Ernst-Robert-Curtius-Zentrum in Bonn Neues Zentrum forscht zum Deutsch-Französischen Verhältnis

Bonn · Ein wichtiges, aber nicht immer einfaches Verhältnis: Das Centre Ernst Robert Curtius der Uni Bonn diskutiert deutsche und französische Perspektiven auf Europa.

Mal einig, mal weniger: Die Partner Deutschland und Frankreich. Foto: Adobe Stock

Mal einig, mal weniger: Die Partner Deutschland und Frankreich. Foto: Adobe Stock

Deutschland und Frankreich sind die zwei zentralen Triebkräfte innerhalb der Europäischen Union, doch nicht selten gehen die Vorstellungen der beiden Staaten auseinander. Zwangsläufig hat dies Auswirkungen auf Diskurse auf kontinentaler und globaler Ebene, zumal die einst etablierten Ordnungen in Kultur, Politik, Gesellschaft, Recht, Finanzwesen und Wirtschaft zunehmend unter Druck geraten und durch nationalistische, identitäre und protektionistische Konzepte erodiert werden.

In dieser Gemengelage will das neu gegründete Centre Ernst Robert Curtius (CERC) der Universität Bonn, benannt nach dem berühmten Bonner Romanisten, die Frankreich-Kompetenzen der Hochschule bündeln, die „europäischen Kulturen aus deutscher und französischer Perspektive“ analysieren und sich aktiv in die Debatten zur Gestaltung der europäischen Zukunft einbringen. Insgesamt zehn Disziplinen sind an dem neuen Verbundprojekt beteiligt.

Deutschland ist föderalistisch, Frankreich ist zentralistisch

„Schon in der Staatsform unterscheiden sich Deutschland und Frankreich deutlich“, erklärt CERC-Sprecher Professor Michael Bernsen. „Wir sind föderalistisch aufgebaut, die »Grande Nation« zentralistisch. Das hat etwa in der Frühphase der Corona-Pandemie dazu geführt, dass die Franzosen sehr schnell und sehr hart reagiert haben, während wir hierzulande Diskussionen um den kleinsten gemeinsamen Nenner hatten. Dafür hatten wir aber hinterher vergleichsweise entspannte Proteste – in Frankreich war die Situation weitaus volatiler.“

Diese unterschiedlichen Vorstellungen von Führung fänden sich auch bei der Ausgestaltung der EU wieder. „Frankreich, immerhin eine der ältesten Kolonialmächte, denkt assimilativ; selbst Präsident Macron stellt sich letztlich ein Europa unter Frankreichs Führung vor. Das widerspricht aber dem Konzept der EU.“ Und was ist mit Deutschland? „Wir setzen auf den Willen der Gemeinschaft, was aber ebenfalls schwierig ist, wie die Diskussionen mit Ungarn und Polen zeigen.“

Das Ziel des CERC sei es nun, Europa und seine weltweite Vernetzung aus den wechselseitigen Perspektiven Deutschlands und Frankreichs theoretisch neu zu denken und Anstöße für gesellschaftlich relevante Diskurse und praktische Weiterentwicklungen zu geben.

Auch im Angebot: Öffentliche Buchdiskussionen

Dabei reicht das Spektrum von philosophischen Erörterungen zu einem „neuen Realismus“ über die unterschiedlichen Didaktik-Ansätze in Deutschland und Frankreich bis hin zu vergleichenden Rechtsanalysen.

Das CERC versteht sich dabei nicht nur als Plattform, die sämtliche Projekte der Universität Bonn mit einem Frankreich-Bezug bündeln will, sondern auch als eigenständiges Forschungszentrum. Zudem sollen die außeruniversitären Beziehungen mit zahlreichen deutschen und internationalen Kooperationspartnern auf- und ausgebaut werden.

Gleiches gilt für bi- und trinationale Studiengänge etwa mit der Sorbonne und der Universität Toulouse. Außerdem führt das CERC gemeinsam mit den acht anderen universitären Frankreich-Zentren in Deutschland eine regelmäßige Online-Veranstaltungsreihe durch, organisiert Podiumsdiskussionen mit dem Institut français oder verschiedenen politischen Stiftungen und bietet öffentliche Buchdiskussionen („Lectures Croisées“) an.

„Insgesamt haben wir seit 2020, als die ersten Strukturen entstanden, 140 Veranstaltungen eigenständig oder im Verbund durchgeführt“, so Bernsen. Die nächste Tagung unter dem Titel „Denkkulturen“ findet am 27. und 28. Oktober statt.

Mehr Infos: www.cerc.uni-bonn.de

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