Alanus-Ringvorlesung Welche Rolle die Liebe in der Architektur spielt

Alfter. · Der Architekt Benedikt Stahl spricht in der Alanus-Ringvorlesung über Liebesnester und Freudenhäuser. Wer frivole Innenansichten aus dem ältesten Gewerbe der Welt und dessen Behausungen erwartet, wird aber nur bedingt fündig werden.

 Auch ein Stück Architektur: Ein großes Bild prangt an der Wand des Eros-Centers an der Bonner Immenburgstraße.

Auch ein Stück Architektur: Ein großes Bild prangt an der Wand des Eros-Centers an der Bonner Immenburgstraße.

Foto: Benjamin Westhoff

Das Thema allein dürfte dem Architekturprofessor Benedikt Stahl am 13. November schon ein volles Auditorium bei der Alanus-Ringvorlesung „Liebe usw.“ bescheren: Er erzählt „Von Liebesnestern und Freudenhäusern – Liebe in der Architektur“. Wer hier frivole Innenansichten aus dem ältesten Gewerbe der Welt und dessen Behausungen erwartet, wird aber nur bedingt fündig werden.

Zwar hat Stahl sich mit dem Stellenwert der Prostitution in der Antike, dem berühmten, wunderbar ausgemalten Puff in Pompeij und etwa auch dem zum touristischen Highlight avancierten Rotlichtbezirk in den Walletjes rund um die Oude Kerk in Amsterdam oder der verschämt an den Rand der Gesellschaft und ins städtische Abseits geschobenen Prostitution andernorts befasst. Doch sein geweitetes Augenmerk liegt eher auf einer anderen Ebene: „Haus und Freude“.

„Was hat Freude mit Haus zu tun?“, fragt Stahl: „Da fange ich bei mir zu Hause an – ich freue mich, wenn ich zu Hause bin. Das ist zunächst einmal mein Freudenhaus.“ Das führt zu weiteren Fragen: Wie müssen Städte und Häuser beschaffen sein, in denen man sich wohlfühlt, in denen ein liebevolles Miteinander möglich wird? Es gibt Plätze, die Beziehungen fördern, Rückzugsräume, Orte zum Schlendern und Verweilen, sich zu treffen, Gespräche zu führen. „Wo das möglich ist, ist die Stadt menschlich – da ist, wenn es gut geht, auch Liebe.“ Die dichte Atmosphäre italienischer Plätze eigne sich als Vorbild für solche Ideen immer noch sehr gut, sagt der Architekt und Stadtplaner.

 Benedikt Stahl.

Benedikt Stahl.

Foto: Thomas Kliemann

Der 59-Jährige ist Dekan des Fachbereichs Architektur und seit 2006 Professor für Architektur und Stadtraum an der Alanus Hochschule. „Es gibt auch die Freude, Architektur zu erfinden“, sagt er. Diese Freude übertrage sich auf die Menschen. Ein Beispiel dafür ist für ihn das Museum Kolumba in Köln, „ein Haus, das unglaublich gut gemacht ist, an dessen Besuch ich mich erfreue und an dem sich sicher auch die Leute erfreuen, die es erfunden und gebaut haben“.

Im Gegenzug gebe es auch lieblose Architektur: „Wenn ich durch die Städte gehe, fällt mir viel Liebloses auf.“ Was ist lieblos? „Im Maßstab Unmenschliches und im Detail schlecht Gemachtes finde ich lieblos“, sagt er. Auch dass sich die Menschen in den Städten dem Autoverkehr unterordnen müssen, empfindet Stahl so. Autobahnen, breite Trassen durch Städte nennt er „seelenlosen Raum“. Stahl hält eine allein auf gut funktionierende Automobilität gerichtete Städteplanung für anachronistisch und plädiert für „Städte für Menschen“, ein Buchtitel des dänischen Architekten und Stadtplaners Jan Gehl.

Die Liebe zum Auto gebe es auch, sagt Stahl schmunzelnd, doch die sei individuell ausgerichtet, nicht auf gemeinschaftliches Erleben. „Gute Architektur fördert Beziehungen.“ Stahl erinnert an die Kölner Kampagne „Liebe deine Stadt“, die für das Bewusstsein städtischer und architektonischer Qualitäten erstaunliche Ergebnisse gebracht habe.

Das Wort „Liebesnest“ hat für Stahl mit Paarbeziehung zu tun, und in diesem Zusammenhang mit „einrichten, bauen, planen“. „Eine Zweisamkeit, ein Zuhause einzurichten – ein wunderschönes Thema für die Architektur“, schwärmt Stahl. Es geht um Individualität und die Gestaltung einer Gemeinschaft. „Was braucht man für ein Liebesnest? Licht, Luft und Liebe“, sagt er. Stahl erinnert an Jan Vermeers Malerei und wie kunstvoll darin eine Alltagssituation ins richtige Licht gerückt wird: die Liebe zum Detail rückt hier ins Bild. „Häuser sind immer »Beziehungskisten«, und natürlich geht es da auch um gefühlte Welten.“

„Das Konstruieren von Atmosphären ist der Kern unserer Arbeit“, sagt der Architekt. Die Frage sei, welche Atmosphäre gewünscht ist, was es dafür braucht und wie das umgesetzt werden kann. Architektur kann das Wohlbefinden und damit auch die Liebe fördern, könne sie aber auch unterdrücken oder stören. Interessant ist für Stahl zum Beispiel eine Untersuchung zur Problematik hoher Scheidungsraten in der niederländischen Stadt Amersfoort, worüber sogar in der deutschen Presse berichtet wurde. Inwieweit das mit dem Thema Liebe in der Architektur zusammenhängen könnte und was es sonst noch für Fundstücke dazu gibt, wird der Architekturexperte gerne in seinem Vortrag zum Besten geben und mit dem Publikum darüber diskutieren.

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