betrifft . Und einige der Firmen wissen noch nicht, was auf sie zukommt.

Was ist mit Onlinekunden, die nach dem Brexit im Internet Ware aus Großbritannien bestellen? Inwieweit sind die betroffen?

Hercher: Die Käufer müssen künftig wie bei Bestellungen aus anderen Drittländern wie beispielsweise China die Einfuhrumsatzsteuer und evtl. Zoll abführen, sofern der Wert der Ware mehr als 22 Euro beträgt. Das geschieht bei uns in den Zollämtern. Auch das wissen viele Verbraucher nicht. Es handelt sich dabei um ein bereits jetzt auftretendes eCommerce-Phänomen, das bedauerlicherweise weit verbreitet ist. Es ist für den Besteller oft schwer nachzuvollziehen, woher die Ware kommt. Ich habe selbst schon Bestellungen abgebrochen, weil mich die lange Lieferzeit stutzig machte. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass die Ware nicht aus der EU kommt und man hinterher die Steuer selbst abführen muss.

Kann das nicht besser und transparenter geregelt werden?

Hercher: Es sind Gesetzesänderungen in Vorbereitung, die 2020/21 in Kraft treten. Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bis 22 Euro wird entfallen. Gleichzeitig wird dem Lieferanten die Möglichkeit eröffnet, die Einfuhrumsatzsteuer an Stelle des Kunden zu übernehmen. Wir hoffen, dass davon Gebrauch gemacht wird – ansonsten haben wir hinterher erheblich mehr Arbeit damit. Wir sind aber dabei, schlankere Verfahren zu entwickeln.

Wird es auch in der Zentrale in Bonn mehr Stellen geben?

Hercher: Wir planen hier in der Stadt mit 400 Stellen.

Fühlen Sie sich am Standort Bonn wohl? Oder besteht die Möglichkeit, dass der Zoll irgendwann nach Ostdeutschland geht, um dort die Wirtschaft zu stärken?

Hercher: Der Zoll ist in Bonn gut angesiedelt und wir fühlen uns hier sehr wohl. Allerdings werden wir noch weiter wachsen und sind derzeit recht beengt untergebracht. Deshalb denken wir über eine neue Unterbringung in Bonn nach. Gleichzeitig ist der Zoll schon heute in den neuen Ländern mit verschiedenen Dienststellen bereits gut vertreten. Selbstverständlich denken wir regelmäßig auch darüber nach, vielleicht einige Bereiche nach Ostdeutschland zu verlegen, aber gewiss keine aus Bonn. Mit der 2016 in Bonn eingerichteten Generalzolldirektion, dem Zollkriminalamt Köln und Dienststellen wie dem Hauptzollamt Köln sind wir im Raum Köln/Bonn gut aufgestellt und werden mit Sicherheit hier nicht weggehen.

Stichwort Schwarzarbeit. In welchen Branchen sind besonders viele schwarze Schafe?

Hercher: Bei der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit geht es uns besonders darum, große Fische zu schnappen, also Fälle organisierter Formen von Schwarzarbeit. Diese kommen überall da vor, wo große Summen umgesetzt werden. Die Kollegen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit haben da schon große Fälle organisierter Kriminalität beispielsweise im Baugewerbe aufgedeckt. Generell kann man sagen, dass Fälle von alltäglicher Schwarzarbeit vor allem in Branchen festzustellen sind, in denen das Personal schnell eingearbeitet und häufig gewechselt wird. Es geht also eher um gering qualifizierte Jobs.

Wie gehen Sie dann vor? Bekommen Sie Hinweise von außen?

Hercher: Ja, es gibt neben unseren eigenen Erkenntnissen auch Hinweise. Und das auch zu Recht, denn Betriebe, die legal arbeiten, fordern Kontrollen ein, weil sich Konkurrenten mit Schwarzarbeit ja einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ab und an zeigen wir mit Schwerpunktkontrollen Flagge.

Erwarten Sie, die Schwarzarbeit in den Griff zu bekommen?

Hercher: Man kann Schwarzarbeit mit Rauschgifthandel vergleichen. In beiden Bereichen sind große Gewinne zu erzielen, entsprechend groß ist der Reiz für Kriminelle. Die Schwarzarbeit austrocknen? Das können wir nicht. Dafür müssten auch alle Bürger mitspielen, indem sie selbst keine Schwarzarbeit ermöglichen, etwa im Haushalt oder auf ihren eigenen Baustellen. Es gibt beim Thema Schwarzarbeit auch eine Art gesellschaftliche Fahrlässigkeit.

Der berühmteste deutsche Zollbeamte ist Zollfahnder Zaluskowski aus der TV-Serie „Schwarz-Rot-Gold“. Leiden Sie darunter, dass der Zoll im Vergleich zur Polizei in der Öffentlichkeit kaum stattfindet?

Hercher: Ich persönlich leide deswegen nicht. Unsere Mitarbeiter aber manchmal schon. Wir arbeiten ja bei Kontrollen gerne und eng mit der Polizei zusammen. Aber wenn dann auf dem Fernsehbildschirm der Zollbeamte zu sehen ist, aber im Bericht von einem großen Fang der Polizei die Rede ist, dann habe ich am nächsten Tag mit Sicherheit Nachrichten von Kollegen auf dem Handy, die das nicht so toll finden.

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