Seit 1979 40 Jahre Epileptologie an der Uniklinik Bonn

Bonn · Die 1979 gegründete Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Der Direktor Professor Rainer Surges will das Angebot erweitern

 Professor Rainer Surges, Direktor der Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn.

Professor Rainer Surges, Direktor der Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn.

Foto: K. Wislsperger

Heft 40 des Deutschen Ärzteblatts vom 2. Oktober 1980 zeigt auf dem Titelbild die Technik eines Fernsehstudios der 1960er Jahre; aufgenommen im Nervenzentrum  des Universitätsklinikums Bonn. Die dort mögliche „Simultane Doppelbildaufzeichnung“ (SDA), bei der die Bilder einer 2-Zoll-Magnetaufzeichnungsmaschine und eines 1-Zoll-Zeitlupenrekorders mit den Kurven des Elektroenzephalogramms (EEG) synchronisiert wurden, war seinerzeit richtungsweisend und gab somit den Ausschlag, im Herbst 1979 den ersten Lehrstuhl für Epileptologie in Europa auf dem Venusberg einzurichten. Seitdem haben sich Ursachenforschung, Diagnostik und Therapie der Epilepsie stetig weiterentwickelt. Auch die SDA ist „erwachsen“ geworden und das Video-EEG-Monitoring heute ein unverzichtbares Untersuchungsinstrument.

Wenn die Klinik für Epileptologie nun für den 30. November zum ersten Otto-Löwenstein-Symposium in den Bonner Universitätsclub einlädt, ehrt sie damit auch einen Bonner Neuropsychiater, der bis 1933 an der Rheinischen Landesklinik wirkte, als Miterfinder des Monitorings gilt und sich für die Erforschung einer Krankheit einsetzte, die lange unter dem Namen „Morbus Sacer“ („Heilige Krankheit“) bekannt war und als solche sogar  noch auf dem Cover des Ärzteblattes von 1980 geführt wird.

Gastgeber des Symposiums ist Professor Rainer Surges, der die Klinik für Epileptologie seit April 2019 leitet und beim Dies academicus am 4. Dezember seine Antrittsvorlesung halten wird. In seiner Zeit als Leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Bonn hat er sich auf die Diagnostik zur Epilepsiechirurgie spezialisiert, die auch besondere Möglichkeiten für die Bonner Hirnforschung bietet. Am Institute of Neurology, Queen Square, des University College London begann er mit der klinischen Forschung, die den Grundstein für die Entwicklung mobiler Systeme zur Anfallserkennung legte. Nach etwa zwei Jahren an der Uniklinik RWTH Aachen, wo er eine Sektion für Epileptologie aufgebaut hat, ist Surges jetzt wieder zurück in Bonn.

Etwa 120 Mitarbeiter – darunter 15 Ärzte – betreuen rund 1200 Patienten pro Jahr stationär. Dazu kommen etwa 4000, die ambulant versorgt werden. Und auch wenn es bundesweit mehrere Spezialabteilungen neurologischer Kliniken für Epileptologie gibt (so zum Beispiel in Berlin, Bochum, Frankfurt a. M., Freiburg und Tübingen) hält Bonn nach wie vor die „Pole Position“. Dies basiert, so Surges, auf der Pionierarbeit des Neurologen Professor Heinz Penin (1979 bis 1990) und seines Nachfolgers Professor Christian Elger (1990 bis 2018), die sowohl die exakte Differentialtypologie epileptischer und nicht-epileptischer Anfälle, die Klassifikation und präoperative Diagnostik als auch die Epilepsiechirurgie entscheidend vorangebracht haben. Und der Klinik für Epileptologie nicht zuletzt ein eigenes „Zuhause“ am südlichen Zipfel des Venusberg-Campus‘ eingerichtet haben.

Eine Rückschau auf die ersten 40 Jahre Bonner Epileptologie wäre nicht vollständig ohne einen Blick in die Zukunft. Eines der Stichworte dabei heißt „First Seizure“ (also „erster Anfall“), verbunden mit dem Ziel, Betroffenen schon im frühen Stadium der Erkrankung konkrete Behandlungsangebote machen zu können. Den Handlungsspielraum erheblich erweitern können auch mobile Systeme. Auf diesem Gebiet sieht Surges großes Potenzial. „Solche Systeme werden in der Epilepsiebehandlung eine immer wichtigere Rolle spielen“, blickt der Klinikdirektor voraus. „Das gilt für die Daten von Arzt zu Arzt, von Patient zu Arzt und für die Notrufaktivierung während eines Anfalls, beispielsweise über das Smartphone.“

Zudem besteht bei den häufig jungen Epilepsie-Patienten Beratungsbedarf zu wichtigen Fragen ihres täglichen Lebens wie Berufswahl, Kinderwunsch oder Autofahren. Für diese Gruppe sowie für Menschen, die an nicht-epileptischen, psychogenen Anfällen leiden, gibt es spezielle Sprechstunden. Auch möchte Surges in Kooperation mit den Kliniken für Psychiatrie und Psychosomatik das Versorgungsangebot bei nicht-epileptischen Anfällen deutlich erweitern. Geplant ist außerdem, die Optionen der Epilepsiechirurgie zu erweitern. Rund 130 Patienten pro Jahr stellen in der Klinik für Epileptologie die Frage, ob eine Operation ihnen helfen kann. Künftig soll das Angebot auch für Betroffene mit Epilepsien durch komplexe Hirnaufbaustörungen offen sein.

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