Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 20 Jahre Fachbereich Informatik

Sankt Augustin · Der Fachbereich Informatik der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg feiert 20. Geburtstag. Präsident Hartmut Ihne spricht in Bezug auf den technischen Fortschritt von einem "Zivilisationsbruch".

 „Wir befinden uns in einem Zivilisationsbruch“, sagt Hartmut Ihne, Präsident der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

„Wir befinden uns in einem Zivilisationsbruch“, sagt Hartmut Ihne, Präsident der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Foto: Eva Tritschler

„Es gibt kein offline mehr“, sagt Hartmut Ihne, Präsident der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) und zitiert damit die Blogger Markus Beckedahl und Falk Lüke. Ihne steht auf der Bühne des Audimax auf dem Hochschulcampus Sankt Augustin vor rund 100 Professoren, Alumni und Studierenden des Fachbereichs Informatik.

Es ist ein dunkler Freitagnachmittag, die meisten Studenten und Mitarbeiter haben sich längst ins Wochenende verabschiedet. Nur die Informatiker sind geblieben, um gemeinsam das 20-jährige Jubiläum ihrer Disziplin an der H-BRS zu feiern. Die Runde erinnert sich an die Vergangenheit, doch blickt auch in die Zukunft.

Denn dort lägen große Herausforderungen, sagt Ihne, der die Eröffnungsrede der Veranstaltung hält. „Wir befinden uns in einem Zivilisationswandel, ja gar einem Zivilisationsbruch, und dieser Prozess hat gerade erst begonnen. Der technische Fortschritt der nächsten Jahre wird alles radikal verändern: unsere Kultur, unsere Berufe, unseren ganzen Alltag.“ Einen neuen digitalen Kontinent, nennt Ihne das. Es sei die Aufgabe von Informatikern, diesen auszugestalten.

"Neue Welt" muss geformt werden

Damit ist nicht etwa nur der Code hinter Webseiten, Robotern oder selbstfahrenden Autos gemeint. Auch rechtlich, politisch und gesellschaftlich müsse die „Neue Welt“, die zurzeit einem digitalen Wilden Westen gleiche, geformt werden. Die Informatik berühre all diese Lebensbereiche. Schon bei der Gründung des Fachbereichs sei es schwierig gewesen, das Fach in eine der wissenschaftlichen Kategorien einzusortieren: Handelt es sich um eine Ingenieurswissenschaft? Oder um Mathematik? Oder doch um eine Geistes-, vielleicht gar eine Naturwissenschaft?

20 Jahre und fast 2100 Absolventen später hat Ihne die Antwort noch nicht gefunden. Der Fachbereich ist in der Zwischenzeit von 30 auf rund 2000 Studierende angewachsen; mittlerweile umfasst er vier Studiengänge und Dutzende Forschungsprojekte. Für Ihne steht fest: Die Informatik ist eine Leitwissenschaft. Auch deshalb wünscht er sich, bevor er das Mikrofon an seine Nachredner übergibt, vor allem eins für die Zukunft des Fachbereichs: Dass er sich nicht in akademischer Selbstbezogenheit verlieren, sondern sich forschungsorientiert den Herausforderungen der Wirklichkeit stellen möge. Die Anwesenden quittieren das mit zustimmendem Beifall.

So auch Oliver Herms, der anschließend die Bühne betritt. Vor zwei Jahren hat er seinen Abschluss an der H-BRS gemacht, heute arbeitet er für Google in Irland. Herms – Anfang 30, Vollbart, Karohemd und Hipster-Brille – erfüllt jedes Klischee, das man von einem Techniker bei Google erwarten kann. Spricht er von dem Unternehmen, sagt er „wir“; es fallen vielzitierte Silicon-Valley-Phrasen à la „Hoffnung ist keine Strategie“.

Zukunft des Fachbereichs gesichert

In seinem Vortrag erklärt Herms seine Aufgaben bei Google – natürlich auf Englisch. Es geht darum, wie digitale Produkte vor Ausfällen und Fehlern geschützt werden können. „Wir spielen zum Beispiel regelmäßig sogenannte Disaster Games“, sagt Herms. „Das bedeutet, dass wir absichtlich etwas kaputt machen – einen Teil der Software, ein Kabel, einen Router – und dann versuchen, den dadurch entstehenden Schaden zu begrenzen.“ Die Arbeit folge letztlich Murphy’s Gesetz: „Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen.“ Darauf müsse man vorbereitet sein.

Das klingt zwar wenig erbaulich, dürfte die Anwesenden aber doch freuen. Schließlich bedeutet es, dass der Bedarf an talentierten Informatikern nur wachsen kann. Die Zukunft des Fachbereichs dürfte für mindestens 20 weitere Jahre gesichert sein.

Hört man Herms zu, so gewinnt man den Eindruck, dass Programmierer längst zur wichtigsten Berufsgruppe innerhalb vieler Unternehmen aufgestiegen sind. Im Audimax der H-BRS überrascht das niemanden. Jeder hier kennt die tragische Wahrheit, die Herms ohne mit der Wimper zu zucken in einer seiner Phrasen formuliert: „Software ist besser als Menschen.“

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