Folgen für Mitarbeiter, Gaskunden und Aktionäre Uniper-Rettung kostet den Staat 30 Milliarden Euro

Düsseldorf · Uniper wird Staatskonzern: Der Staat übernimmt 99 Prozent an dem Düsseldorfer Konzern. Die Finnen erhalten acht Milliarden Euro vom Bund zurück. Die Gasumlage kommt trotzdem – weil die Verstaatlichung erst in drei Monaten greift. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Vorstand und Belegschaft sind erleichtert: Der Staat übernimmt den Düsseldorfer Gasversorger Uniper zu fast einhundert Prozent.

Vorstand und Belegschaft sind erleichtert: Der Staat übernimmt den Düsseldorfer Gasversorger Uniper zu fast einhundert Prozent.

Foto: dpa/Oliver Berg

Der Staat marschiert bei Uniper durch: Er übernimmt den taumelnden Düsseldorfer Gasversorger zu 99 Prozent. „Uniper wird dem deutschen Staat gehören“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwochmorgen. Der Bund werde 99 Prozent übernehmen. Uniper befinde sich in einer dramatischen Situation, seit Russland kein Gas mehr liefere, so Habeck. Die Übernahme kostet den deutschen Steuerzahler insgesamt 30 Milliarden Euro. Die Gasumlage soll trotzdem zum 1. Oktober eingeführt werden – als Brücke, bis die Verstaatlichung wirkt.

Wie erfolgt die Übernahme? Es wird ein e Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro geben, die neuen Aktien darf alleine der Bund zeichnen. Dadurch erhält er 93 Prozent der Anteile, wie Habeck vorrechnet. Zudem übernimmt der Bund alle Anteile des finnischen Großaktionärs Fortum, der 78 Prozent der bisherigen Anteile hält. Allerdings wird die Verstaatlichung erst in drei Monaten durchgeführt werden können, so der Minister weiter.

Was wird aus den Kleinaktionären? Sie bleiben vorerst Aktionäre, auch wenn ihr Anteil an Uniper durch den Staatseinstieg stark verwässert wird. Damit können sie auch von künftigen Gewinnen nur noch minimal profitieren. Die Bundesregierung plant für mindestens die nächsten neun Monate keinen Squeeze Out und muss auch kein Pflichtangebot vorlegen, wie Uniper deutlich machte. Denn die Bundesregierung mache Gebrauch von den Sonderregeln zur Sicherung der Energieversorgung, so Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach. Danach sei kein Pflichtangebot nötig.

Warum wird Fortum nicht stärker in die Pflicht genommen? „Fortum ist über einen enormen Verlust an Eigenkapital beteiligt“, sagte Habeck weiter. Die Finnen hätten einst acht Milliarden Euro bezahlt – „nun kauft der Staat sie für 480 Millionen Euro raus.“ Allerdings bekommt Fortum vom Bund weitere acht Milliarden Euro zurück, die der finnische Staatskonzern als Hilfen und Garantien an Uniper gegeben hatte. Fortum selbst erklärte: „Auch wenn der Verkauf unseres Anteils an Uniper ein schmerzhafter Schritt für das Unternehmen, unsere Mitarbeiter und Investoren sein wird: Fortum kann damit in die Zukunft blicken“, sagte Fortum-Chef Markus Rauramo. Schon zum dritten Quartal werden Uniper-Verluste nicht mehr in der Fortum-Bilanz auftauchen.

Wie teuer wird die Uniper-Rettung? Rund 30 Milliarden Euro. Uniper hat insgesamt 13 Milliarden an Kreditlinie von der Förderbank KfW erhalten, von denen das Unternehmen laut Habeck bereits elf Milliarden gezogen hat. Hinzu kommt nun die Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro, die Erstattung der Fortum-Hilfen von acht Milliarden Euro und die Übernahme des Fortum-Aktienpaketes für 480 Millionen Euro. Damit beläuft sich die Rechnung für den Steuerzahler auf 29,48 Milliarden Euro.

Woher kommt das Geld? Erst einmal muss alles die Förderbank KfW (ehemals Kreditanstalt für Wiederaufbau) zahlen. Sie leiht sich dafür frisches Geld am Kapitalmarkt, das der Bund im Rahmen eines so genannten Zuweisungsgeschäfts mit Garantien absichert. Die KfW gehört zu 80 Prozent dem Bund, zu 20 Prozent den Ländern. Die Haftung liegt am Ende also beim Steuerzahler.

Warum macht der Staat das? Uniper steht für 40 Prozent der deutschen Gasversorgung, wie der Minister noch einmal betonte. Bislang habe der Konzern 50 Prozent seines Gases aus Russland bezogen. Daher müsse der Staat handeln. Insgesamt habe Deutschland bislang die Krise ganz gut bewältigt, die Speicher seien zu über 90 Prozent gefüllt. Über 100 Stadtwerke hängen an Uniper, darunter auch viele im Rheinland.

Was wird aus der Gasumlage? „Die Gasumlage wird ab Oktober kommen“, sagte Habeck. Die Frage ist, wie lange sie bestehen bleibt. Die Umlage sei eine Brücke, bis die Verstaatlichung durchgeführt und weitere Fragen geklärt seien, so Habeck weiter. So müsse das Bundesfinanzministerium klären, ob es finanzverfassungsrechtlich möglich sei, die Umlage auch Staatskonzernen zukommen zu lassen. „Das ist eine sehr berechtigte Frage“, so Habeck. Kunden müssen damit ab Oktober 2,4 Cent je Kilowattstunde zahlen.

Was sagt Finanzminister Lindner zur Gasumlage? FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner widersprach am Mittwoch der Darstellung des Wirtschaftsministers. Es gebe keine rechtlichen Bedenken gegen die Einführung der Gasumlage in seinem Haus, auch wenn Uniper jetzt verstaatlicht werde, so Lindner. Dies sei in Anwesenheit von Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) am vergangenen Freitag in einer Ministerrunde einhellig festgestellt worden, hieß es ergänzend in Regierungskreisen. Sollte der Wirtschaftsminister nach einer Übergangszeit eine anderes Konzept als die jetzige Gasumlage anstreben, sei man dafür offen. Offen blieb allerdings, ob im Finanzministerium auch dann keine rechtlichen Bedenken gegen die Gasumlage erhoben werden, wenn die Einnahmen daraus nach der vollzogenen Verstaatlichung weiter an Uniper fließen, also ab Januar.

Welche Motive haben das Grünen-geführte Wirtschaftsministerium und das FDP-geführte Finanzministerium? Lindner möchte sein Ziel, 2023 die Schuldenbremse einzuhalten, wegen der Turbulenzen auf dem Gasmarkt nicht aufgeben. Habeck dagegen fürchtet die Reaktion der Bürger, die nicht verstehen könnten, dass sie die Gasumlage bezahlen sollen, obwohl der Staat bei Uniper und möglicherweise anderen großen Gasversorgern einsteigt. Um zu verhindern, dass Gaskunden sehr hohe Preise bezahlen müssen, wäre für Habeck eine aus dem Bundeshaushalt finanzierte Gaspreisbremse die einfachste Lösung. Das aber lehnt Lindner strikt ab. In Regierungskreisen wurde zur Begründung auch darauf verwiesen, dass es sich bei der Gasumlage um einen Solidarbeitrag aller Gaskunden untereinander handele. Dafür die Steuerzahler heranzuziehen wäre ungerecht, da nicht alle Steuerzahler auch Gaskunden seien.

Müssen nun auch Ferngas- und Festpreiskunden die Umlage zahlen? Ja, auch sie sollen die Gasumlage zahlen. Habeck kündigte an, dass nun eine entsprechende Kabinettvorlage an die anderen Ressorts gehe, in der diese Fragen geklärt worden seien. Bislang war es nicht möglich, auch diese Gaskunden an solchen Umlagen zu beteiligen. In der Vorlage soll auch ein Weg gefunden worden sein, um „Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen“, so Habeck. Es haben auch Unternehmen die Umlage beantragt, die sie laut Einschätzung der Politik gar nicht brauchen.

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