Liebling der Götter oder gefürchtete Egoman? Bonner Ägyptologe erforscht den antiken Warlord Anchtifi

Bonn · Der Bonner Ägyptologe Ludwig Morenz befasst sich mit dem altägyptischen Herrscher Anchtifi von Hefat. Der lebte im 3. Jahrtausend vor Christus, war eher ein Kriegstreiber als ein Pharao – und nahm in seinen Inschriften den Mund ganz schön voll.

Das Felsengrab des Anchtifi von Hefat: Die Anlage befindet sich etwa 30 Kilometer südlich vom heutigen Ort Luxor in Ägypten.

Das Felsengrab des Anchtifi von Hefat: Die Anlage befindet sich etwa 30 Kilometer südlich vom heutigen Ort Luxor in Ägypten.

Foto: Bill Manley

Wow: „Ich bin ein Manns-Kerl: Es wird keinen anderen geben.“ Sind wir hier bei den Gangsta-Rappern, einem wenig subtilen Comedian oder einem zeitgenössischen Autokraten? Nein. Anchtifi von Hefat hat diese markigen Worte am Ende des 3. Jahrtausends vor Christus in Inschriften seiner Felsgrabanlage hinterlassen.

„Der regionale Machthaber präsentierte sich im zerfallenden Reich Altägyptens als Retter und Messias“, resümiert Professor Ludwig Morenz von der Uni Bonn. Der Ägyptologe hat jetzt ein Buch dazu herausgegeben.

„Ich bin ein Held ohnegleichen“, lautet eine weitere Inschrift. Morenz ist überzeugt, dass die Betonung der Männlichkeit zum einen Stärke gegen potenzielle Feinde, aber auch Voraussicht und Weisheit ausdrücken sollte. Anchtifi habe sich geschickt in die Nähe der Götter Horus und Hemen aus der ägyptischen Mythologie gerückt, obwohl er kein Pharao, sondern aus heutiger Sicht eher so etwas wie ein regionaler „Warlord“ gewesen sei.

„Krokodilschwanz“: Anchtifi erfand eine neue Hieroglyphe, die Zerstörungspotenzial ausdrückt

„Ich bin Anfang des Menschen und Ende der Menschen“ – diesen messianischen Anspruch hinterließ der selbst ernannte Anführer unbescheiden auf einem der 30 Pfeiler seiner Felsgrabanlage. Sie befindet sich im Süden Ägyptens, etwa 30 Kilometer südlich vom heutigen Ort Luxor.

Im Vergleich zu anderen altägyptischen Texten wirkt der Tenor der Selbstdarstellung für moderne Leser recht verstörend. „Einzigartig“ nennt sie Morenz. Die Inschriften auf den Säulen seien autobiografisch gehalten und nach den Erkenntnissen des Wissenschaftlers mythisch verklärt.

Anchtifi wollte seiner Um- und Nachwelt Respekt und Ehrfurcht einflößen und scheute dafür keine Mühen. „Zum Ausdruck des Neuen wurde sogar ein neues Zeichen entwickelt: die Hieroglyphe Krokodilschwanz“, berichtet Morenz. „Sie steht für Zerstörungspotenzial.“

Den Bonner Forscher erinnert Anchtifi an moderne Autokraten

In einer Zeit, in der der pharaonische Zentralstaat nach mehreren Jahrhunderten scheinbarer Stabilität immer mehr in regionale Mächte zerfiel, inszenierte sich Anchtifi als „Liebling der Götter” und als „starker Kerl”. Mit diesen Zuschreibungen wollte er in seiner Region für den absoluten Neubeginn stehen.

Die Inschriften des Felsengrabes beziehen sich auch auf schlimme Bürgerkriegserfahrungen. Anchtifi will sie überwinden und eine neue Ordnung etablieren. Das hat einen realen Hintergrund: Am Ende des 3. Jahrtausends operierten Nubier als Söldner in den verschiedenen kleineren Machtzentren. „Die Krieger waren eine wichtige Machtbasis für Anchtifi”, erläutert Morenz, der sich seit seiner Studienzeit in Halle und Leipzig mit Anchtifi beschäftigt. Von 2002 bis 2004 war der Wissenschaftler auch an Ausgrabungen der Liverpooler archäologischen Mission des Felsengrabes beteiligt.

Morenz kam im Laufe der Jahre immer wieder auf die Texte zurück und diskutierte sie mit Fachkolleginnen und -kollegen. Nach ausgiebiger Beschäftigung mit Anchtifi steht für ihn fest: Einem solchen Machtmenschen und Egomanen würde er lieber nicht begegnen. Doch auch mehr als 4000 Jahre nach Anchtifi gebe es diesen Typus noch. Morenz: „Mir kommen dabei unsere neuen Autokraten in den Sinn.”

Ludwig D. Morenz: Anchtifi von Hefat – Manns-Kerl und Messias? Bonner Ägyptologische Beiträge, Band 12, EB-Verlag Berlin, 151 S., 19,80 Euro

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