Preisgünstige Pegelmessung an Flüssen Ein neues Gerät misst, ob alles im Fluss bleibt

Bonn · Forscher der Universität Bonn haben einen kostengünstigen Sensor zur Warnung vor Überflutungen an Flüssen entwickelt, der Satellitensignale nutzt. Ein Problem dabei ist: Er funktioniert nur, wenn der Fluss mindestens 40 Meter breit ist – also nicht an der Ahr.

 Bei dem Hochwasser im Februar 2021 zeigte der Bonner Rheinpegel über Tage zu niedrige Werte an.

Bei dem Hochwasser im Februar 2021 zeigte der Bonner Rheinpegel über Tage zu niedrige Werte an.

Foto: Martin Wein

Es war ein Aufregerthema Anfang 2021: Tagelang hatte der Bonner Rheinpegelmesser viel zu niedrige Werte gemessen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung hatte sich bei ihrer Hochwasservorsorge ebenso darauf verlassen wie die Stadt Bonn. Auch nach einem Jahr war das Malheur nicht behoben.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden, um den Pegelstand eines Wasserlaufs zu bestimmen. Am einfachsten ist eine Messlatte, wie sie etwa am Bonner Brassertufer vor dem Pegelhäuschen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Köln angebracht ist. Möglich sind aber auch High-Tech-Lösungen per Radar.

Doch alle Verfahren haben einen Haken: Hochwasser kann die meisten Messgeräte beschädigen und damit unbrauchbar machen. Viele erlauben außerdem keine kontinuierliche Überwachung, denn ihre Fernablesung ist schwierig oder sie sind einfach zu teuer.

In Wesel am Niederrhein ist dagegen bereits seit zwei Jahren ein Messgerät installiert, das diese Nachteile nicht hat: Es übermittelt den Pegelstand per Mobilfunk kontinuierlich an ein Auswertungs-Zentrum und kostet dabei nicht die Welt. Damit eignet es sich zur engmaschigen Überwachung und Vorhersage von Hochwasser- und Dürre-Ereignissen.

Das Gerät greift Satellitensignale ab

„Der Kern unseres Geräts ist ein kostengünstiger GNSS-Empfänger“, erklärt Dr. Makan Karegar vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn, wo die Innovation zusammen mit Forschenden der Federal University of Rio Grande do Sul in Brasilien entwickelt wurde.

GNSS-Empfänger (Empfänger für globale Navigationssatellitensysteme) sind Sensoren, die die Position ihres Standorts auf wenige Meter genau bestimmen können. Dazu nutzen sie unter anderem die GPS-Satelliten der USA sowie ihre russischen Pendants namens GLONASS.

Der Clou daran: „Mit Hilfe der Satellitensignale lässt sich auch der Abstand der GNSS-Antenne zur Oberfläche eines Flusses messen“, sagt Karegar. Die von den Satelliten ausgestrahlten Wellen werden nämlich nur zum Teil direkt von der Antenne aufgefangen. Der Rest wird von der Umgebung reflektiert und gelangt über diesen Umweg zum Empfänger.

Die Messung ist auf 1,5 Zentimeter exakt

Bei einem Pegelmesser ist das die Wasseroberfläche. Der reflektierte Anteil ist daher geringfügig länger unterwegs. Er bildet bei der Überlagerung mit dem direkt empfangenen Signal bestimmte Muster, sogenannte Interferenzen. Aus ihnen lässt sich der Abstand der Antenne zum Wasserspiegel errechnen.

Das funktioniert allerdings nur, wenn der Fluss mindestens 40 Meter breit ist. Sonst stammt ein zu großer Anteil der Reflexionen aus Uferbereichen. Für die tückische Ahr beispielsweise taugt das Verfahren nicht.

Montieren lässt sich das GNSS-Gerät beliebig an Brücken, Gebäuden, Bäumen oder Zäunen in Ufernähe. „Von dort kann es berührungslos rund um die Uhr den Flusspegel messen, im Durchschnitt auf 1,5 Zentimeter exakt“, sagt Karegar. Somit sei der Messapparat selbst bei einem durchschnittlichen Hochwasser nicht gefährdet.

Mit einer radargestützten Pegelmessung könne das neue Verfahren zwar nicht konkurrieren. Dafür sei es mit Anschaffungskosten von rund 150 Euro aber auch deutlich günstiger zu haben. Da das Messgerät von einem autarken Minicomputer gesteuert wird, kann ein kleines Solarpanel es problemlos mit Energie versorgen. Lediglich bei einem Ausfall der Mobilfunknetze wie nach der Jahrhundertflut 2021 im Ahrtal versagt die Übertragung.

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