Ertragreiche Zweier-Beziehung Wie zwei Frauen in Bonn das Mentoring-Programm erleben

Bonn · Josefine Lange unterstützt Claudia Stegmann im Rahmen eines Mentoring-Programms für Frauen. Dabei können die Partnerinnen eines Tandems auch aus verschiedenen Branchen stammen.

 Eine Geschichte vom Gießen, Wachsen und Gedeihen: Mentorin Josefine Lange und ihr Mentee Claudia Stegmann setzen ihr Verhältnis zueinander für den Fotografen in Szene.

Eine Geschichte vom Gießen, Wachsen und Gedeihen: Mentorin Josefine Lange und ihr Mentee Claudia Stegmann setzen ihr Verhältnis zueinander für den Fotografen in Szene.

Foto: Benjamin Westhoff

Das Sinnbild ihrer Beziehung haben Josefine Lange und Claudia Stegmann mit zum Termin gebracht: eine hellblaue Gießkanne, die Lange fürs Foto bei einem Nachbarkind ausgeliehen hat, und eine blühende Topfpflanze. Für die 61-jährige frühere Abteilungsleiterin in der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die 39-jährige Hotelfachfrau aus dem Hotel Bonn City ist ihr Mentorat eine ertragreiche Zweier-Beziehung. Eine, in der es darum geht, etwas zu gießen, zu pflegen und zum Blühen zu bringen. Eine Erfolgsgeschichte, die auch noch Spaß macht, wie die Frauen finden. Und für bei Seiten ein Gewinn.

Als Josefine Lange sich 2016 auf einen GA-Artikel hin beim Kompetenzzentrum für Frau und Beruf Bonn/Rhein-Sieg gemeldet hat, war die Idee der Personalentwicklung in einem Tandem aus erfahrenem älteren Kollegen und einer Nachwuchskraft für sie kein Neuland mehr. „Ich hatte schon Erfahrungen bei unserem firmeninternen Mentoring gesammelt“, erzählt sie. „Außerdem hatte ich meine Vorruhestand vor Augen, hatte Energie und Kapazitäten frei.“

Keine Selbstverständlichkeit: Frauenförderung

Da kam ihr das „Mentoring4Women“ gerade recht. Denn das Bankgewerbe, eine ziemliche Männerdomäne, hatte ihr gezeigt, dass Frauenförderung keine Selbstverständlichkeit ist. Dass ihr Förderung anderer und Wissensweitergabe auch langfristig ein Herzensanliegen sind, stellt sie dadurch unter Beweis, dass sie sich inzwischen als Mediatorin und Konfliktcoach selbstständig gemacht hat.

Bei Claudia Stegmann, heute Back -und Front-Office-Managerin, kam der Impuls von ihrer Chefin, die mit der Idee auf sie zugekommen ist. „Für mich war das eine tolle Motivation und vor allem auch eine Bestätigung, dass sie mich überhaupt als Führungskraft sieht“, erinnert sich Stegmann, die vom Büro ins Hotelfach gewechselt ist, weil sie „die Vielfalt“ interessierte. Und die Chefin, die selbst auf Mentoring-Erfahrung zurückblicken konnte, habe ihr schon in den Vorgesprächen klar gemacht: „Das ist was fürs Leben.“

Und wer Lange und Stegmann heute, im Jahr drei nach ihrem Start als Mentoring-Tandem erlebt, sieht eine Partnerschaft, die das offizielle Programm längst überdauert hat. „Das kann so sein, muss aber nicht“, sagt Filiz Karsligil, Ansprechpartnerin für das Programm, das beim Kompetenzzentrum Frau und Beruf und damit bei der Wirtschaftsförderung angesiedelt ist.

Von Anfang an sehr offen miteinander

Aber hübsch der Reihe nach. „Ich fand Frau Lange beim ersten Kennenlernen sehr streng ­– eben wie eine richtige Bankdirektorin“, erinnert sich Stegmann heute lachend. Aber auch sie hat anscheinend ihrer Mentorin nichts geschenkt. „Wir waren von Anfang an sehr offen miteinander“, erzählt Lange. „Aber sie hat mich auch sehr gefordert, vor allem aber auch nie ausgebremst.“

Wer nun glaubt, die Frauen hätten sich zu Plauderstündchen zusammengefunden, nur weil die meisten Treffen zwischen Mentorin und Mentee im Café, also „auf neutralem Boden“, stattgefunden haben, irrt gewaltig. Es gab Hausaufgaben, Rollenspiele und jede Menge Hürden, die gemeinsam bewältigt werden wollten. „Für mich waren große Veranstaltungen immer ein problematisches Thema, obwohl ich gar nicht so ein introvertierter Mensch bin“, beschreibt Claudia Stegmann eines der gemeinsamen Entwicklungsthemen.

Frau allein unter Unbekannten

Eine große Veranstaltung beim Tourismusportal Booking.com, bei dem sie ihren Arbeitgeber vertreten musste, suchte das Tandem als Feuertaufe aus und probte im Vorfeld bis in Detail, wie Kontakte zu knüpfen sind, wenn frau allein unter Unbekannten ist. Gefruchtet hat folgendes Rezept: sich dem Veranstalter vorzustellen, der eingeladen hatte, und ihn zu bitten, einen mit anderen Teilnehmern bekannt zu machen. Das Eis war gebrochen, die Veranstaltung ein Erfolg für Stegmann, aber auch für ihr Hotel.

Sehr viel Mut nötig

Konkrete Fragen aus der Praxis zu diskutieren, Wege aufzuzeigen, wie damit umzugehen ist – „diese Vorgehensweise hat unsere Zusammenarbeit geprägt“, fasst Lange zusammen. Doch was so einfach und so pragmatisch klingt, wie die Persönlichkeit der beiden Frauen, braucht doch ein paar Voraussetzungen. „Ein Mentee braucht sehr viel Mut“, findet Lange. Schließlich gehe es darum, ehrlich zu sich selbst zu sein, seine Fehler zu erkennen und zu benennen.

„Nur dann kann der Wunsch wahr werden, etwas Bedarfsgerechtes mitgeben zu können.“ Für die erfahrene Führungsfrau steht fest, wer beim Mentoring die Führungsrolle innehat: „Die Mentee bestimmt, was besprochen wird und wie tief es geht.“

Eine Rolle, die anfangs nicht leicht auszufüllen war. „Es war anfangs für uns alle sehr komisch, dass wir kein Ziel gesetzt bekamen“, erinnert sich Stegmann an den Austausch mit den anderen Mentees, der ebenso zum Programm „Mentoring4Women“ gehört, wie Workshops, Seminare und Abende mit allen Tandems.

Auspressen wie eine Zitrone

Statt dessen gehe es darum, sich selbst Ziele zu setzen, diese aber auch wenn nötig im Laufe der Zeit zu verändern und anzupassen. „Und man muss die Zeit nutzen, die Mentorin auszupressen wie eine Zitrone“, sagt Claudia Stegmann und grinst Josefine Lange an.

Spätestens an der Stelle wird klar, warum es kein Problem darstellt, wenn die Partnerinnen eines Tandems aus verschiedenen Branchen stammen. „Fachlich kann ich Frau Stegmann gar nichts sagen. Aber es geht auch viel mehr um Selbstreflexion, persönliche Fähigkeiten und Kompetenzen“, berichtet Lange. Zwei bis drei Stunden haben sich die Frauen alle vier bis sechs Wochen für ihre Gespräche Zeit genommen, natürlich gut vorbereitet, damit es „keine vertane Zeit“ ist. „Und wir tun es noch“, sagt Stegmann.

Ein Stück weit Freundschaft

„Da ist auch ein Stück weit Freundschaft entstanden.“ Auf jeden Fall eine Beziehung auf Augenhöhe, mit Wertschätzung und Respekt, das ist beiden sehr wichtig. Wer ihnen zuhört, bekommt selbst Lust dabei zu sein. Mit der Gießkanne in der Hand oder als blühende Pflanze. Und vielleicht lässt sich das auch gar nicht so genau trennen.

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