Studie der Universität Bonn Der Knick in der Optik macht Sinn

Bonn · Das menschliche Sehen arbeitet nicht mit der präzisesten Stelle der Netzhaut. Das hat eine Studie der Universität Bonn herausgefunden.

 Die Erstautorin der Studie, Jenny Lorén Reiniger, bei der Messung am Laser-Ophthalmoskop.

Die Erstautorin der Studie, Jenny Lorén Reiniger, bei der Messung am Laser-Ophthalmoskop.

Foto: Volker Lannert

Neue Erkenntnisse, die sich dem Themenfeld „Knick in der Optik“ zuordnen lassen, haben Bonner Wissenschaftler gewonnen: Wenn wir mit den Augen ein Objekt fixieren, kommt dessen Bild nicht an der Stelle der Netzhaut zu liegen, an der die Zellen am dichtesten sind. Stattdessen ist seine Position etwas in Richtung Nase und nach oben verschoben.

Die Forschenden haben für ihre in der Zeitschrift Current Biology erschienene Studie 20 gesunde Probanden untersucht und spekulieren nun, dass dieser „kleine Verschiebe-Trick“ dabei hilft, insgesamt besser zu sehen.

Zum Verständnis lohnt sich ein Blick auf die Netzhaut, sozusagen der Licht-Sensor auf der Hinterwand des Auges. Dort gibt es die Stäbchen- und die Zapfen-Photo­rezeptoren. Während die Stäbchen das Sehen in der Dämmerung erleichtern, sind die Zapfen fürs Farbensehen und feine Details zuständig. Sie sind sehr unterschiedlich groß und dicht.

In der Sehgrube (lateinisch Fovea), der Stelle des schärfsten Sehens, kommen bis zu 200 000 Zapfen auf einen Quadratmillimeter; am Netzhaut-Rand dagegen nur 5000. Wenn man den Vergleich zur Digitalkamera heranziehen möchte, dann wäre es so, als hätte sie an verschiedenen Stellen eine unterschiedliche Auflösung.

„Auch in der Fovea selbst variiert die Packungsdichte der Zapfen“, erklärt Dr. Wolf Harmening, der an der Uni-Augenklinik die Arbeitsgruppe für adaptive Optiken und visuelle Psychophysik leitet. „Am größten ist sie im zentralen Teil der Sehgrube. Wenn wir ein Objekt fixieren, richten wir unsere Augen so aus, dass das Bild exakt an diese Stelle fällt – zumindest dachte man das bislang.“

Denn ganz so augenscheinlich ist es nicht, wie Harmenings Mitarbeiterin Jenny Lorén Reiniger in Analysen für ihre Doktorarbeit festgestellt hat. Demnach ist das Bild gegenüber dem Ort mit der höchsten Zapfen-Dichte etwas in Richtung Nase und oben verschoben – und zwar systematisch. Die Forscher fragten sich: „Warum sehen wir nicht mit dem schärfsten Teil unserer Netzhaut, sondern lassen ihn sprichwörtlich »links liegen«?“

Die Vermutung der Wissenschaftler: Vielleicht reservieren wir durch diesen Trick die Höchstleistung der Augen für Bereiche des Bildes, die sie wirklich benötigen.

„Wenn wir auf horizontale Flächen, wie zum Beispiel den Boden schauen, sind die Bereiche oberhalb der Stelle, die wir fixieren, weiter von uns entfernt“, so Reiniger. Objekte, die dort liegen, erscheinen daher etwas kleiner. Ihr Bild fällt dank der Abweichung genau auf die Stelle der Sehgrube mit der höchsten Auflösung. „Das heißt: Wir sehen die kleineren Dinge schärfer“, sagt die Doktorandin. Insgesamt könnte dieser Effekt einen Vorteil für das beidäugige Sehen mit sich bringen, so die Vermutung der Wissenschaftler.

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