Neue Therapie gegen die schwere Autoimmunerkrankung Hoffnung auf Heilung bei Lupus

Erlangen · Der Erfolg einer gegen Krebs entwickelten Therapie gegen die schwere Autoimmunerkrankung „Lupus erythematodes“ verblüfft die Fachwelt. Führt die Behandlung zu einem „Neustart“ des Immunsystems?

    Bei der CAR-T-Zellen-Therapie  sollen speziell veränderte T-Zellen (blau) des Immunsystems Tumorzellen gezielt vernichten. Jetzt zeigte sich überraschenderweise, dass diese Therapie auch gegen die Autoimmunerkrankung „Lupus erythematodes“ (SLE) wirkt.

Bei der CAR-T-Zellen-Therapie sollen speziell veränderte T-Zellen (blau) des Immunsystems Tumorzellen gezielt vernichten. Jetzt zeigte sich überraschenderweise, dass diese Therapie auch gegen die Autoimmunerkrankung „Lupus erythematodes“ (SLE) wirkt.

Foto: Design Cells - stock.adobe.com/Adobe Stock

Der Erfolg lässt die Fachwelt staunen: Bei der als nicht heilbar geltenden schweren Autoimmunerkrankung „Lupus erythematodes“ könnte eine ursprünglich gegen Krebs entwickelte Therapie zu weitgehender Symptomfreiheit führen. Bislang wurde das Verfahren nur an einer Handvoll Menschen am Uniklinikum Erlangen getestet. Aber: „Die Daten sind so eindeutig, dass ich erwarte, dass sie in größeren Studien reproduziert werden“, sagt der Immunologe Falk Hiepe von der Berliner Charité. Die Mediziner aus Erlangen wollen die Behandlung nun auch bei anderen schweren Autoimmunerkrankungen prüfen.

Im Fachblatt Nature Medicine beschreibt das Team um Georg Schett den Einsatz der „CAR-T-Zell-Therapie“ bei Menschen mit schwerem Lupus erythematodes: Sie seien seither weitgehend symptomfrei, seit fünf bis 20 Monaten. Schwere Nebenwirkungen, die bei diesem Verfahren in der Krebstherapie auftreten können, beobachtete die Gruppe nicht.

Therapieansatz könnte möglicherweise auch bei Multiple Sklerose helfen

Noch ist unklar, ob der Erfolg bei den fünf Behandelten von Dauer ist und sich auf andere Patient(inn)en übertragen lässt. Dennoch: „Es ist überraschend, dass wir einen so durchgreifenden Erfolg sehen“, sagt der Rheumatologe Martin Aringer (Uniklinik Dresden). Möglicherweise könnte der Ansatz auch gegen andere Autoimmunerkrankungen helfen, etwa Multiple Sklerose.

CAR-T-Zell-Therapie wird in der Krebsmedizin eingesetzt

Die CAR-T-Zell-Therapie wird seit wenigen Jahren in der Krebsmedizin eingesetzt. Einem Patienten wird Blut entnommen. Ein Teil der weißen Blutkörperchen, die T-Zellen des Immunsystems, werden dann gentechnisch so verändert, dass sie auf ihrer Oberfläche den sogenannten Chimären Antigen-Rezeptor (CAR) tragen. Per Transfusion bekommen die Patienten dann diese CAR-T-Zellen zurück. Sie sollen im Körper mit Hilfe des Rezeptors Krebszellen aufspüren und eliminieren. Allerdings gibt es einen gravierenden Nachteil: Es kann zu neurologischen Komplikationen kommen, aber auch zu äußerst heftigen Entzündungsreaktionen, sogenannten Zytokinstürmen. Sie sind eine drastische Überreaktion des Immunsystems.

Das Team um Schett berichtet nun vom ersten Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie bei Menschen jenseits der Krebsmedizin. Dabei geht es um systemischen Lupus erythematodes (SLE). Diese rheumatische Erkrankung, die schubweise verläuft, betrifft überwiegend Frauen, wird meist im Alter von 15 bis 30 Jahren diagnostiziert, ist bislang nicht heilbar und kann von milden bis hin zu lebensbedrohlichen Formen reichen. Dabei können von B-Zellen des Immunsystems gebildete Antikörper ein großes Spektrum von Symptomen verursachen: von charakteristischer Röte auf den Wangen – dem „Schmetterlingserythem“ –, über bleierne Müdigkeit und Gelenkbeschwerden bis zu Schäden am Nervensystem und inneren Organen.

Bisherige Therapien hängen vom individuellen Verlauf ab

Die bisherigen Therapien hängen vom individuellen Verlauf ab und umfassen – je nach Schwere der Erkrankung – eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente: etwa Malaria-Mittel, Entzündungshemmer, Immunsuppressiva oder verschiedene Antikörper. Die nun behandelten vier Frauen und ein Mann im Alter von 18 bis 24 Jahren hatten lebensbedrohliche Formen der Erkrankung, unter denen Nieren, Herz, Lungen und Gelenke litten. Weil keine Behandlung mehr anschlug, kamen sie für den Heilversuch mit der Immuntherapie infrage. Ihre T-Zellen wurden so verändert, dass sie den Rezeptor CD19, den speziell B-Zellen auf ihrer Oberfläche tragen, erkennen und diese Zellen eliminieren: Denn die B-Zellen sind bei SLE hauptverantwortlich für die Bildung jener Antikörper, die die Probleme verursachen.

Anschließend bekamen die Teilnehmerinnen und der Teilnehmer pro Kilogramm Körpergewicht eine Million dieser CAR-T-Zellen verabreicht. Diese breiteten sich bis zum Tag 9 nach der Infusion im Körper so weit aus, dass sie 11 bis 59 Prozent aller zirkulierenden T-Zellen stellten. Ab dem dritten Monat trat bei den Behandelten eine deutliche Besserung ein. Besonders wichtig: Die Teilnehmenden blieben auch dann noch beschwerdefrei, als nach durchschnittlich etwa 100 Tagen wieder B-Zellen auftauchten. Das spreche dafür, dass diese neugebildeten B-Zellen „harmlos“ seien und keine Autoimmun-Reaktionen mehr hervorriefen, sagt Schett. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass das tatsächlich funktioniert.“

Generell hätten die Patientinnen und der Patient die Behandlung gut vertragen; drei der fünf hatten zwei bis drei Tage Fieber. Anscheinend wird die Therapie bei Lupus wesentlich besser vertragen als bei Krebserkrankungen. „Diese Daten deuten darauf hin, dass der Transfer von CD19-CAR-T-Zellen machbar, verträglich und hocheffektiv ist“, schreiben die Mediziner. Angesichts der kleinen Teilnehmerzahl sei jedoch unklar, ob bestimmte Patienten für die Therapie besonders geeignet seien.

Noch könne man nicht sicher sagen, ob die zugrundeliegende Immunstörung behoben sei, man also von Heilung sprechen kann. Dafür gebe es aber Hinweise. „Der lange krankheitsfreie Zustand, der bei den ersten beiden Patienten trotz Rückkehr von B-Zellen beobachtet wurde, der dauerhaft fehlende Bedarf für eine Immunsuppression, das Ausbleiben jeglicher SLE-Schübe und die Wiederbesiedlung mit harmlosen B-Zellen stützen die Idee, dass nach einer CAR-T-Zell-Therapie ein Neustart des Immunsystems erfolgen kann.“

Aufwendiges Verfahren und hohe Kosten

Der Dresdner Experte Aringer geht davon aus, dass der Therapieerfolg andauern wird. „20 Monate sind bei dieser Erkrankung schon ein sehr langer Zeitraum“, sagt der Internist, der dem Vorstand der Lupus-erythematodes-Selbsthilfegemeinschaft angehört. „Die Daten sind eindrucksvoll, und die Patientinnen und der Patient haben ohne jeden Zweifel davon profitiert.“

Angesichts des aufwendigen Verfahrens und der damit verbundenen Kosten geht Aringer zwar nicht davon aus, dass das Verfahren zu einer Routinetherapie wird. „Aber bei schwerkranken Menschen wird man künftig daran denken.“

Team will die Behandlung 2023 in einer größeren Studie prüfen

Thomas Dörner von der Berliner Charité ist „sehr enthusiastisch“, gibt aber zu bedenken, dass die fünf Behandelten noch sehr jung waren. „Bei älteren SLE-Patienten, die häufig Cortisonbehandlungen erhalten haben, kann man die irreversiblen Folgen der Entzündung nicht so zurückdrängen.“ Das Team um Schett will die Behandlung ab Anfang des kommenden Jahres in einer größeren Studie prüfen: Daran teilnehmen können laut Schett nicht nur Menschen mit Lupus erythematodes, sondern auch solche mit zwei weiteren schweren Autoimmunerkrankungen: der Muskelerkrankung Myositis sowie der systemischen Sklerose, auch Sklerodermie genannt. Grundsätzlich, so Schett, käme die CAR-T-Zell-Therapie für alle Autoimmunerkrankungen infrage, bei denen B-Zellen eine entscheidende Rolle spielen. Dazu zählten auch Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis oder blasenbildende Hauterkrankungen.

Ob und wann das Verfahren auf den Markt kommt, ist unklar. Zulassungsstudien, sagt Schett, müssten von Pharmafirmen durchgeführt werden. Welchen Preis diese im Falle einer Markteinführung verlangen dürften, ist ebenfalls offen. In der Krebsmedizin kostet die einmalig verabreichte CAR-T-Zell-Therapie etwa 250.000 bis 300.000 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort