Ganzheitliche Behandlung Neues Adipositas-Zentrum in Bonn hilft Patienten mit Übergewicht
Bonn · Das neue Adipositas- und Stoffwechselzentrum auf dem Venusberg geht an den Start: Das dortige Expertenteam behandelt Betroffene und forscht an neuen Möglichkeiten der Therapie und Vorsorge.
Weltweit leiden immer mehr Menschen an Fettleibigkeit (Adipositas) und ihren Folgen, wie zum Beispiel Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder Diabetes. Anfang Mai stellte das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa den neuen „European Obesity [Englisch für „Fettleibigkeit“] Report“ vor. Übergewicht und Adipositas betreffen demnach heute knapp zwei Drittel der Erwachsenen sowie bereits jedes dritte Kind in der europäischen Region.
Die starke Zunahme an Adipositas-Erkrankungen in den Industrieländern wird vor allem auf Über- und Fehlernährung sowie Bewegungsmangel zurückgeführt. Doch auch die Corona-Pandemie scheint die Entwicklung zu befeuern.
„Der WHO-Report zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist“, sagt Professorin Wiebke Fenske, Leiterin der Sektion Endokrinologie (Lehre von den Hormonen), Diabetologie und Stoffwechselmedizin um Uniklinikum Bonn. Als die Expertin für Fettleibigkeit (wie damals berichtet) vor zwei Jahren von Leipzig zum UKB wechselte, war eines ihrer Ziele, auf dem Venusberg ein interdisziplinäres Adipositas- und Stoffwechselforschungszentrum aufzubauen.
Adipositas soll nicht länger als „Lebensstil-Entscheidung“ geschmäht werden
Jetzt ist es soweit: Das Zentrum, mit Fenske als Leiterin, ist an den Start gegangen und bietet Patienten mit Adipositas und Folgeerkrankungen eine ganzheitliche Behandlung. Im Juli 2020 wurde gesetzlich die Grundlage dafür gelegt, dass Adipositas auch in Deutschland offiziell als chronische Erkrankung anerkannt und nicht länger als eine „Lebensstil-Entscheidung“ düpiert wird. Mit der vom Bundestag etablierten Regelversorgung der Adipositas-Erkrankung soll Patienten künftig effizienter geholfen werden.
Das ist auch das Ziel des neuen Zentrums. Nach einer Diagnostik des Energie- und Systemstoffwechsels berät dort ein Expertenteam aus Endokrinologie, Ernährungsmedizin, Psychosomatik und Chirurgie die Betroffenen zur passenden, individuellen Therapie.
Die kann aus Hilfe bei der Veränderung des Lebensstils bestehen, mehr Bewegung, Ernährungsberatung und -umstellung und einer Verhaltenstherapie. Wenn das alles nichts hilft, setzt das Team auch auf Chirurgie (etwa Schlauchmagenbildung oder Magenbypass-OP), um weitere Folgeerkrankungen zu vermeiden und die Lebenserwartung und -qualität der Betroffenen zu verbessern.
Das Zentrum forscht unter anderem auch dazu, wie die Adipositas-Chirurgie die Darmflora beeinflusst. „Unsere neuesten Erkenntnisse belegen, dass das veränderte Darmmikrobiom nach Adipositas-Chirurgie direkten Einfluss auf die Gewichtsreduktion hat“, sagt Fenske.