Patientenkolloquium des UKB Uniklinik Bonn informiert zum Thema Resilienz

Bonn · Beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn geht es um Resilienz – die Fähigkeit, auch in existenziellen Krisen daran festzuhalten, was dem Leben Sinn und Inhalt gibt. Der Termin findet statt am Donnerstag, 31. März.

    Resilienz:   Dabei geht es darum, in der Bewältigung einer Krise sein seelisches Gleichgewicht (wieder) zu finden  

Resilienz: Dabei geht es darum, in der Bewältigung einer Krise sein seelisches Gleichgewicht (wieder) zu finden  

Foto: Rolf Müller/UKB

Mit Blick auf die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine klingt die Frage nach dem Umgang mit Krisen und Bedrohungen im eigenen Leben auf der einen Seite so akut wie nie zuvor – und auf der anderen vielleicht schon beinahe „ungehörig“. Doch Leid ist nicht zu relativieren, und eine die ­­Lebenszeit verkürzende Krankheit oder der plötzliche Verlust eines nahestehenden Menschen sind deshalb nicht weniger „wichtig“. Für manche kommt all dies vielleicht sogar zur selben Zeit. Anderen wiederum mag es schwer fallen, sich auch nur vorzustellen, wie jemand das aushält und dabei dennoch den Lebensmut nicht verliert.

Diese Kraft, trotz allem (oder vielleicht gerade deshalb) an Plänen, Wünsche und Hoffnungen festzuhalten, wird auch als Resilienz bezeichnet. Zwar gibt es weder die eine verbindliche, allumfassende ­­Definition dieses Begriffs noch den einen Weg im Leben, um dieses Ziel zu erreichen. Doch mit der Umschreibung, auch in schwierigen Zeiten Ruhe zu bewahren, nicht in Panik zu geraten und alles für sinnlos zu erklären, was einem bislang im Leben etwas bedeutet hat, verbinden wohl die meisten von uns konkrete Vorstellungen.

Genau darum geht es beim ­­nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn (UKB) am Donnerstag, 31. März, von 18 bis 20 Uhr (wieder in Form einer öffentlichen Zoom-Konferenz).

Wie stehen wir existenzielle Krisen durch?

Professor Lukas Radbruch (Direktor der ­­Klinik für Palliativmedizin), Professorin ­­Sabine Koch (Tanz- und Bewegungstherapie an der SRH Hochschule Heidelberg sowie Empirische Forschung in den Künstlerischen Therapien an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Alfter) und Professor Clemens Albrecht (Kultursoziologie, Institut für Politische Wissenschaften und Soziologie der Universität Bonn) sprechen an diesem Abend darüber, ob und wie es möglich sein kann, auch in existenziellen Krisen das Leben zu bejahen.

„Im Mittelpunkt steht das Nachdenken über die persönlichen ­­Lebensinhalte“, erklärt Radbruch einleitend. „Es geht um die Frage, was dem Leben Sinn gibt und nicht etwa darum, einem Leitfaden zur Selbstoptimierung zu folgen. Einem Menschen hilft dieses, dem nächsten vielleicht etwas ganz anderes. Das ist ganz individuell“, fügt er hinzu

Radbruch leitet das Teilprojekt „Resilienz und Kohärenz in der Palliativmedizin“ innerhalb der Forschungsgruppe 2686 „Resilienz in Religion und Spiritualität – Aushalten und Gestalten von Ohnmacht, Angst und Sorge“. Sie ist fachlich den Geisteswissenschaften und der Medizin in Zusammenarbeit mit Sozial- und Verhaltenswissenschaften zugeordnet und wird seit 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

„Was gibt Kraft? Worte, Bilder oder vielleicht Musik?“

„Bei uns geht es um ressourcenorientiertes Denken“, sagt Radbruch. „Was gibt Kraft? Worte, Bilder oder vielleicht Musik?“ So gibt es an der Klinik für Palliativmedizin auch ein gemeinsames Projekt mit dem Verein Bonn Lighthouse. Patientinnen und Patienten haben die Möglichkeit, mit Hilfe von Ehrenamtlichen wesentliche Dinge aus ihrem Leben in einem Text für sich und die Nachwelt festzuhalten.

Welches Potenzial künstlerische Therapien haben können, erforscht seit 2003 die aus Heidelberg stammende Professorin Sabine Koch. Sie hat seit 2015 an der Alanus Hochschule die Professur für „Empirische Forschung in den Künstlerischen Therapien“ inne und leitet dort das Forschungsinstitut für Künstlerische Therapien (RIArT), das 2019 an einer Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beteiligt war. Wie die Auswertung von mehr als 900 Publikationen über den Zusammenhang von Kunst und Gesundheit gezeigt hat, steigern Kunst, Musik, Tanz und Bewegung deutlich die Befindlichkeit vielfältigster Patientengruppen. RIArT nimmt auch an einer Folgestudie der WHO teil, die die spezielle Wirkung Künstlerischer Therapien untersucht.

„Die Pandemie hat uns deutlich gezeigt, welche wertvollen Kraftquellen in den Künsten liegen. So waren die Balkonkonzerte 2020 in der ersten Zeit ein deutliches Zeichen der Resilienz und Verbundenheit unter den Menschen“, so Koch. „Die Künstlerischen Therapien nutzen seit Langem diese Kraftquellen in der Arbeit mit besonders vulnerablen Patientengruppen als Ausdrucks- und Heilmittel.“ Beispiele sind Musiktherapie mit Demenzpatienten, Tanztherapie bei Depression, Kunsttherapie in der Onkologie und bei Palliativpatienten. „Wir begleiten derzeit wissenschaftlich unter anderem eine Studie zur Stärkung der Resilienz von Kindern von drei bis elf Jahren, die durch die Flut im Kreis Ahrtal und Euskirchen betroffen sind, durch Theatertherapie-Workshops“, erklärt Koch.

Vermisstenfälle sind besonders schwer zu verarbeiten

Durch die Pandemie habe sich vor allem die Situation alter, kranker oder auch sterbender Menschen dramatisch verschärft. Ambulante Hospizdienste konnten nur begrenzt arbeiten, viele Palliativstationen wurden geschlossen. Die plötzliche Isolation und das oftmals einsame Sterben in Altenheimen und Krankenhäusern haben seelische Spuren hinterlassen und alle, die davon berührt werden – sei es privat oder auch am Arbeitsplatz – vor neue Herausforderungen gestellt.

Die während der Pandemie forcierte Digitalisierung konnte dabei aber zumindest einiges „abfangen“ und via Bildschirm und Social Media doch etwas Zuwendung und Nähe ermöglichen: unverzichtbare ­­Momente – ganz im Sinne der Resilienz.

Doch wie wirken sich die Erfahrungen von Tod und Sterben über einen längeren Zeitraum hinweg und bezogen auf größere Gruppen aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Kultursoziologe Albrecht und wird das Thema Resilienz beim ­­Kolloquium aus einer weiteren ­­Perspektive heraus betrachten. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang etwa Traditionen, „klassisch“ familiäre Bindungen oder soziale Netzwerke? In welche Ideensysteme, welche Vorstellungen sind diese Erfahrungen eingebettet? Religion, Philosophie, Erlebnisberichte oder vielleicht Nahtoderlebnisse?

Einblicke vermittelt ein inter­disziplinärer Studiengang des Instituts für Politische Wissenschaft und Soziologie und des Evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik zum Umgang mit Erfahrungen von Sterben, Tod und Trauer in der Arbeitswelt. Das Projekt in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Koblenz wird von der „Stiftung Deutsche Bestattungskultur“ finanziell gefördert und ist von der „Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ anerkannt. Bundesweit erstmalig haben Studierende in Bonn seit dem Wintersemester 2019/20 die Möglichkeit, bei ihrem Masterstudium die zertifizierte Zusatzqualifikation „Trauerbegleitung am Arbeitsplatz“ zu erwerben und sich kostenfrei über den Bundesverband Trauerbegleitung dafür zu qualifizieren.

Trauer, so Albrecht, ist nicht das Gegenteil von Resilienz, sondern geht ihr vielmehr voraus. Rituale fangen die Hinterbliebenen auf und ermöglichen ihnen, abzuschließen, wieder zur innerer Ruhe zu finden. „Zu den schwersten Herausforderungen für das menschliche Vermögen mit Krisen umzugehen, gehören deshalb Vermisstenfälle“, wie Albrecht erläutert.

In der Ungewissheit über Leben oder Tod und getrieben von der quälenden Frage, ob und wodurch das Verschwinden erklärbar ist, kommen die Angehörigen nicht zur Ruhe. Diese schafft jedoch gemeinsam mit der Akzeptanz der nicht zu ändernden Tatsachen die Basis, um das aus eigener Kraft durchzustehen.

„Jeder, der beruflich mit Menschen in existenziellen Krisensituationen zusammentrifft, weiß, dass sich solche Begegnungen nicht standardisieren lassen“, wie Radbruch abschließend resümiert. „Takt spielt dabei eine wesentliche Rolle: Das Gespür der professionell Handelnden für konkrete Situationen und eine angemessene Handlung für diese Situation zu finden.“ Das stärkt Resilienz, auch die eigene.

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