Interview mit Frank Werneke Künftiger Verdi-Chef sieht Herausforderungen in Digitalisierung

Am heutigen Dienstag wählt der Verdi-Bundeskongress in Leipzig den Ostwestfalen Frank Werneke zum neuen Bundesvorsitzenden. Mit ihm sprach Maximilian Plück.

Frank Werneke bei der Eröffnung des Verdi-Bundeskongresses 2018.

Frank Werneke bei der Eröffnung des Verdi-Bundeskongresses 2018.

Foto: dpa/Sebastian Willnow

Herr Werneke, Ihr langjähriger Verhandlungspartner Kajo Döhring hat mal über Sie gesagt: "Wenn es in der Situation angemessen ist, dann kann der Frank auch Emotion, dann gibt er die Rampensau und reißt ein größeres Publikum mit." Wie viel Rampensau steckt in Ihnen?

Frank Werneke (lacht): Diesen Begriff mache ich mir nicht zu eigen. Ich finde es schon seltsam, wie sich die Wahrnehmung meiner Person gerade ändert. Oft werde ich ja als der nüchterne, technokratische Finanzer von Verdi dargestellt. Ich hatte jüngst aber ein paar Auftritte bei Demonstrationen, bei denen auch Pressevertreter dabei waren. Die haben dann ein anderes Bild von mir gezeichnet.

Also doch Rampensau?

Werneke: In der Funktion als Vize einer Gewerkschaft muss man sich in verschiedenen Rollen bewähren. Ich bin seit Jahren auch der Finanzchef von Verdi. Natürlich ist meine Tonlage beim Vortragen von Haushaltsdaten eine andere als bei einer Rede zum 1. Mai.

Ihr Vorgänger Frank Bsirske hat auf einer Veranstaltung mal den Doppelstinkefinger gezeigt. Könnte Ihnen das auch passieren?

Werneke: Ich kann nicht ausschließen, dass es in einer aufgeregten politischen Situation zu einer Gestik kommt, die nur bedingt fotogen ist. Geplant würde ich das aber nicht machen.

Beschreiben Sie mal Ihre präferierte Konfliktlösungsstrategie.

Werneke: Kommt auf die Situation an. Ich bin ein ganz guter Zuhörer und kann auch erst einmal abwartend die Lage sondieren. In Tarifverhandlungen gibt es manchmal aufgepeitschte Momente, in denen es auch laut wird. Ich bin dann immer ganz gut damit gefahren, mir das in Ruhe anzuschauen, zu überlegen und dann zu reagieren.

Können Sie gar nicht laut werden?

Werneke: Ich kann mir auch ohne Mikrofon in einem Saal Gehör verschaffen, aber das Cholerische liegt mir nicht. Wenn notwendig, kann ich aber sehr deutlich werden.

Die Digitalisierung wird viele Jobs überflüssig machen. Wie groß ist die Alarmstimmung?

Werneke: Die Herausforderungen sind ohne Zweifel immens. Insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz birgt erhebliches Rationalisierungspotenzial. Bereits jetzt stellen wir in einigen Bereichen einen Wegfall von Arbeitsplätzen fest, zum Beispiel bei der Telekom oder bei Versicherungen. Auch im Handel gibt es solche Risiken durch den Einsatz von Selbstbezahlsystemen. Deshalb müssen Antworten für die Beschäftigten gefunden werden.

Wie?

Werneke: Unser Anspruch ist es, betriebsbedingte Kündigungen durch den Einsatz neuer Technologien auf jeden Fall auszuschließen. Und dafür auch tarifvertragliche Lösungen zu finden. Das schließt Arbeitszeitverkürzung als Instrument, Beschäftigung zu sichern, ausdrücklich mit ein. Beispiel Häfen: Containerkräne können von vollautomatisierten Systemen gelöscht werden, die sich problemlos auch von Singapur aus steuern lassen. Wir haben jetzt im Interesse der Beschäftigten ausgehandelt, dass diese Tätigkeit auch weiterhin vom deutschen Standort aus erfolgen muss.

Deutschland diskutiert derzeit heftig über die Wohnraumproblematik. Wo sehen Sie Lösungsansätze?

Werneke: Erst einmal würde ich Spekulationen mit unbebautem Land durch eine effektivere Besteuerung unattraktiver machen. Es kann doch nicht sein, dass in den Metropolen Bauland dreimal hin- und herverkauft wird, sich Investoren die Taschen vollmachen und der Staat schulterzuckend zuschaut.

Brauchen wir deutschlandweit einen Mietendeckel wie in Berlin?

Werneke: Zumindest da, wo die Mietpreisentwicklung aus dem Ruder läuft. Wichtigster Schritt ist jetzt, deutlich mehr Wohnraum zu schaffen. Und zwar genossenschaftlichen oder öffentlichen, auch um die Marktmacht der privaten Wohnungskonzerne zu begrenzen.

Sollte man Wohnungskonzerne enteignen, wie es die Grünen fordern?

Werneke: Das will ich nicht ausschließen, ist aber nicht der erste und wesentliche Schritt. Das wäre vermutlich ziemlich teuer und würde erst mal auch keinen neuen Wohnraum schaffen. Aber die Marktmacht der Konzerne ist schon eine bedenkliche Fehlentwicklung.

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