Rezession in Deutschland Wirtschaftsleistung geht erneut zurück
Wiesbaden/Frankfurt · Das Bruttoinlandsprodukt ist wieder gesunken – um 0,3 Prozent. Experten rechnen nicht mit einer Besserung im Jahresverlauf.
Seit Donnerstag ist die Rezession wieder ein zentrales Thema in Deutschland. Denn das Statistische Bundesamt hat seine erste Schätzung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für den Jahresbeginn nach unten korrigiert – und das nicht zu knapp: Einen Rückgang der Wirtschaft um 0,3 Prozent haben die Statistiker in Wiesbaden nun im Detail errechnet. In ihrer ersten Schätzung waren sie noch von einem Wachstumsstillstand ausgegangen.
Da das BIP bereits im vorausgehenden vergangenen Quartal des Jahres 2023 um 0,5 Prozent geschrumpft war, ist die Definition einer Rezession gegeben – technisch zumindest. Denn Ökonomen sprechen von einer Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgeht. „Aus konjunktureller Perspektive wird es ein mühsamer Sommer werden“, sagte Holger Bahr unserer Redaktion. Er ist Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung der Dekabank. „Und es ist unangenehm genug, dass man angesichts zweier rückläufiger Quartale im Rückspiegel von einer milden Rezession in Deutschland sprechen muss“.
Privater Konsum fällt schwach aus
Schwach ausgefallen ist vor allem der private Konsum. Dieser ging den Statistikern zufolge um 1,2 Prozent zurück. Dabei zeige sich die Zurückhaltung in verschiedenen Bereichen. „Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die privaten Haushalte weniger aus als im Vorquartal“, so die Statistiker. Zudem wurden weniger neue Pkw von Privatleuten gekauft. Das dürfte unter anderem am Wegfall der Prämien für Plug-in-Hybride und an der Reduzierung der Prämien für Elektroautos zum Jahresbeginn 2023 liegen.
Allerdings liegt dem schwindenden Konsum ein tieferes Problem zugrunde: die nach wie vor hohe Inflation. „Die massiv gestiegenen Energiepreise haben im Winterhalbjahr ihren Tribut gefordert“, stellt Jörg Krämer fest, Chefvolkswirt der Commerzbank. Denn die Löhne halten nicht mit der hohen Inflation mit, was zu Kaufkraftverlusten führt.
Zwar schaffen es Gewerkschaften in den meisten Branchen, in Tarifverhandlungen deutlich höhere Löhne durchzusetzen. Allerdings verteilen sich die Steigerungen in der Regel auf zwei Jahre und vollziehen sich in Stufen. Das bedeutet bei anhaltend hoher Inflation weiter einen Rückgang der Reallöhne. Deutlich nachgelassen haben zu Jahresbeginn aber auch die staatlichen Konsumausgaben – sie fielen um knapp fünf Prozent im Vergleich zum Vorquartal.
Positive Impulse kamen zu Jahresbeginn dagegen von den Investitionen. Sie verzeichneten einen Anstieg um knapp vier Prozent, allen voran aus der Baubranche. „Düster sieht es für das zweite Halbjahr aus“, prognostiziert daher der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. „Dann sind die Nachholeffekte in der Industrie aufgezehrt. Einen Ausgleich für den zu erwartenden fortgesetzt schwachen privaten Konsum und die angeschlagene Bauwirtschaft gibt es damit nicht mehr.“ Daher werde sich der Schrumpfkurs der deutschen Wirtschaft fortsetzen.
In diese Richtung weist auch das Ifo-Geschäftsklima. Der wichtigste Konjunkturindikator hierzulande ist in dieser Woche zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder gefallen: „Alles in allem sind die Konjunkturrisiken in den zurückliegenden Monaten deutlich gestiegen“, meint daher Volkswirt Jörg Krämer. „Wir halten eine technische Rezession in der zweiten Jahreshälfte für wahrscheinlicher als eine konjunkturelle Erholung, die die meisten Volkswirte noch immer erwarten“.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Stimmung in der deutschen Exportindustrie laut einer Umfrage des Ifo-Instituts auf den niedrigsten Wert seit November 2022 gefallen ist: „Die weltweiten Zinserhöhungen schlagen langsam auf die Nachfrage durch“, erklärte Klaus Wohlrabe, Konjunkturexperte und Leiter der Ifo-Umfragen. Mit steigenden Zinsen versuchen Notenbanken wie die Europäische Zentralbank, die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Am Mittwoch hatte Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), anlässlich der Feier zum 25-jährigen Bestehen der Notenbank angekündigt, diesen Kurs fortsetzen zu wollen. Denn es sei vorrangige Aufgabe der Notenbank, das Inflationsziel von zwei Prozent und damit Preisstabilität zeitnah zu erreichen. „Und diese Aufgabe werden wir erfüllen“, so die Französin.
Auf die aktuellen Nachrichten und Daten haben Anleger an der Börse in Frankfurt mit Zurückhaltung reagiert. Von dem in der Vorwoche erreichten Jahreshoch hat sich der Dax nach unten entfernt und notiert deutlich unter 16.000 Punkten.